Europa-Rente: ein willkommener erster Schritt, aber leider kein öffentlicher Bürgerfonds im schwedischen Stil.

Heute hat die EU Kommission ihren Regulierungsvorschlag für eine pan-europäische kapitalgedeckte Rente vorgestellt (Pan-European Pension Product – PEPP).

Wesentliche Punkte sind einheitliche Kriterien für die Anbieter von Rentenprodukten in Europa und die Möglichkeit, diese Vorsorgeprodukte auch bei einem Umzug in ein anderes Land problemlos mitnehmen zu können.

Udo Philipp kommentiert diese Initiative: „Die Europarente ist das erste echte europäische Finanzprodukt und wird hoffentlich zu mehr Wettbewerb auf dem Markt für private Altersvorsorge führen. Leider aber glaubt die Kommission immer noch an den mündigen Verbraucher auf perfekten Märkten und hat weder die wertvollen Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomik noch aus dem funktionierenden Modell in Schweden in ihren Vorschlag einfließen lassen. Eine wirklich im Interesse der Verbraucher handelnde Kommission hätte so wie in Schweden ein öffentliches Standardprodukt geschaffen und dafür gesorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger zu wirklich günstigen Konditionen in eine effiziente Kapitalanlage investieren können.”

Hintergrund:

Das iff begrüßt diese Initiative, weil durch ein standardisiertes europäisches Angebot der Wettbewerb unter den Anbietern erhöht wird und dadurch die Kosten für die Verbraucher sinken könnten. Auch die Portabilität innerhalb Europas ist ein großer Fortschritt.

Leider orientiert sich die EU aber nicht den positiven Erfahrungen Schwedens und der Verhaltensökonomik. Verbraucher schieben die Entscheidung für zusätzliche Altersvorsorge oft auf die lange Bank. Typischerweise betreiben nur etwa 10% der Bürger freiwillige Altersvorsorge. Wenn man hingegen die Altersvorsorge zum Standard macht und man sich explizit gegen (opt-out) Altersvorsorge entscheiden muss, steigt die Verbreitung freiwilliger Altersvorsorge auf etwa 90%.

In Europa soll die private Altersvorsorge weiterhin nicht zum Standard gemacht werden und es wird auch kein öffentlich bereitgestelltes Standardprodukt geben. Die Bürgerinnen und Bürger Europas müssen sich weiterhin explizit für die Altersvorsorge entscheiden (opt-in). Auch stehen die Verbraucher weiter vor der schwierigen Wahl unter einer sehr hohen Zahl an verschiedenen Produkten und Anbietern entscheiden zu müssen, anstatt ihnen ein öffentliches Standardprodukt anzubieten, in das sie automatisch sparen würden, wenn sie sich nicht entscheiden. Diese Vielzahl an oft unverständlichen Produkten schreckt viele Verbraucher ab. Die Kommission setzt stattdessen auf steuerliche Anreize für die Altersvorsorge. Sie hofft, dass die Mitgliedstaaten solche Anreize einführen. Dies ist im Gegensatz zum opt-out aus einem einfachen Standardprodukt eine sehr teure und wenig effektive Art private Altersvorsorge zu fördern.

Jeder private Anbieter soll zwar ein Standardprodukt anbieten. Die Kommission definiert das private Standardprodukt dadurch, dass die Anbieter analog zu Riesterverträgen den Erhalt des eingezahlten Kapitals garantieren müssen.

Kommissar Dombrovskis erläuterte in der heutigen Pressekonferenz, dass diese Garantie dadurch erfüllt werden solle, dass die Anbieter hauptsächlich in Staatsanleihen oder ähnliche Produkte investieren würden. Damit erweist die Kommission den Verbrauchern keinen guten Dienst. In Schweden investiert das Standardprodukt hauptsächlich in Aktien, weil dadurch langfristig deutlich höhere Erträge für die Sparer erzielbar sind. Mit Staatsanleihen kann zwar nominal das Kapital erhalten werden, aber selbst eine nur zwei prozentige Inflation halbiert das real verfügbare Kapital in weniger als 40 Jahren.

Auch bei den Kosten der Europarente hat die Kommission nicht von Schweden gelernt: es gibt lediglich Transparenzvorschriften für die Kosten. Die öffentliche Einkaufsmacht beim Aufsetzen der Europarente wurde jedoch nicht genutzt. Schweden hätte gezeigt, wie man mit der Kombination aus öffentlichem Basisprodukt und Einkaufsmacht des Staates für private Vorsorgeprodukte die Kosten für private Altersvorsorge im Vergleich zu Deutschland etwa auf ein Zehntel senken kann. Es ist traurig, dass die Kommission diese Chance verschenkt hat.

Die Kommission will den Verbrauchern erlauben, die Anbieter mit Stornokosten von lediglich 1,5% zu wechseln. Dies ist eine wichtige Form von Verbraucherschutz, solange es kein preiswertes öffentliches Standardprodukt gibt. Der Nachteil der Stornomöglichkeit ist aber, dass die Anbieter nicht in langfristige Anlagen investieren können und immer ausreichend Liquidität für mögliche Stornos zur Verfügung haben müssen. Die Regulierung der Anbieter wird so deutlich komplexer und die Rendite der Produkte wird durch die Liquiditätsanforderungen eingeschränkt.

Die Kommission will den Verbrauchern die Wahlfreiheit geben, ob sie sich ihr Kapital als Einmalsumme oder als lebenslange Rente auszahlen lassen. Dies sieht ebenfalls auf den ersten Blick wie eine positive Verbraucherschutzmaßnahme aus. Allerdings funktioniert der Markt für lebenslange Renten (sogenannte Annuitäten) nicht, wenn er auf reiner Freiwilligkeit und marktwirtschaftlich organisiert wird. Dies ist ein Grund, weshalb man bei einer deutschen Lebensversicherung oft über 95 Jahre alt werden muss, damit sich eine lebenslange Rente rechnet. Die Kommission hat hier versäumt, die Verbraucher vor dem privat aufgrund des Marktversagens nur extrem teuer zu versichernden Langlebigkeitsrisiko zu schützen.