SCHUFA veröffentlicht nach Zahlungsproblemen eingefärbte Stadtpläne jetzt sogar für die Zukunft.

Wir hatten verschiedentlich auf die Problematik hingewiesen, die Stadtpläne hervorrufen, in denen Bezirke und Adressen pauschal als Krisenanfällig hingestellt werden. Solche Pläne werden weltweit von Gläubigern benutzt, um ihre Angebote dort zu vermindern oder zu verteuern, wo sie höhere Ausfallquoten vermuten. Die Kunden können sich kaum wehren, weil alle es dort gleich tun und der Wettbewerb ausgeschaltet ist.

In der englischen Ausgabe von Wikipedia wird Redlining wie folgt beschrieben:

"Redlining ist die Praxis, bestimmte Leistungen wie Bankdienstleistungen, Versicherungen, Zugang zu Arbeitsplätzen, zur Gesundheitsvorsorge oder sogar zu Supermärkten in solchen Gebieten zu verweigern oder mit erhöhten Kosten zu versehen, in denen Menschen wohnen, die häufig auch ethnisch besonders bestimmt sind. Der Begriff entstand in den späten 1960ziger Jahren in den USA, wo Banken Stadtpläne mit roten Linien versahen, um solche Bezirke einzugrenzen. Es handelte sich damals vor allem um innerstädtische Gebiete mit armer (schwarzer) Bevölkerungsmehrheit."

Auch die SCHUFA färbt inzwischen Gebiete rot ein und gibt trotz der von uns seit Jahren geäußerten Kritik mit Arglosigkeit vor, dass sie schließlich nur Fakten mitteile und damit Chancen biete, Überschuldung zu bekämpfen.

Einige Städte und selbst das Familienministerium scheinen auf dieses Argument einzugehen und nutzen diese Zahlen etwa zur Mittelverteilung bei der Schuldnerberatung.

Tatsächlich wird mit diesen roten Karten aber ein Image für Stadtteile oder ganze Städte wie Berlin und Wilhelmshaven aufgebaut, die diskriminierend und für Investoren aller Art abschreckend sind.

REICHT DIE SCHUFAKLAUSEL FÜR SOLCHE KARTEN AUS?

Die SCHUFA erhält die Daten durch eine Genehmigung der Kunden aller Finanzinstitute, Versandhändler, Telefongesellschaften etc in der sogenannten SCHUFA-Klausel, die die Rechtsprechung schon einmal einschränkte. Darin ist eine enge Begrenzung der Verwertung der persönlichen Daten vorgeschrieben, wonach die SCHUFA "personenbezogene Daten nur zur Verfügung (stellt), wenn ein berechtigtes Interesse hieran im Einzelfall glaubhaft dargelegt wurde."

Die SCHUFA Klausel etwa beim Girokonto lautet:

"Ich willige ein, dass die Bank der SCHUFA HOLDING AG, Hagenauer Strasse 44, 65203 Wiesbaden, Daten über die Beantragung, die Aufnahme und Beendigung dieser Kontoverbindung übermittelt. Unabhängig davon wird die Bank der SCHUFA auch Daten aufgrund nichtvertragsgemäßen Verhaltens (z. B. Forderungsbetrag nach Kündigung, Konten- oder Kreditkartenmissbrauch) übermitteln. Diese Meldungen dürfen nach dem Bundesdatenschutzgesetz nur erfolgen, soweit dies nach der Abwägung aller betroffenen Interessen zulässig ist.

