Inzwischen liegt der Entwurf des Armutsberichtes 2008 vor. Wir haben den Teil über Überschuldung herausgenommen und machen ihn zugänglich. Der Bericht sollte dringend zur Erlangung minimaler Seriosität überarbeitet werden, bevor er in die Geschichte eingeht.

DIE "STATISTISCHE" LÖSUNG DER ARMUTSPROBLEME

Nachdem sich bereits die Anzahl der Armen in Deutschland auf wundersame Weise statistisch verringert hat (statt SOEP-Panel jetzt Eurostatistik, statt 939 € jetzt Armut nur noch unter 781 €) und damit auch das Problem der Kinderarmut „gelöst” wurde (vgl. Kritik der Grünen nach Welt-Online Link unten), der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung darauf hinweist, dass auch die Arbeitslosenzahlen „schön gerechnet werden” (siehe Link), hat der Entwurf des Dritten Armuts- und Reichtumsberichts nunmehr auch für die private Überschuldung eine so offensichtliche Beschönigung der tatsächlichen Situation erreicht, dass man sich fragen muss, ob nach amerikanischem Vorbild statt einer Bereinigung von sozialen Problemen in Deutschland nur die Problemwahrnehmung bereinigt werden soll. Wie das dann nach 10 Jahren Ignoranz endet, kann man zur Zeit an der Kreditkrise in den USA und dem Währungsverfall des Dollars nachvollziehen. Dem iff liegen der Entwurf des Arbeitsministerium für den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht (den der Arbeitsminister selber bereits in Auszügen publik gemacht hat) ebenso wie die sehr lange Fassung zur Frage der Überschuldung im Vorentwurf vor, aus der die Zahlen erst verständlich werden.

ÜBERSCHULDUNG SINKT VON 2,9 MIO HAUSHALTEN AUF 1,6 MIO – IN DER STATISTIK!

„In dieser Studie wird die höchste Anzahl überschuldeter Haushalte für das Jahr 2003 mit rund 2,9 Mio. überschuldeter Haushalte festgestellt. Danach sank die Zahl bis auf rund 1,6 Mio im Jahr 2006” heißt es auf S. 46 des noch unveröffentlichten Entwurfs. Weiter heißt es: „Der Rückgang der Überschuldung mit Kreditverbindlichkeiten korrespondiert mit einem Rückgang der Mietschulden um rund 20%” Dabei hatte der zweite Armuts- und Reichtumsbericht für 2002 noch 3,13 Mio überschuldete Haushalte gemeldet.

ÜBERSCHULDUNGSGEFÄHRDETE STATT ÜBERSCHULDETE –DIE WIRKLICH ÜBERSCHULDETEN FALLEN AUS DER STATISTIK

Man hat einfach die Definition der Überschuldung verändert, so dass die Zahlen mit dem, was man gemeinhin unter Überschuldung versteht, kaum noch etwas zu tun haben. Dagegen heißt es im Bericht. „Ein Privathaushalt ist” identisch im alten wie neuen Armutsbericht, „dann überschuldet, wenn Einkommen und Vermögen aller Haushaltsmitglieder über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen.”

Doch der Schein trügt. „Nicht ausreichen” wird jetzt verstanden als „nach unserer Auffassung nicht ausreichen”. Das bewirkt das kleine Wörtchen „relative Überschuldung”.

Während sich bisher alle Experten einig sind, dass Personen nur dann überschuldet sind, wenn sie insolvent, d.h. ihre Kredite gekündigt oder ausstehende Forderungen tatsächlich nicht mehr beglichen werden können, stützt die Bundesregierung jetzt ihre Zahlen auf eine „relative Überschuldungsgefährdung”, aus der im Abschlussbericht dann (ohne Verschulden des Wissenschaftlers, der sein wohl kaum haltbares Konzept der Überschuldung seit langem öffentlich zur Diskussion stellt), in tatsächliche „Überschuldung” umdefiniert wird.

