IST DER EUROPARAT IN SOZIALEN FRAGEN DER EU WEIT VORAUS?

Empfehlung CM/REC(2007)8 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedsstaaten für rechtliche Lösungen zum Verschuldungsproblem (angenommen vom Ministerkomitee in seinem 999-2ten Treffen am 20. Juni 2007 der stellvertretenden Minister).

EMPFEHLEN, DASS REGIERUNGEN UND MITGLIEDSSTAATEN BEI DER ABFASSUNG IHRER GESETZE UND BEI STEUERUNG IHRER PRAXIS DIE FOLGENDEN RECHTSGRUNDSÄTZE ZUR ÜBERSCHULDUNG BEACHTEN:

1. DAVON AUSGEHEN, DASS IM SINNE DER EMPFEHLUNG, DANN EINE ÜBERSCHULDUNG VORLIEGT, WENN EINE SCHULDENLAST LANGFRISTIG AUF EINEM MENSCHEN ODER EINER FAMILIE LASTET; DIE SEINE ZAHLUNGSFÄHIGKEITEN ÜBERSTEIGT.

2. DARAUF ABZIELEN, ÜBERSCHULDUNG VON EINZELPERSONEN UND FAMILIEN ZU VERMEIDEN UND DABEI IM EINZELNEN :

a. Informationen und Statistiken zu Verschuldungsproblemen sammeln und die Überschuldungssituation der Individuen und Familien in ihren Ländern analysieren

b. Systeme der finanziellen Allgemeinbildung, die den Verbrauchern im Allgemeinen ihre Rechte vermitteln, einführen und entwickeln, sowie innerhalb des nationalen Schulsystems Fähigkeiten vermitteln das eigene Budget zu führen;

c. effektiven Zugang zu unabhängiger finanzieller, sozialer und rechtlicher Beratung gerade denjenigen gewähren, die Probleme mit Schulden oder Fragen hierzu haben.

d. die notwendigen Maßnahmen und Gesetze vorsehen, die eine verantwortliche Praxis während aller Phasen der Kreditabwicklung, sowie bei der Schuldbeitreibung, der Nutzung der persönlichen Kreditdaten und anderer finanzieller Informationen, gewährleisten.

e. die Rechte der Bürgen auf angemessene Information garantieren, sowie einen Missbrauch von Bürgschaften und Sicherheiten verhindern

3. ANGEMESSENE MASSNAHMEN ERGREIFEN, UM DIE SOZIALEN AUSWIRKUNGEN DER SCHULDBEITREIBUNG ZU MILDERN UND ZWAR INSBESONDERE:

a. ein effizientes und missbrauchsicheres Schuldbeitreibungssystem, sowie angemessenen gesetzlichen Schutz gegenüber der Beitreibungsgewalt beim Inkasso zur Verfügung stellen,

b. die Rechte der Schuldner und ihre menschliche Würde im gesamten Prozess der Schuldbeitreibung respektieren, ohne die legitimen Rechte der Gläubiger zu schmälern;

c. Mechanismen einführen, die die Schuldbeitreibung begrenzen und insbesondere sein lebensnotwendiges Vermögen und Einkommen vor der Pfändung schützen, wobei ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der lebensnotwendigen Mittel und der Effektivität der Schuldbeitreibung gefunden werden muss;

d. die Rechte des Bürgen und des für des Mithaftenden während des gesamten Schuldbeitreibungsprozesses wahren, wobei so weit wie möglich das Recht auf Gleichbehandlung mit dem Schuldner durchgesetzt werden soll;

e. die Durchsetzung von vollstreckbaren Titeln anderer Staaten im Mitliedsstaat ermöglichen;

4. MECHANISMEN ZUR REHABILITATION UND WIRTSCHAFTLICHEN WIEDEREINGLIEDERUNG VON ÜBERSCHULDETEN IN DIE GESELLSCHAFT SCHAFFEN, INSBESONDERE INDEM SIE:

a. einen freien Zugang zu unabhängiger Schuldnerberatung sowie zu Schuldenregulierungsverfahren ermöglichen, wie sie im nationalen Recht festgelegt sind;

b. sicherstellen, dass Schuldenbereinigungsverfahren nach Belastungen und Dauer angemessenen sind;

c. sicherstellen, dass Schuldenbereinigung alle Schulden umfasst, die nicht durch nationales Recht besonders davon ausgenommen wurden;

d. die Möglichkeit außergerichtlicher Schuldenbereinigung schaffen und sie als direkten Mechanismen zwischen Schuldnern und Gläubigern befördern;

e. die Möglichkeiten für Gläubiger, solche Verfahren zu behindern, einschränken;

f. die effektive finanzielle und soziale Integration überschuldeter Individuen und Familien ermöglichen, insbesondere, indem ihnen wieder Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft wird;

g. die eigenverantwortliche Teilnahme der Schuldner in Schuldenbereinigungsverfahren ermöglichen und wo nötig, nach deren Abschluss durch Schuldnerberatung und Schuldnerhilfe unterstützen;

h. eine teilweise oder vollständige Schuldbefreiung vorsehen und dabei wo notwendig auch die Familien der Schuldner entschulden, wo sich andere Möglichkeiten als ineffektiv erwiesen haben um ihnen die Chance für einen ökonomischen und sozialen Neuanfang zu geben;

5. DIE UMSETZUNG DIESER EMPFEHLUNG INSBESONDERE DADURCH ERMÖGLICHEN, DASS:

a. eine Politik begonnen wird, die sich direkt mit Schuldenbereinigung und der Frage der Überschuldung Privater beschäftigt und dabei Konformität mit dieser Politik herstellt;

b. eine effektive Zusammenarbeit aller politischen und professionellen Akteure ermöglicht wird, die sich mit Überschuldungsprävention, mit der Abmilderung der Effekte der Schuldbeitreibung und der Reintegration der Überschuldeten beschäftigen;

c. Schuldnerberatung und Schuldnerhilfe sowie mediative Verfahren aufgebaut und dabei sichergestellt oder zumindest gefördert wird, dass sich Kreditgeber des privaten des öffentlichen Sektors an der Umsetzung dieser Politik beteiligen;

d. angemessene Qualitätsstandards entwickelt und die Unabhängigkeit der angebotenen Dienste, die von verantwortlichen Institutionen und Berufen angeboten werden, durch effektive Kontrollmechanismen gewährleistet wird;

e. ein einfacher und direkter Zugang zur Information über Verbraucher und Schuldnerrechte vermittelt wird, die von der Bevölkerung verstanden und genutzt werden können.