Insoweit befreie ich die Bank zugleich vom Bankgeheimnis. Die SCHUFA speichert und übermittelt die Daten an ihre Vertragspartner im EU-Binnenmarkt, um diesen Informationen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von natürlichen Personen zu geben. Vertragspartner der SCHUFA sind vor allem Kreditinstitute sowie Kreditkarten- und Leasinggesellschaften. Daneben erteilt die SCHUFA auch Auskünfte an Handels-, Telekommunikations- und sonstige Unternehmen, die Leistungen und Lieferungen gegen Kredit gewähren. Die SCHUFA stellt personenbezogene Daten nur zur Verfügung, wenn ein berechtigtes Interesse hieran im Einzelfall glaubhaft dargelegt wurde. Zur Schuldnerermittlung gibt die SCHUFA Adressdaten bekannt. Bei der Erteilung von Auskünften kann die SCHUFA ihren Vertragspartnern ergänzend einen aus ihrem Datenbestand errechneten Wahrscheinlichkeitswert zur Beurteilung des Kreditrisikos mitteilen (Score-Verfahren).

Ich kann Auskunft bei der SCHUFA über die mich betreffenden gespeicherten Daten erhalten. Weitere Informationen über das SCHUFA-Auskunfts- und Score-Verfahren enthält ein Merkblatt, das auf Wunsch beim SCHUFA-Vertragspartner erhältlich ist."

DATENSCHUTZ VERLETZT

Nach dem Datenschutz handelt es sich allerdings nicht um persönliche Daten, wenn nur der Bezirk, in dem der Kunde wohnt, mit seinen persönlichen Daten gekennzeichnet wird, so dass über ihn persönlich nur indirekt Schlüsse gezogen werden.

Eine solche Interpretation ist aber rein formal und im öffentlichen Recht unüblich. Es reicht aus, wenn die persönlichen Daten jenseits des vereinbarten Zwecks, und das ist ihre Benutzung für rote Landkarten auf jeden Fall, so benutzt werden, dass dem Kunden ein persönlicher Schaden entsteht. Dies ist aber auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn sein ganzer Stadtteil dadurch in die Gefahr der Diskriminierung gerät.

Die SCHUFA hat sich einen wissenschaftlichen Beirat geschaffen, von dem bisher allerdings noch nichts Kritisches hierzu vernommen wurde. Datenschützer sind dort auch nicht vertreten.

SCHUFA DATEN FÜR ÜBERSCHULDUNGSFORSCHUNG NOTWENDIG

Unsere Kritik richtet sich nicht dagegen, die SCHUFA Daten für die Überschuldungsforschung einzusetzen. Das ist notwendig und die Bereitschaft der SCHUFA hier mitzuwirken ist positiv hervorzuheben. Allein dass die SCHUFA vorgibt, diese Forschung durch eigene Ergebnispräsentation zu ersetzen, ist problematisch.

Aus der Sicht dieser Forschung handelt es sich beim PVI um wissenschaftlichen Unsinn. Es gibt keine logische Beziehung zwischen Überschuldung und Wohnort. Es handelt sich um rein statistische Korrelationen, die durch intervenierende Variablen wie Arbeitslosigkeit, Häufung von Haushaltsformen, Altersstruktur und Einkommen bestimmt sind und Kommunalpolitiker in die Irre führen.

Dass die Wirtschaft solche Scheinkorrelationen erfolgreich benutzt liegt daran, dass sie rein gewinnorientiert sich nicht für das einzelnen Geschäft sondern für alle Geschäfte insgesamt interessiert. Gelingt es ihr, z.B. die Ausfallquote dadurch zu senken, dass sie alle blonden Verbraucher von einem Konto ausschließt, so war dies erfolgreich, wenn statistisch die Blonden eher Missbrauch treiben als die Schwarzhaarigen. Gleichwohl erhalten dadurch keineswegs die "Blondinen"-Witze sozugsagen eine statistische Weihe.

Tatsächlich konnten wir in einem Vergleich von Wilhelmshaven und Hamburg aufzeigen, dass Kreditnehmer in manchen Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit pünktlicher zahlen als in reichen Gebieten, die als günstig eingefärbt waren.

DER PVI

Zunächst ist der persönlichen Verschuldungsindex schon als Begriff eine Irreführung. Die SCHUFA meint gar nicht Verschuldung sondern Überschuldung, traut sich dies aber nicht deutlich zu sagen.