Überschuldungsgefährdet müssten eigentlich mehr sein als die Überschuldeten, nachdem der MP3 Unternehmer Franjo Pooht, die Baulöwen Jürgen Schneider und Donald Trump ihre Überschuldung gestehen mussten. Doch weit gefehlt. Es sind weniger! Weil man keine gesicherten Daten z.B. über gekündigte Kredite, Mahnbescheide, Klienten der Schuldnerberatung etc habe (SCHUFA, Creditreform hätten sie) müsse man aus der jährlichen Umfrage des Sozioökonomischen Panels hochrechnen, welchen Kreditnehmern es eigentlich schlecht gehen müsse.

Die alleinerziehende Mutter, nach deren Angaben in der Umfrage die Ratenbelastung im Verhältnis zum vom Experten definierten verfügbaren Einkommen noch nicht die Pfändungsfreigrenze oder den Sozialhilfesatz erreicht, ist dann eben nicht mehr überschuldet, selbst wenn ihre Kredite alle gekündigt sind, der Gerichtsvollzieher unterwegs ist und das Kind aus Geldmangel kein Frühstück bekommt.

Arbeitsminister und die ressortverantwortliche Familienministerin übersehen, dass das SOEP-Panel, das ohnehin bei Kreditbelastungen als extrem unzuverlässig einzustufen ist, keine Fälligkeiten der Schulden abfragt. Das wird erst die EVS Statistik 2008 in einigen Jahren besser schaffen.

Ein gekündigter Kredit hat aber die extrem schlechte Eigenschaft, dass die monatliche Ratenbelastung auf Null sinkt, gerade weil die Schuld ins Unermessliche steigt. Dem es am schlechtesten geht, der wird selbst dann, wenn die Daten dies hergeben würden nur noch dann erfasst, wenn er bereits Sozialhilfe bezieht. Das alles schafft das kleine Wörtchen „relativ”, das im Armutsbericht dann aber einfach weggelassen wurde – ein Verfahren, das schon nicht mehr unter die üblichen Verfälschungen von Statistiken fällt, an die Winston Churchill bekanntlich nur dann glaubte, wenn er sie selber gefälscht hatte.

Diese Verfälschung ist noch offensichtlicher, wenn man aus den Zahlen des Experten entnimmt, dass er eigentlich doch 3 Mio Haushalte für überschuldet hält. Dass das nicht herauskommt liegt nun wieder daran, dass man willkürlich bestimmte Schulden ausgeschlossen hat. Dazu hilft ein Blick in das Vorgutachten.

WILLKÜRLICHE EINSCHRÄNKUNG DER SCHULDENARTEN

In dem vom iff erstellten Überschuldungsreport 2008 wird erneut bestätigt, dass Ratenkredite nur eine Form der Schulden sind. Weitere Kredite sind Hypothekenkredite, Überziehungskredite, Kreditkartenkredite, Abzahlungsschulden, Kaufhausschulden, private Kredite in der Familie, Mietrückstände etc. Das iff hat dabei die Daten von 9.000 überschuldeten Haushalten, also beinahe so viele wie im SOEP-Panel nur mit dem Unterschied, dass die iff Daten alle amtlich testiert und nachweislich nach allen Kriterien (gekündigt, hoher fälliger Schuldenberg, gepfändet, hilfebedürftig etc. sind) überschuldet sind) von Überschuldeten sind, während man dies im SOEP Panel nicht einmal für einen einzigen Fall nachweisen könnte.

Die anderen Schulden insbesondere aber die Hypothekenkredite interessieren die Bundesregierung nicht. Das hätte nämlich auch in blamabler Weise demonstriert, dass mit dieser Überschuldungsgefährdungstheorie absurde Zahlen herauskommen.

ZUSÄTZLICH 1,1 MIO ÜBERSCHULDETE EIGENHEIMBESITZER?

