Das alte antisemitische Rechtsberatungsgesetz wird damit 70 Jahre nach Ende der Diktatur endgültig entnazifiziert, nachdem es die Anwaltschaft lange erfolgreich als Verbraucherschutzgesetz aufrechterhalten konnte. Tatsächlich hat dieses Gesetz, nach Streichung der NS Paragraphen Verbraucher in der Vergangenheit geschützt, gleichzeitig aber auch Rechtsberatung verhindert, wo sie sinnvoll war und dafür den Stand der Anwälte so geschützt, dass viele notwendigen Entwicklungen des Berufsbildes in Deutschland zu mehr außergerichtlicher Hilfe unterblieben.

VERBRAUCHERSCHUTZ BEI RECHTSBERATUNG WIRD ERHEBLICH EINGESCHRÄNKT

Zwei wichtige Errungenschaften des bisherigen Rechtsberatungsgesetzes stehen aber gleichfalls zur Disposition: das Freihalten der Hilfe für Überschuldeten von Wucherern und Nutzern der Not anderer in der unentgeltlichen Schuldnerberatung und die Verhinderung von unsittlichem Maklerverhalten etwa bei Schrottimmobilien. Da entgeltliche Schuldnerberatung als Rechtsberatung angesehen wurde, konnte das Gesetz die unentgeltliche wichtige Schuldnerberatung und damit die Überschuldeten wirksam schützen. Auch sog. Umschuldungsbüros oder mit Kleinanzeigen werbende Schuldenregulierer und „Hilfen in der Not” konnten sich in Deutschland anders als in England, wo 4000 € Kosten allein für eine die Schulden nicht vermindernde Vertretung üblich sind, nicht durchsetzen.

Vom Wortlaut des Gesetzes her könnte man meinen, dass der Gesetzgeber diese Schutzfunktion aufrechterhalten hat. Es könnte aber auch ganz anders kommen.

FREIHEIT FÜR ENGLISCHE SCHULDENREGULIERER

Da ist zunächst die EU-Freistellungsregelung für Ausländer, die unter dem nichtssagenden Titel „Vorübergehende Rechtsdienstleistungen” in §15 die entsprechenden Schuldenregulierer und Inkassounternehmen von der deutschen Gesetzgebung freistellt und dafür komplexe Bedingungen aufstellt, die jedoch alle die Lauterkeit der Tätigkeit und deren Überwachung selber nicht betreffen. Dies wird viele schwarze Schafe ermuntern, von England aus in Deutschland tätig zu werden. Dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber Brüssel ist nicht angesagt. Solange keine Richtlinie zur Schuldnerberatung aus Brüssel besteht, kann die Marktfreiheit hier in den Bereichen sozialer Not nicht gelten, weil sie die Grundsätze öffentlicher Ordnung des Nationalstaates, die der Vertrag von der Marktfreiheit ausnimmt, verletzen.

FREIHEIT FÜR MAKLER UND VERMITTLER?

Dann aber gibt es den §5, der „Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen oder gesetzlich geregelten Tätigkeit (erlaubt), wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild oder zur vollständigen Erfüllung der mit der Haupttätigkeit verbundenen gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten gehören.”
Zwar sind in Absatz 2 solche Tätigkeiten aufgeführt, nicht jedoch abschließend. Es ist sicher, dass sich die Vertreter des betrügerischen grauen Kapitalmarktes hierauf berufen werden und die Gerichte werden verunsichert sein, weil es ja schließlich eine grundsätzliche Befreiung darstellt. Die Schrottimmobilienvertreter werden sich ungestört eine notarielle Vollmacht geben lassen und dann alle ruinösen Geschäfte für den an der Haustür geworbenen Kunden wirksam abschließen. Das Rechtsberatungsverbot wird hier nicht mehr über §134 BGB helfen, auch wenn der Sinn des Gesetzes ein anderer.
Es gibt hier nur eine vernünftige Lösung. In Absatz zwei hinter „erlaubte Nebenleistungen” muss das Wort „nur” eingefügt werden und der Satz, dass weitere erlaubte Nebenleistungen durch Rechtsverordnung festgelegt werden können.

DIE WICHTIGEN PARAGRAPHEN IM WORTLAUT

§ 5 Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen oder gesetzlich geregelten Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild oder zur vollständigen Erfüllung der mit der Haupttätigkeit verbundenen gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

(2) Als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer der folgenden Tätigkeiten erbracht werden:
1. Testamentsvollstreckung,
2. Haus- und Wohnungsverwaltung,
3. Fördermittelberatung.

