Unstete und prekäre Arbeitsverhältnisse machen anfällig für Überschuldung

  • Prekäre Arbeitsverhältnisse auf hohem Niveau
  • Kontolosigkeit rückläufig
  • Überschuldung bleibt als gesamtgesellschaftliches Phänomen aktuell

Hamburg, 20.10.2014 – Das Hamburger institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) stellt heute – zusammen mit der Stiftung „Deutschland im Plus” – den iff-Überschuldungsreport 2014 vor. Die Untersuchungsreihe erscheint zum neunten Mal. Ein günstiges Zeichen im Hinblick auf die finanzielle Situation der Privathaushalte ist der zum dritten Mal in Folge starke Rückgang der Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Entwicklung der Zahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland wird von den Auskunfteien dennoch nur als verhalten positiv eingeschätzt. So sollen im Jahr 2013 rund 3,3 Mio. Haushalte von Überschuldung betroffen gewesen sein. Zu den Hauptgründen für Überschuldung zählen vor allem Arbeitslosigkeit (28,9 Prozent), Scheidung oder Trennung (10,4 Prozent), gescheiterte Selbstständigkeit (10,0 Prozent), „falsches“ Konsumverhalten (7,6 Prozent) und Krankheit (8,0 Prozent). Überdies hat sich „Einkommensarmut“ (6,8 Prozent) als weiterer Überschuldungsauslöser manifestiert. 71,7 Prozent der untersuchten Privathaushalte nannten diese „Big Six” als Grund für Überschuldung und Privatinsolvenz.

 

Durchschnittliche Schulden sinken auf 31.431 Euro, Inkassokosten steigen trotz sinkenden Zinsniveaus

Gemäß dem neuen iff-Überschuldungsreport 2014 sanken die durchschnittlichen Forderungen der Gläubiger (inklusive der von den Gläubigern verlangten Verzugszinsen und sonstiger Kosten) von 34.727 im Jahr 2012 auf 31.431 Euro im Jahr 2013. Volumenmäßig mehr als 80 Prozent aller Forderungen entfielen dabei auf die Banken, die öffentliche Hand, gewerbliche Gläubiger und Inkassounternehmen. Banken scheinen gegenüber Gründern zurückhaltend zu sein. Auf sie entfielen lediglich 31 Prozent der Forderungen gescheiterter Selbständiger, gegenüber 47 Prozent der Forderungen bei den übrigen Überschuldeten. Bei gleichzeitig sinkendem Refinanzierungszinssatz stieg der Anteil der von den Gläubigern verlangten Verzugszinsen und sonstigen Kosten in den letzten Jahren kontinuierlich an. Beides sind Befunde, die Anlass zu einer vertieften Untersuchung geben.

Gefahr der Überschuldung für Langzeitarbeitslose und Menschen in präkeren Arbeitsverhältnissen

Die gesunkenen durchschnittlichen Schulden scheinen den hohen Anteil einkommensarmer Klienten zu spiegeln: Wo das Einkommen unbeständig und gering ist, reichen auch geringere Schulden aus, um eine finanzielle Krise auszulösen. Neben der gestiegenen Beschäftigung am Arbeitsmarkt machen sich jedoch auch dessen Schattenseiten bemerkbar. So erhöhte sich die Zahl der so genannten Langzeitarbeitslosen im Jahr 2013 gegenüber 2012 um knapp 19.000 Personen. Der Anteil prekärer Arbeitsverhältnisse, abzulesen an den Haushalten, die trotz Erwerbsarbeit ALG II beziehen müssen, verharrte auf hohem Niveau. Der hohe Anteil an prekären Arbeitsverhältnissen scheint ein Beleg zu sein, dass die Konjunktur viele Menschen nur teilweise erreicht hat. Dies erklärt auch, warum die Auskunfteien nur einen leichten Rückgang der Personen mit ´harten Negativ-Merkmalen´ ausweisen.

Einkommensarmut oft Grundlage für Liquiditätsmangel

Diese Feststellung deckt sich mit den Hauptauslösern für Überschuldung. Neben den Hauptgründen für Überschuldung wie Arbeitslosigkeit (28,9 Prozent), Scheidung oder Trennung (10,4 Prozent), gescheiterte Selbstständigkeit (10,0 Prozent), falsches Konsumverhalten (7,6 Prozent) und Krankheit (8,0 Prozent) wird von Seiten der Befragten häufig die Einkommensarmut (6,8 Prozent) als weiterer Überschuldungsauslöser genannt. Und wer ist von Überschuldung besonders bedroht? „Alleinerziehende Eltern und Familien mit drei und mehr Kindern sind einer ganz besonderen Gefahr ausgesetzt in die Überschuldung zu geraten”, stellt Dr. Christiane Decker, Vorsitzende des Stiftungsvorstands „Deutschland im Plus” fest. Diese Einschätzung bestätigt auch iff-Experte Michael Knobloch: „Außerplanmäßige Ausgaben oder ein unerwarteter Einkommensrückgang werfen solche Haushalte bereits bei verhältnismäßig geringen Schulden aus der Bahn. So lagen im Jahr 2013 die Schulden allein erziehender Mütter lediglich beim 1,1-fachen ihres ohnehin geringeren Jahresnettoeinkommens. Im Gegensatz dazu betrug der entsprechende Faktor bei den wirtschaftlich stabileren kinderlosen Paaren 2,5 des Jahresnettoeinkommens.” Überdies ist Überschuldung für mehr als die Hälfte der Betroffenen ein einsames Schicksal, fast 57 Prozent der Ratsuchenden lebten bei Beratungsbeginn allein.

Rückgang der Kontolosigkeit seit 2004

Ein positiver Lichtblick: In den letzten 10 Jahren ist der Anteil der Ratsuchenden ohne eigenes Girokonto kontinuierlich zurückgegangen, von 22,1 Prozent im Jahr 2004 auf 10,5 Prozent im Jahr 2013. Für Knobloch steht das auch im Zusammenhang mit der Mitte 2010 erfolgten Einführung des so genannten Pfändungsschutzkontos („P-Konto”). Da diese Konten bei Pfändungen nicht mehr ohne weiteres blockiert werden, käme es zu weniger Kündigungen.

Über den Überschuldungsreport:

Das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (iff) erstellt seit 2007 den jährlich erscheinenden iff-Überschuldungsreport, der auf einer detaillierten Auswertung von Haushalten, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, basiert. Der diesjährige iff-Überschuldungsreport beruht auf einer stark vergrößerten Datenbasis von mehr als 50.000 Haushalten in ganz Deutschland. Ausgewertet wurden die anonymisierten Daten von 20 Beratungsstellen in allen 16 Bundesländern. Die Ergebnisse bilden damit ein belastbares Bild zur Lage der Klienten von Schuldnerberatungsstellen ab und schaffen Transparenz für die Ab- und Herleitung praktikabler Handlungsempfehlungen.

Ansprechpartner für die Medien:

Zum Überschuldungsreport:
Michael Knobloch
Tel. 040-309691-0
E-Mail: michael.knobloch@iff-hamburg.de

Zu den Aktivitäten der Stiftung „Deutschland im Plus”:
Verena Holm
Tel. 0911-9234-950
E-Mail: info@deutschland-im-plus.de