Mit der beschriebenen Methode wurden nämlich auch die Ratenverpflichtungen der Hypothekenkreditnehmer erfasst, die im SOEP-Panel weit besser dokumentiert sind als die Ratenkredite. Danach, so führte der Experte aus, wären noch mehr als 1 Mio Haushalte zusätzlich überschuldet. Insgesamt wären also dann 2,7 Mio Haushalte als überschuldet anzusehen. Dann hätte man aber plötzlich massenhaft gut situierte Hausbesitzer, die regelmäßig ihre Raten zahlen, zu Überschuldeten gestempelt, weil ein Wissenschaftler ihnen einen Liquiditätsmangel vorgerechnet hat. Das Ergebnis hätte auch einen merkwürdigen Kontrast dazu abgegeben, dass die Bundesregierung die Immobilienkredite doch nicht ignoriert hat nämlich unter den Gründen der Überschuldung, bei denen „gescheiterte Immobilienfinanzierung” mit nicht gerade enormen 3,9% als Überschuldungsursachen angegeben werden.

ÜBERSCHULDUNGSAUSLÖSER – BANKEN HABEN KEINEN ANTEIL

Die Bundesregierung gibt an, dass etwa die Hälfte der Überschuldungsfälle auf Arbeitslosigkeit, Krankheit, Ehescheidung, also die klassischen Belastungen entfällt. Immerhin wird dort auch von Sucht, unwirtschaftlicher Haushaltsführung, gescheiterter Selbständigkeit berichtet. Diese Zahlen hat sie nun doch von den Schuldenberatungsstellen, die sie dem statistischen Bundesamt übermitteln und auch in den iff-Reports verwertet werden. Nur diese Angaben haben einen Fehler: es sind subjektive Einschätzungen der Schuldnerberater, wobei Peter Zwegat von RTL wohl Schwächen der Schuldner angeben würde, während die meisten Schuldnerberater hier deutlich auch auf das Verschulden der Banken hinweisen würden.

Fragen, ob etwa die Kettenkredite der Citibank, ob die Schuldenverdoppelung durch Restkreditversicherungen, die Kreditreiterei mit Kleinkrediten ihren Anteil haben, der in den USA als der eigentliche Auslöser der Schuldenlawine diagnostiziert wurde, dürfen gar nicht erst gestellt werden. Das iff hatte noch für den ersten und zweiten Armutsbericht ein entsprechendes Vorgutachten erstellen dürfen, dass dann aber damals das Haus des Superministers Clemens entfernen ließ.

Dass jetzt die Justizministerin in Brüssel wieder eine Richtlinie durchwinkte, bei der nicht einmal ein Ratenplan vor Kreditabschluss ausgehändigt werden muss, die einen vollkommen irreführenden unsinnig niedrigen Effektivzinssatz erlaubt bei den überwiegend inzwischen üblichen Kombi-Krediten und verbundenen Geschäften, die der Unsitte von Lockvogelangeboten kein Einhalt gebietet und zudem die Entschuldung noch kostenpflichtig gestaltet, macht deutlich, dass man bei den Überschuldungsfaktoren die Kreditgeber aussparen möchte. Immerhin scheint Herr Seehofer dies bei den notleidenden Hypothekenkrediten nicht mehr mitmachen zu wollen, trifft dort aber eben auch auf den Widerstand der SPD-Ministerien Justiz und Finanz.

„WER ARM IST, MUSS NICHT ÜBERSCHULDET SEIN, ABER ÜBERSCHULDUNG KANN ZU ARMUT FÜHREN.” SO BEGINNT DAS ÜBERSCHULDUNGSKAPITEL.

Überschuldung also kein Armutsproblem? Richtig ist, dass Arme häufig gute Zahler sind. Richtig ist leider ab er auch, dass immer mehr Arme ohne Kredit und Wohnung kaum die Chance haben, Schulden zu machen. In England und den USA ist das Problem der Schuldenfreien bereits extreme Benachteiligung bekannt.

