Urteilsgründe im Verfahren XI ZR 17/14 veröffentlicht

Der BGH hat gestern die Begründung seines Urteils zu Bearbeitungsgebühren veröffentlicht. Neben Ausführungen zur Durchsetzbarkeit, wonach alle in den Jahren 2004 bis einschließlich 2011 zu Unrecht erhobenen Bearbeitungsentgelte mit Ablauf des 31. Dezember 2014 verjähren, äußert er sich zudem zu den Rechtsfolgen, die sich aus der gesetzeswidrigen Praxis der Banken für die betroffenen Verbraucher ergeben. Er bezieht sich dabei in diesem Urteil auf diejenigen Fälle, bei denen das Bearbeitungsentgelt im Darlehensnennbetrag ausgewiesen und verzinst wurde, und kommt zu einem Ergebnis fern der Lebenswirklichkeit.

Für die Fälle, bei denen die Bearbeitungs­gebühr in Raten zurückzuzahlen ist, hat das iff einen Online-Rechner erstellt, der den Betrag der Erstattung des Bearbeitungs­entgelts errechnet.

Aus Sicht des Verbrauchers wäre Neuabrechnung zu fordern gewesen

Was ist nach unserer Auffassung die korrekte Rechtsfolge, wenn zu Unrecht Bearbeitungsentgelt verlangt und kreditiert wurde? Die Verbraucher benötigen allein die Auszahlungssumme des Darlehens. Der Kreditbetrag enthält als Kreditkosten neben den Zinsen aber auch das rechtswidrig verrechnete Bearbeitungsentgelt. Da auf dem Papier also ein höherer Kredit abgeschlossen wurde, als eigentlich benötigt, wäre die einzig logische Rechtsfolge, den Kreditvertrag zu berichtigen und um das Bearbeitungsentgelt zu verringern. Bei der zwingend erforderlichen Anpassung des Kredits gäbe es dann zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte eine Ratenreduktion bei gleicher Laufzeit erfolgen. Diese Betrachtung stellt die ursprünglich vereinbarte Kapitalnutzungszeit in den Vordergrund und passt insofern zur Realität, als die Banken häufig keine „krummen” Kreditlaufzeiten zulassen. Alternativ würde sich bei unveränderter Ratenhöhe die Rückzahlungsdauer verkürzen. In diesem Fall müsste die Restschuld also auf eine schnellere Tilgung angepasst werden.

BGH erklärt Bearbeitungsentgelt zum Auszahlungsanspruch

Der BGH stellt hingegen fest (Rn 21):

„Der Darlehensnehmer ist daher so zu stellen, wie wenn die Bank die Darlehensvaluta voll an ihn ausgezahlt und er diese teilweise sogleich zur Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts an die Bank verwendet hätte (vgl. LG Bonn, WM 2013, 1942, 1943).”

Gemeint ist wohl eher, dass der Darlehensnehmer aus Sicht des BGH so zu stellen sei, wie wenn die Darlehensvaluta (inklusive des Betrags in Höhe der Bearbeitungsgebühr) voll an ihn ausgezahlt worden wäre. Das ist bereits vom Grundsatz her fraglich, weil die Auszahlung des Bearbeitungsentgelts nie beabsichtigt war und so ein Teil der Kreditkosten (Bearbeitungsentgelt) in einen wegen der Unwirksamkeit der Verrechnung bislang noch offenen Auszahlungsbetrag „umgewidmet” werden. Wurden also zum Beispiel 10.000 Euro für eine Autofinanzierung benötigt, aber inklusive Bearbeitungsgebühr zu Unrecht 10.300 Euro kreditiert, so soll so getan werden, als hätte sich der Darlehensnehmer die 300 Euro auszahlen lassen. Für die nicht benötigten 300 Euro soll er daher auch zukünftig Zinsen zahlen. Besonders ungerecht wird das, wenn die ersten Fälle verjähren: Das Bearbeitungsentgelt für einen im Jahr 2011 abgeschlossenen Kreditvertrag kann Anfang 2015 nicht mehr zurückverlangt werden. Gleichzeitig hat der Darlehensnehmer aber trotzdem weiter auch den Kreditanteil zurückzuzahlen, den er für das unzulässige Bearbeitungsentgelt aufgenommen hat, obwohl er Kapital in dieser Höhe niemals erhalten hat und wegen der Verjährung auch nicht mehr erhalten kann.

Nur eine „richtige” Frage hätte zu einer „richtigen” Antwort geführt

Die Gründe des BGH könnten rein pragmatischer Natur sein: Er hat den Banken auf der einen Seite eine verhältnismäßig lange Verjährungsfrist „zugemutet” und will sie gleichzeitig von zusätzlichem Berechnungsaufwand entlasten. Als weiterer Grund könnte aber auch die Verbraucherseite selbst in Betracht kommen: Wurde von vornherein lediglich die die Auszahlung („Rückzahlung”) der vollen Bearbeitungsgebühr verlangt, dann musste der BGH sich auch keine tieferen Gedanken zur Kreditanpassung machen. Im vorliegenden Fall, der auf eine Klage vor dem Amtsgericht Stuttgart (Urteil vom 24.07.2013, Az.: 13 C 2949/13) zurückgeht, war von Beginn an die volle Bearbeitungsgebühr eines im Februar 2008 abgeschlossenen, anscheinend noch laufenden Darlehensvertrags eingeklagt worden.

Keine Entscheidung über die Berechnung des Nutzungsersatzes

Nicht entschieden wurde durch den BGH über die Höhe und Berechnung des Nutzungsersatzes des Verbrauchers. Eingeklagt und zugesprochen wurden – jeweils gerechnet auf das Bearbeitungsentgelt – vier Prozent p. a. nach Darlehensauszahlung bzw. 5 Prozent p. a. nach Verzugseintritt. Dabei ist davon auszugehen, dass die tatsächlich durch den Verbraucher auf das Bearbeitungsentgelt gezahlten Zinsen vier Prozent überstiegen. Das Urteil macht zu den Zinsen keine Angaben. Der durchschnittliche Effektivzins für Ratenkredite mit einer Zinsbindung von 1 bis 5 Jahren lag im Februar 2008 bei 5,84 Prozent, derjenige für Ratenkredite mit längerer Zinsbindung bei 8,69 Prozent. Wenn man schon eine „Auszahlung” nachträglich fingierte, so müsste konsequenterweise zumindest der Vertragszins angesetzt werden, denn diesen hat die Bank ja tatsächlich erhalten.