Der Verkauf notleidender Kredite hat die internationalen Finanzmärkte in die tiefste Krise seit zwei Jahrzehnten gestürzt. Nach Ansicht des amerikanischen Finanzministers Hank Paulson ist die Verunsicherung größer als nach den Tumulten der Asien-Krise, dem Zahlungsverzug Russlands in den 1990er Jahren und der lateinamerikanischen Verschuldungskrise in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Auch die Verwerfungen nach den Anschlägen vom 11. September haben demgegenüber ein geringeres Gewicht. Auslöser sind so genannte non-performing-loans, mithin nicht oder nicht mehr ordnungsgemäß bediente Kredite, deren Schwerpunkt in den USA und dort in Ohio liegt.

Wie können faule Hypothekarkredite aus einem Erdteil das globale Finanzsystem bedrohen? Die Antwort liegt in der Verbriefung von Forderungen, womit Kredite zum handelbaren Objekt geworden sind. Undurchsichtig ist trotz wochenlanger Berichterstattung und zahlloser Krisensitzungen auch der Aufsichtsorgane, in welchem Maß europäische und deutsche Banken und Investoren direkt oder indirekt an diesem sogenannten subprime-Markt beteiligt sind. Die Unsicherheiten schlagen auf den Geldmarkt durch, in dem sich Banken untereinander nicht oder nur noch wenig Vertrauen entgegenbringen und deswegen nur wenig Geld verleihen, wodurch Kreditmittel knapp zu werden drohen. Erst die Intervention zahlreicher Zentralbanken weltweit hielt den Zins für Geldkredite auf einem erträglichen Niveau, indem binnen kürzester Zeit hohe Finanzmittel in den Geldkreislauf gepumpt wurden. Sinkende Kurse und starke Unsicherheiten konnten damit ebenso wenig verhindert werden, wie das Engagement in verbriefte Forderungen am Hypothekarkreditmarkt u. a. zur Schließung von Fonds in Frankreich und zu staatlichen Garantien in Milliardenhöhe für Kreditinstitute in Deutschland geführt haben. Eigentlich zur Diversifikation von Kreditrisiken und damit zur Stabilisierung des Bankensystems nach Basel II gedacht, bringt gerade die Beteiligung an (scheinbar) validen Forderungen Banken und Anleger in zum Teil erhebliche Bedrängnis. Die Krise und ihre Ursachen aufzuarbeiten, ist Aufgabe und Thema der Politik und Wissenschaft.

Auf der diesjährigen Jackson-Hole-Geldmarkt-Konferenz (s. angehängter Link) Ende August/Anfang September unter Schirmherrschaft der Zentralbank von Kansas City diskutierten Finanzexperten aus aller Welt unter dem Generalthema „Wohnungswesen, Immobilienfinanzierung und Geldpolitik” über die Gründe des Zusammenbruchs von regionalen Märkten und ihre Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte. Während Martin Feldstein (Harvard) wie auch Robert Shiller (Yale) die nationalen Ursachen – neben dem Preisverfall von Immobilien – in dem Sinken der Einkommen der Kreditnehmer begründet sehen, ist für John Taylor (Stanford) die verfehlte Politik der Zentralbanken für die Misere verantwortlich. Im Wesentlichen einig waren sich die Experten, dass vor allem die immense Kreditausweitung eine wesentliche Ursache für die Krise ist. Weit wichtiger aber ist die auch dort gewonnene Erkenntnis, dass Investoren und Gläubiger nicht genau wissen, wie sie die komplexen Risiken der Anleihen zu bewerten haben. Offenbar verlassen sich viele Marktteilnehmer fast blind auf das (teuer eingekaufte) Urteil der Rating-Agenturen, ohne selbst eine hinreichende Risikokontrolle durchzuführen.