Aber statistisch gesehen ist Armut immer noch der bei weitem stärkste Auslöser von Überschuldung. Insofern führt der Eingangssatz bewusst in die Irre, zumal ja die Überschuldungszahlen ausschließlich mit Einkommensarmut unterlegt werden. Die Gründe dafür sind seit langem bekannt.

Arme haben mehr Probleme, das Einkommen gerade zu dem Zeitpunkt parat zu haben, wo sie es für den Autokauf, die Konfirmation der Kinder, die Gründung des Hausstandes oder einen Unfall brauchen. Deshalb ist für sie der Kredit noch weit wichtiger als für die mit dem Sparpolster. Wichtiger heißt aber leider auch nötiger und nötiger heißt weniger Entscheidungsfreiheit. Das wird bitter ausgenutzt.

Die Armen zahlen höhere Zinsen, SCHUFA und Scoring machen es möglich. Die Armen haben bei der Ratenherabsetzung, Kreditaufstockung oder Umschuldung keine Chance. Wucherische Restkreditversicherungen, Gebühren, höhre Zinsen etc. werden ihnen auferlegt und sie können dankbar sein, dass man sie nicht einfach sofort in die Überschuldung schickt. So aufgeschoben hat das iff schon 1983 in Zahlen aufgedeckt, dass die aufgeschobenen Fälligkeiten die Schulden vervielfachen. Standardbeispiel im Fernsehen war damals die wundersame Vermehrung von 13.000 DM Kredit innerhalb von vier Jahren durch 8 Umschuldungen zuletzt zurück zur Ausgangsbank bei dem arbeitslosen Herrn F. auf über 70.000 DM ohne zusätzliche Auszahlung an den Kreditnehmer.

Dieses System hat sich inzwischen so verbreitet, dass es niemanden mehr aufregt. Gleichwohl ist es eins der wesentlichen Faktoren zur Generierung von Überschuldung: die aufgeschobene statt angepasste Verschuldung.

Daher hat der „aber” Satz seine Berechtigung aber ganz anders als die Bundesregierung es beschreibt. Wer in die Markfalle des „The Poor Pay More” fällt, der kann wenig Gnade erwarten, auch nicht vom Gesetzgeber und den Gerichten.

”PRÄVENTION UND BEWÄLTIGUNG DER ÜBERSCHULDUNG”

Dann werden sie aber doch noch genannt: die „Finanzdienstleister”

„Wesentliche Voraussetzungen zur Prävention auf gesellschaftlicher Ebene sind die verantwortungsbewusste Kreditvergabe durch Finanzdienstleister und rechtliche Maßnahmen zum Verbraucher- und Schuldnerschutz. Eine gute Allgemeinbildung in finanziellen Fragen und hauswirtschaftliche Kompetenzen stellen zentrale Ressourcen auf individueller Ebene dar.”

Eigentlich müsste es „Banken” heißen, deren Schulden man doch allein untersucht hat und die in Deutschland ein Kreditvergabemonopol haben. Aber auch hier setzt schon die Problemwahrnehmungsprävention ein. Immerhin wird der Slogan des ECRC von der „verantwortungsvollen Kreditvergabe” zitiert, für die sieben Prinzipien international gelten, die in Deutschland alle nicht eingehalten und nicht einmal gesetzlich gefordert werden. Doch warum sollen die Banken eigentlich verantwortlich handeln, wenn sie an der Überschuldung doch gar keine Schuld trifft? Wo keine Probleme, dort auch keine Lösungsnotwendigkeiten.

Dann hören wir noch von Verbraucherschutz und Schuldnerschutz. Aber wurde nicht gerade mit der EU-Richtlinie nationaler Verbraucherschutz beschränkt, abgeschafft und durch für die Überschuldung unsinnige Informationsrechte ersetzt? Was ist mit dem Mindestgirokonto und dem Pfändungsschutz auf dem Konto für Überschuldete. Seit zwei Jahren stagniert die Diskussion und letztlich machten die Regierungsparteien im Hearing deutlich, dass sie es lieber wieder sein lassen möchten. Und der Schutz bei notleidenden Hypothekenkrediten, die ins Ausland verkauft werden? Die Financial Times meldet heute, dass Justiz- und Finanzministerium nichts mehr davon halten. Aber das ist ja auch nicht gemeint. Nicht der Kredit sondern die Insolvenz wird reguliert. Eine Entsorgung der Überschuldeten in Kredit- und Schuldenfreie Ghettos nach amerikanischem Muster ist immer noch einfacher, als die Probleme an der Wurzel, d.h. vor der Kündigung des Kredites zu behandeln.