(3) Soweit Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit nicht nach Absatz 1 oder Absatz 2 erlaubt sind, dürfen sie in Zusammenarbeit mit oder unter Hinzuziehung einer Person erbracht werden, der die selbständige entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erlaubt ist, wenn diese Person den rechtsdienstleistenden Teil der Tätigkeit eigenverantwortlich erbringt.

§ 6 Unentgeltliche Rechtsdienstleistungen

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen, die nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen (unentgeltliche Rechtsdienstleistungen).

(2) Wer unentgeltliche Rechtsdienstleistungen außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen erbringt, muss sicherstellen, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. Anleitung erfordert eine an Umfang und Inhalt der zu erbringenden Rechtsdienstleistungen ausgerichtete Einweisung und Fortbildung sowie eine Mitwirkung bei der Erbringung der Rechtsdienstleistung, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist.

§ 15 Vorübergehende Rechtsdienstleistungen

(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Ausübung eines in § 10 Abs. 1 genannten oder eines vergleichbaren Berufs rechtmäßig niedergelassen sind, dürfen diesen Beruf auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit denselben Befugnissen wie eine nach § 10 Abs. 1 registrierte Person vorübergehend und gelegentlich ausüben (vorübergehende Rechtsdienstleistungen). Wenn der Beruf im Staat der Niederlassung nicht reglementiert ist, gilt dies nur, wenn die Person oder Gesellschaft den Beruf dort während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt hat. Ob Rechtsdienstleistungen vorübergehend und gelegentlich erbracht werden, ist insbesondere anhand ihrer Dauer, Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr und Kontinuität zu beurteilen.

(2) Vorübergehende Rechtsdienstleistungen sind nur zulässig, wenn die Person oder Gesellschaft vor der ersten Erbringung von Dienstleistungen im Inland der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 zuständigen Behörde in Textform Meldung erstattet. Die Meldung muss neben den nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bis c in das Rechtsdienstleistungsregister einzutragenden Angaben enthalten:
1. eine Bescheinigung darüber, dass die Person oder Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig zur Ausübung eines der in § 10 Abs. 1 genannten Berufe oder eines vergleichbaren Berufs niedergelassen ist und dass ihr die Ausübung dieser Tätigkeit zum Zeitpunkt der Vorlage der Bescheinigung nicht, auch nicht vorübergehend, untersagt ist,
2. einen Nachweis darüber, dass die Person oder Gesellschaft den Beruf im Staat der Niederlassung während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre rechtmäßig ausgeübt hat, wenn der Beruf dort nicht reglementiert ist,
3. eine Information über das Bestehen oder Nichtbestehen und den Umfang einer Berufshaftpflichtversicherung oder eines anderen individuellen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht,
4. die Angabe der Berufsbezeichnung, unter der die Tätigkeit im Inland zu erbringen ist.

§ 13 Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend. Die Meldung ist jährlich zu wiederholen, wenn die Person oder Gesellschaft nach Ablauf eines Kalenderjahres erneut vorübergehende Rechtsdienstleistungen im Inland erbringen will. In diesem Fall sind die Bescheinigung nach Satz 2 Nr. 1 und die Information nach Satz 2 Nr. 3 erneut vorzulegen.

(3) Sobald die Meldung nach Absatz 2 vollständig vorliegt, veranlasst die zuständige Behörde eine vorübergehende Eintragung im Rechtsdienstleistungsregister oder ihre Verlängerung um ein Jahr. Das Verfahren ist kostenfrei.

(4) Vorübergehende Rechtsdienstleistungen sind unter der in der Sprache des Niederlassungsmitgliedstaats für die Tätigkeit bestehenden Berufsbezeichnung zu erbringen. Eine Verwechslung mit den in § 11 Abs. 4 aufgeführten Berufsbezeichnungen muss ausgeschlossen sein.

(5) Die zuständige Behörde kann einer vorübergehend registrierten Person oder Gesellschaft die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen untersagen, wenn begründete Tatsachen die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtsuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigen. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Person oder Gesellschaft im Staat der Niederlassung nicht mehr rechtmäßig niedergelassen ist oder ihr die Ausübung der Tätigkeit dort untersagt wird, wenn sie nicht über die für die Ausübung der Berufstätigkeit im Inland erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse verfügt oder wenn sie beharrlich entgegen Absatz 4 eine unrichtige Berufsbezeichnung führt.

Anhang: Entwurf des Rechtsdienstegesetzes als pdf