Zur Studie: Iff Fairness Bericht

Das institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) hat 2013 eine Studie zum Thema „Fairness und Verantwortung im Verbraucherkreditgeschäft“ erarbeitet, in der Fairness-Standards insbesondere für Ratenkredit und Überziehungskredit entwickelt wurden. Damit reagierte das gemeinnützige Institut auf Entwicklungen im Konsumkreditmarkt nach der Krise, wonach neben dem Preis vor allem die Qualität von Krediten („Verantwortlicher Kredit“) eine größere Rolle spielen soll. Diese Dimension ist bisher in dem reinen Verbraucherinformationsansatz des Schutzrechts unterbewertet. Wo es keine guten Produkte gibt, dort geht das Recht der Verbraucher auf freie Auswahl „ins Leere”. Problembereiche wie die Restschuldversicherungen, Vorfälligkeits- entschädigungen, Umschuldungslawinen und drückende Beitreibung von Außenständen haben gezeigt, dass der Wettbewerb auch diese Elemente erfassen muss. Der Kriterienkatalog ist daher so gefasst, dass er auch heute schon erfüllbar ist. Das heißt nicht, dass damit alles erreicht wäre, was im Kredit für Verbraucher und Öffentlichkeit wünschenswert ist. Vielmehr muss der Kriterienkatalog mit der Zeit angepasst werden. Wenn sich mehr Banken diesen Kriterien stellen, ist zu erwarten, dass Bewegung in die erstarrte Landschaft kommt und die schwarzen Schafe der Branche allmählich auch öffentlich erkennbar werden. Die DQS hat als erfahrener Zertifizierer nun die Kriterien des iff in ein Bewertungsverfahren überführt und bietet unabhängig vom iff eine solche Zertifizierung an.

Für das iff als Verbraucherforschungsinstitut ist dies Neuland. Das in einer Zertifizierung enthaltene positive Urteil über das Marktverhalten eines Anbieters hat letztlich einen werbenden Effekt für eine Bank. Dies steht im Spannungsverhältnis zum Anliegen von Verbraucherforschung, die Schwachstellen des Angebotes insgesamt aufzudecken. So liegt der Grund für die bisherige Abstinenz bei jeder Art von Zertifizierung und Rating nach wie vor darin, dass diese Art Bewertung sich nur auf das beschränken kann, was bereits auf dem Markt vorhanden ist, was also bereits angeboten wird. Zumindest die eindimensionalen Schlussbewertungen wie „gut“ oder „sehr gut“ ein Produkt ist, ließen außer Acht, dass vielleicht der Verzicht auf die Nutzung aller angebotenen Produkte der bessere Weg wäre, weil es der Entwicklung eines Produkts, das den Bedürfnissen der Verbraucher entsprechen würde, noch bedarf. Ebensolches Irreführungspotential entfalten reine Preisvergleiche ohne Rücksicht auf die Qualität der Dienstleistungen.

Für den Ratenkredit gelten diese Vorbehalte in den Augen des iff besonders. Er entspricht noch lange nicht der Gestalt auf dem Markt, die eine bedürfnisgerechte Liquiditätssicherung für Verbraucherhaushalte optimal erfordern würde. In seinen Stellungnahmen und Expertisen für Staat, Medien und Verbraucherverbände sieht das iff nach wie vor generelle Schwächen. Als Forschungs- und Beratungseinrichtung wird das iff daher weiter empirisch feststellbare Probleme und Verbraucherinteressen analysieren, um auf Strukturprobleme und Produktmängel aufmerksam zu machen. Es wird selbst keine Zertifizierung vornehmen, jedoch seine Kriterien so fortentwickeln, dass sie ähnlich wie DIN-Normen von anderen hierzu benutzt werden können. Damit geht das iff einen Schritt auf die Produktanbieter zu, wie dies schon in der Vergangenheit bei der jährlichen Konferenz, in der Erarbeitung neuer Produkte sowie der Evaluation bestehender Verfahren der Fall war. Es galt für die Kriterienentwicklung einen Kompromiss zu finden zwischen einerseits dem wissenschaftlichen Anspruch und Maximalforderungen des Verbraucherschutzes, die aus einem rein theoretischen Ansatz oder der alleinigen Stakeholder-Perspektive der Kreditnehmer folgen würden, sowie andererseits der aktuellen Marktsituation und Bankenpraxis, um Anbieter in ihrem unternehmensethischen Engagement nicht zu überfordern, sondern zu fördern. Produkte und Dienstleistungen, die an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher vorbeigehen, sie beeinträchtigen, Rechte verletzen oder zu strukturell unerwünschten Verzerrungen führen, sollen identifizierbar werden. Demgegenüber sollen Anbieter durch die Zertifizierungsmöglichkeit motiviert werden, Anstrengungen zu einer besseren Produktgestaltung und Servicing zu unternehmen, um sich dem Verbraucherbedürfnis weiter anzunähern.