Am Schluss bleiben dann nur noch die „finanzielle Allgemeinbildung und gute hauswirtschaftliche Kompetenzen”.

DIE ARMEN SIND DUMME, FAULE, SCHLECHTE HAUSHALTER – ABER EBEN DOCH KONJUNKTURABHÄNGIG

Ja die Armen sind schlechte Haushalter und dumm in Deutschland, allerdings abhängig von den Konjunkturzyklen. Für Bankenzusammenbrüche bekommen wir schnell 20 Mrd. Zuschüsse zusammen, weil die notleidenden Banken ja nichts dafür können und Deutschland weniger ein Menschenplatz als ein Finanzplatz ist.

Wer von diesen Damen und Herren wirklich weiß, wie die Kinder in überschuldeten Familien aufwachsen, wie sie lernen die Unmündigkeit und Entwürdigung ihrer Eltern zu verinnerlichen, wenn das Geld nicht reicht und der Gerichtsvollzieher kommt, wie sie lernen, dass wer 10000 € Schulden nicht zahlen kann, ein Problem hat, wenn einer 100.000 € nicht zahlen kann die Bank ein Problem hat und wenn einer 1 Mrd. € nicht zahlen kann der Staat ein Problem hat, der wird sich noch einmal schnell an die Arbeit machen und diesen Bericht überarbeiten. Wer von ihnen erforscht hat, wie Kinder in der Schule lernen, für die das Geld für das Schulbrot nicht reicht aber dafür, eine aufgezwungene Restkreditversicherung auf den absolut unwahrscheinlichen Todesfall zu bezahlen, für die Traumwelt des Wie wird ich Millionär die einzige realistische Lebenschance jenseits von Beruf und Einkommen ist, der wird alle Beteiligten im Armutsbericht erwähnen, die einen Beitrag dazu leisten könnten, dass wir in 30 Jahren noch international konkurrenzfähig sind, weil wir unsere wirklichen Ressourcen und nicht nur unsere Finanzen vermehrt haben.

Richtig, wir müssen in Schulen vermitteln, wie man mit Finanzdienstleistungen umgeht, wie man bei einer Kreditaufnahme sich sein eigenes zukünftiges Einkommen leiht und deshalb auch das im voraus beherrschen muss. Aber wir müssen in der Schule auch lernen, dass in der Demokratie Regierungen und Parteien abgewählt werden müssen, die aktiv dabei helfen, dass die Armutsschwere vernebelt und die öffentlichen Mittel für Bankenrettungen zweckentfremdet werden. Sie müssen ferner lernen, dass der Markt eine Veranstaltung ist, auf der die Anbieter zu lernen haben, welche Bedürfnisse der Menschen sie auf welche Weise befriedigen können und müssen. Sie müssen nicht lernen, welche Bedürfnisse der Anbieter zu erfüllen sind und wie sie sich dort am besten in ein unflexibles und überholtes vom Gewinnstreben diktiertes Verschuldungssystem einpassen können.

VIER AKTUELLE GESETZESVORHABEN ZUR ÜBERSCHULDUNGSPRÄVENTION WERDEN VERSCHWIEGEN – BEERDIGUNG?

Aktuell gibt es in Berlin vor allem gedrängt durch die Öffentlichkeit und das Parlament vier Gesetzesvorhaben, die der Überschuldungsprävention dienen sollen.