So wird nicht etwa mit dem PVI die Kreditaufnahme in Deutschland wiedergegeben, sondern ein Karte mit "negativen kreditrelevanten Informationen". Das Problem ist dabei nicht, dass diese Informationen nicht über Kreditstörungen berichten. Das Problem ist, dass die SCHUFA sie mit der Adresse und dem Alter kombiniert und damit suggeriert, dass Menschen mit einer bestimmten Postleitzahl oder einem bestimmten Alter Probleme darstellen. Tatsächlich zeigen unsere Forschungen im Überschuldungsreport 2007, dass ein vollständig anderes Bild entsteht, wenn man Wohnen zu Hause bei jungen Menschen oder ARbeitslosigkeit bzw. Wohnform bei Wohnbezirken als Merkmal einbezieht. Dann unterscheiden sich die Wohnbezirke plötzlich gar nicht mehr in der Überschuldung.

Auch im Detail ist vieles falsch, weil die SCHUFA ihre Merkmale ja nicht nach sozialwissenschaftlichen Kriterien abfragt sonder von den Gläubigern erhält, die damit subjektiv éingefärbt sind, dem Inkasso und der Kreditvergabbe dienen und somit wissenschaftlich eher zufällig erscheinen. Dies wird besonders deutlich bei den sog. "roten Merkmalen", die alle bürokratischer Natur sind und mit der Definition der Überschuldung etwa in §18 der Insolvenzordnung (dauernder Liquiditätsmangel) nur indirekt etwas zu tun haben, weil sie ein Folgeverhalten der Überschuldung sein können aber überwiegend nicht einmal sind.

Erst wenn man diese Merkmale, wie es das iff mit seinem Überschuldungsreport tut, mit anonymisierten Personaldaten aus der Schuldnerberatung verbindet, ergeben sie einen Sinn, der die Politik bei der Überschuldungsbekämpfung leiten kann.

SCHUFA-BESCHREIBUGN DES PVI

"Zur Berechnung des PVI wird eine Kombination aus negativen kreditrelevanten Informationen für die jeweilige Wohnbevölkerung individuell betrachtet, gewichtet und ein Gesamtwert berechnet.

Im Folgenden sind die sogenannten weichen und harten Negativmerkmale (z.B. eine Zahlungsstörung,ein Kreditausfall und/oder die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens) aufgeführt,die zur Berechnung des PVI dienen. Diese weichen und harten Negativmerkmale sind je nach Ausprägung in die drei Stufen Gelb, Orange und Rot eingeteilt. (Hinweis: Diese Sektoren sind nicht zu verwechseln mit den verschiedenen Stufen der weichen und harten Negativmerkmale).

Bei den weichen Negativmerkmalen (gelbe und orangefarbene Stufe) handelt es sich um
Zahlungsstörungen bei Nichtbanken und Banken.

Die rote Stufe enthält nur harte Negativmerkmale.

Die Merkmale in der roten Stufe können ein deutliches Signal für eine drohende oder
eine bereits eingetretene Überschuldungssituation sein.

Stufe Gelb

• Nur noch erledigte Negativmerkmale
• Kein negatives Merkmal und mit aktueller Kreditverpflichtung und SCHUFA-Risikoquote
nach Score > 10 %
• Ein aktuelles Negativmerkmal nur aus Branche Nichtbanken
• Mehr als ein aktuelles Negativmerkmal aus einer oder mehr Branchen Nichtbanken
Bei den sogenannten Nichtbanken handelt es sich um folgende Branchen:
Handel, Versandhandel, Internethandel, Telekommunikation etc.
Stufe Orange
• Offenes Negativmerkmal von einer Bank jünger als 1 Jahr
• Offenes Negativmerkmal von einer Bank jünger als 1 Jahr und Branche Nichtbanken
• Offene Negativmerkmale von mindestens einer Bank jünger als 1 Jahr
• Negativmerkmal-Historie bei mindestens einer Bank von 1-3 Jahren

Offene Negativmerkmale sind Zahlungsstörungen, d. h. offene, ausreichend gemahnte
und unbestrittene Forderungen, die noch nicht durch Zahlungen erledigt wurden.