Unter dieser Prämisse wurde auf der Grundlage eines theoretischen Konzepts und den problemorientierten Rückmeldungen von Verbraucherzentralen im Bereich des Kreditgeschäfts die hier öffentlich gemachte Studie entwickelt. Die Kriterien sind fortwährend im Sinne der Verbraucher zu verbessern und laufend an die sich verändernden Bedingungen des Kreditmarktes und entsprechendes Anbieterverhalten sowie an die aus erfolgten Zertifizierungen gewonnenen Erfahrungen anzupassen. Die Studie bleibt daher vorläufig und die Pilotphase ist auf zwei Jahre festgelegt. Spätestens dann findet eine Überarbeitung statt.

Die Studie enthält einen Kriterienkatalog, mit dessen konkreten, mess- sowie skalierbaren und gewichteten Kriterien die Beurteilung der Fairness und Verantwortung im Konsumentenkreditgeschäft durch Dritte möglich ist. Unter Konsumentenkrediten werden in dieser Untersuchung alle Formen von in Deutschland angebotenen Ratenkrediten (Konsumenten-, Kreditkarten-, Rahmenkredite, Dispositionskredite) verstanden, die sich unter die Bedingungen der §§ 491 ff. BGB fassen lassen. Für variabel verzinste Kredite sowie den Online-Fernabsatz wurden spezielle Kriterien entwickelt. Die Frage, ob ein Kredit fair ist bzw. verantwortlich vergeben wurde, kann dabei vom iff nicht über alle Kunden hinweg beantwortet werden. Denn die Interessen, die jeweilige Risikosituation sowie das Nutzungsverhalten der einzelnen Kreditnehmer erscheinen zu unterschiedlich, um davon abstrahierte Bewertungen vorzunehmen. Es wurden vielmehr auf der Basis von Rückmeldungen der Verbraucherzentralen und Testkäufen von Kreditnehmern Kriterien entwickelt, die den typischen Problembereichen im Konsumentenkreditbereich zuzuordnen sind.

Der auf Grundlage dieser Studie entwickelte Kriterienkatalog enthält 190 Kriterien, welche sich in Pflicht- und Kür-Kriterien aufgliedern. Die anhand von 5 Zeitphasen einer Kreditbeziehung entwickelten Kriterien werden wie folgt zueinander gewichtet: Werbung (5%), Vertragsschluss (45%), Anpassung (20%), Beendigung (20%) und Abwicklung (10%). Der Vertragsschluss als wesentlicher Bestandteil für die Vertragsbeziehung wird dadurch mit 45 % am höchsten bewertet und umfasst die meisten Kriterien. Der nachfolgende Bereich der Vertragsdauer (Anpassung, Beendigung und Abwicklung) wird mit insgesamt 50% genauso stark gewichtet wie die Zeit der Vertragsanbahnung (Werbung, Vertragsschluss), um dem Charakter der Kreditbeziehung als Dauerschuldverhältnis Rechnung zu tragen. Die Gewichtung soll dem Vertragsverlauf wieder eine größere Bedeutung geben. Für die Kür-Kriterien besteht das Erfordernis einer Mindestpunktezahl pro Zeitphase.

Die anzuwendenden Prüfmethoden kombinieren u.a. Mystery Shopping Tests mit der Einblicknahme und Stichprobenziehung von Beratungsdokumentation, Vertragsunterlagen und Abwicklungsdokumentation sowie einer systemischen Prüfung der gängigen Bankenpraxis. Insbesondere für die Prüfung der Kriterien im Bereich der Zugangsbedingungen, der Informationsgabe sowie der Qualität der Kreditberatung ist die Prüfmethode des Mystery-Shopping anzuwenden.

Die Studie sowie der daraus entwickelte Kriterienkatalog haben in ihrer Anwendbarkeit eine Gültigkeit von maximal 2 Jahren. Für diesen Zeitraum der Gültigkeit einer Zertifizierung hat sich der jeweilige den Kriterienkatalog in Bezug nehmende Anbieter zu verpflichten, die Einhaltung der geprüften und insoweit als „erfüllt“ attestierten Kriterien fortwährend sicherzustellen. Im Anschluss an den Gültigkeitszeitraum kann eine Nachfolgezertifizierung stattfinden. Diese soll unter der Voraussetzung erteilt werden, dass der Anbieter im Hinblick auf die Kriterienerfüllung eine dynamische Fortentwicklung in seinem Engagement vorweist. Aufgrund dieser Bedingung und einer fortschreitenden Entwicklung auf dem Kreditmarkt wird eine regelmäßige Überarbeitung des vom iff erstellten Kriterienkatalogs (Pflicht- und Kür-Kriterien) stattfinden.

Sämtliche Stakeholder – seien es Verbraucherverbände, politische Gremien, Banken und deren Interessenverbände oder anderweitige wissenschaftliche Einrichtungen – sind eingeladen, an der Diskussion teilzunehmen und den fortschreitenden Prozess der Standard-Entwicklung „Fairness und Verantwortung im Kreditgeschäft“ mitzugestalten.