– VERBRAUCHERINSOLVENZREFORM

Zum einen steht eine Reform der Insolvenzordnung an. Hier liegt ein Regierungsentwurf vor, der das Verfahren beschleunigen und eine unkompliziertere Restschuldbefreiung für diejenigen, die ohnehin nichts haben, ermöglichen soll. Scheinbar wird aber nur noch darüber diskutiert, wie die Länderjustizminister damit bei den Gerichten Ausgaben sparen können.

– VERBRAUCHERKREDITRECHT – UMSETZUNG EU-Richtlinien 2008

Weiter steht die Umsetzung der Konsumentenkreditrichtlinie 2008 aus Brüssel an. Bis 30. Mai 2008 wollte das BMJ einen Umsetzungsentwurf vorlegen. Da Frau Zypries hier mit der insoweit berüchtigten englischen Regierung gerade für diesen Entwurf offen zusammengearbeitet hat (vgl. den bis heute dazu unbeantworteten Brief des ECRC), wissen wir bereits, dass sich die Lage überschuldeter Verbraucher in Deutschland im Kreditbereich durch die anstehende Deregulierung verschlechtern wird. Wir haben dies ausführlich dokumentiert. Dazu gehört auch die Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie, die teilweise Kreditkartenkredite dereguliert. Weitere Deregulierungen in der Kreditvergabe über das Internet stehen an.

– KÜNDIGUNGSSCHUTZ IM HYPOTHEKENKREDIT – ABSICHTSERKLÄRUNGEN DER REGIERUNG UND BAYRISCHER BUNDESRATSENTWURF

Anlässlich der Kreditverkäufe hat Bayern eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes bei Ratenkrediten auf Hypothekenkredite vorgeschlagen und dabei die Unterstützung des Bundesrates erhalten. Die Regierung hat in einem Hearing im Rechtsausschuss einen eigenen neuen Entwurf vorgelegt, der noch weiter geht und effektiven Schutz verspricht. Alle Fraktionen hatten sich einhellig hinter diese Bestrebungen gestellt. Der Bankenvertreter wollte deshalb sogar den Entwurf Bayerns als für sie bessere Alternative unterstützen ("können wir mit leben"). Inzwischen schreibt die Financial Times, dass dies alles nur window dressing ist. Tatsächlich hätten die SPD-Ministerien Justiz und Finanzen sich bereits darauf geeinigt, nichts zu machen. Lone Star hat dies schon mit Befriedigung quittiert.

– PFÄNDUNGSSCHUTZ AUF DEM GIROKONTO

Seit fast zwei Jahren liegen Entwürfe zum Pfändungsschutz auf dem Girokonto für Überschuldete vor. Damit soll verhindert werden, dass Banken wie Gläubiger ihre Zinsen von der Sozialhilfe abziehen und damit letztlich der Sozialstaat die unverantwortliche Kreditvergabe finanziert. Dieser Entwurf war schon ein Versuch, von der Forderung auf ein Mindestgirokonto von Jedermann abzulenken, dass einmal alle Fraktionen gefordert hatten, die Banken dann freiwillig anboten aber ihr Versprechen nach den Berichten der Bundesregierung nicht eingehalten haben.

Wie so oft ist jetzt auch das P-Konto zum Abschuss freigegeben. Man habe, so jetzt die Obleute von CDU und SPD im Finanzausschuss, die Banken von fruchtlosen Pfändungen entlasten wollen. Da vor allem die Sparkassen als aktuelle Sprecher der vereinten Finanzdienstleister dies jetzt gar nicht mehr so sehen sondern eher befürchten, dass sie ihre Kontoüberziehungskredite nicht mehr bevorrechtigt aus dem Mindesteinkommen der Überschuldetenen zurückführen können, plagt sich jetzt die SPD mit der Frage herum, ob das Ganze überhaupt technisch möglich sei, was immerhin die EDV-Fachleute nach den Ausführungen der zuständigen Referentin aus dem BMJ nicht nachvollziehen können.

Kein Wunder, dass von diesen Vorhaben im Armuts- und Reichtumsbericht nichts zu lesen ist.