Stufe Rot

• Merkmal Eidesstattliche Versicherung (EV) oder Haftbefehl zur Abgabe einer EV
• Merkmal der Privatinsolvenz
• Personen mit Suchauftrag

Suchauftrag bedeutet: Ein Vertragspartner der SCHUFA besitzt eine offene, ausreichend gemahnte und unbestrittene Forderung gegenüber einem Kunden, der unbekannt verzogen ist."

SCORING BETROFFEN?

Wie bekannt verkauft die SCHUFA auch aus ihren Daten einen Scoring-Wert für alle Kreditnehmer, die die Banken bei der Kreditvergabe und vor allem auch bei der Bestimmung des Kreditpreises so nutzen, dass ärmere Verbraucher benachteiligt werden.

Nachdem die SCHUFA nun so lautstark auftritt und einen Zusammenhang zwischen der Adresse und der Kreditgefährdung in der Öffentlichkeit behauptet, müssen wir annehmen, dass in der streng geheim gehaltenen Zusammensetzung des Scoring auch die Adresse enthalten ist. Dies wäre eine absolut unzulässige individuelle Diskriminierung der Kunden, die von der SCHUFA Klausel nicht gedeckt und den Datenschutz verletzt. Die SCHUFA ist uE hierzu beweispflichtig.

ANDERE ANBIETER MIT WOHNADRESSEN-SCORING?

Wir hatten von Dritter Seite entsprechende Informationen über die Post Adress Gmbh zur Verwendung von Postadressen erhalten, die wir naturgemäß nicht überprüfen können. Die Post Adress Gmbh hat uns hierzu geschrieben:

"Die Post Adress ist nur Vertriebs-Mittler für den von dem Dienstleister microm entwickelten bzw. angebotenen sog. „Risikoindex”. Mit diesem Produkt werden statistische Wahrscheinlichkeiten von Zahlungsausfällen auf Basis einer Wohnumfelddatei (auf Zellbasis) beschrieben – somit handelt es sich hier um anonymisierte Daten und eben nicht um Adressen oder Anschriften."

Etwas anderes hatten wir allerdings auch nicht angenommen, weil die sog. Anonymisierung leider dem einzelnen dann nichts nützt, wenn er seine Postleitzahl quasi als persönliches Merkmal angeheftet bekommt, das seine Unschuld verloren hat. Aus diesen Gründen ist z.B. in den USA die Verwendung der Postleitzahlen beim Scoring gesetzlich verboten.

Allerdings beruhigt uns der folgende Satz:

"Im Übrigen handelt es sich bei diesem Leistungsangebot um ein absolutes Randgeschäft der Post Adress, das wir aufgrund dieser Tatsache auch beabsichtigen einzustellen"

INTERVIEW IM TAGESSPIEGEL

Vor diesem Hintergrund ist auch das Interview im Tagesspiegel zu sehen, das erstmals in Deutschland einen Redakteur vorweist, der nicht einfach nach Art der Hofjournalisten die jährlichen SCHUFA Karten als Sensation verkündet sondern auch einmal hinterfragt. Bill Dedman aus Atlanta wurde in den USA mit seiner Artikelserie "The Color of Money", "Die (Haut-)Frabe des Geldes" berühmt und hat dort eine erhebliche Umwälzung im öffentlichen Denken bewirkt, die letztlich in verschiedenen Anti-Diskrimnierungsgesetzen und dem Community Reinvestment Act (Gesetz zur Überprüfung der Kreditvergabe der Banken in den Stadtteilen) führte.

Stattdessen benutzten in Deutschland Magazine den Titel "Atlas der Schuldenmuffel" und machten sich damit bereiots zum Vorreiter dieser modernen Form der Diskriminierung.