Auch in Deutschland ist daher der Ruf nach einer wirksameren Kontrolle derartiger Transaktionen nicht mehr zu überhören. Regeln dafür werden u. a. auch von Finanzminister Peer Steinbrück gefordert. Folgerichtig debattieren in diesen Tagen Experten und Interessenvertreter u .a. vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, ob der Verkauf von Krediten, mit dem auch deutsche Banken seit 2003 in erheblichem Umfang begonnen haben, unbeschränkt zulässig sein soll. Probleme bestehen nach Presseberichten vor allem in der Verschiebung von Kreditforderungen auf Dritte, womit die betroffenen Kreditnehmer nicht einverstanden sind. Auch bei der Betreuung und Abwicklung der Verträge ist bekannt geworden, dass die neuen Forderungsinhaber unter dem Renditedruck ihrer Anleger und der Investmentbanken schon mal nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist und anstehender Prolongation auf die Beendigung der langfristig eingegangenen und bislang immer ordnungsgemäß bedienten Verträge drängen oder oft die Zwangsmaßnahmen bei gekündigten Krediten verschärfen. Für den deutschen Rechtskreis ist die Bundesaufsichtsanstalt für Finanzdienstleistungen der Auffassung, Verkäufe großer Darlehenspakete seien unter Beachtung von Minimalregeln wirksam, der Bankrechtssenat des Bundesgerichtshofs hat just die Vereinbarkeit eines Forderungsverkaufs aus einem gekündigten Darlehen mit den Regelungen zum Datenschutz und Bankgeheimnis bejaht und auch eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts sieht in der Datenweitergabe an Dritte keinen Verstoß gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung des gekündigten Kreditnehmers.

Wer aber diese Nebenschauplätze der rechtlichen Argumentation verlässt, erkennt schnell, dass der Verkauf von Kreditforderungen ohne oder gar gegen den ausdrücklich Willen des dadurch betroffenen Kreditnehmers nicht einfach akzeptiert werden kann. Sicher können fällig gestellte Forderungen aus Krediten ebenso wie andere Forderungen auch an Dritte abgetreten werden. Professionelle und seriöse Kreditabwicklung kann nicht nur ökonomisch sinnvoll sein, sondern auch für den Verbraucher ein Plus bringen, wenn Individuallösungen und Zahlungsmoratorien vereinbart werden und nicht nach dem immer gleichen Schema der Kreditkündigung die Zwangsvollstreckung folgt. Besonders problematisch ist aber, dass in den verkauften Paketen zu einem erheblichen Anteil (oft zwischen 5 und 10 Prozent) auch ordnungsgemäß bediente, sog. performing-loans enthalten sind. Dann geht es nicht um ein besseres Servicing in der Abwicklung, sondern um eine Verschiebung von Gläubigerpositionen u. U. aufgrund bloßer Änderung der Geschäftspolitik. Bei typischen Immobiliarkrediten, bei denen eine Bank einem Kreditnehmer zur Sicherung ihrer Forderung nicht nur eine Sicherungsgrundschuld, sondern auch eine persönliche Haftungsübernahme nebst der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung abverlangt, begibt sich der Kunde auf Basis eines wechselseitigen persönlichen Vertrauens in eine gewisse Abhängigkeit durch das damit verbundene Treuhandverhältnis. Ohne Zustimmung des Sicherungsgebers, der zumeist zugleich der Kreditnehmer ist, können derartige Ansprüche aus dem Darlehensvertrag, erst recht aber nicht die eingegangenen Sicherheiten auf einen Dritten übertragen werden. Der Treuhänder bleibt gebunden, weil der Immobiliarkreditvertrag als Dauerschuldverhältnis eine Nähe- und Vertrauensbasis zwischen den Vertragspartnern begründet, eine Veränderung des Gläubigers eine Veränderung des Inhalts der Beziehung im Sinne des § 399 BGB zur Folge hätte und auch bei einer Ausgliederung des Kreditverhältnisses nach dem Umwandlungsgesetz zwingend zu beachten bleibt. Auch bei Ansprüchen aus gekündigten Kreditverhältnissen muss eine Übertragung auf Nichtbanken ausgeschlossen sein, also auf solche Dritte, die keiner Finanzaufsicht oder nur dem zweifelhaften Regime eines Inselstaates in der Karibik unterworfen sind. Betroffen ist immer die Vertragsfreiheit, vor allem aber der Grundsatz der Vertragspartnerwahlfreiheit, der verfassungsrechtlich verbürgt ist. Damit auch zukünftig Vertragspartner nicht wie Sachen verschoben werden können, ist eine gesetzgeberische Klarstellung wie im neuen § 613 VI BGB durch Einführung eines Widerspruchsrechts gegen die Übertragung geboten. Nicht erforderlich ist es hingegen, wie in Polen den Verkauf von ungekündigten Krediten zu verbieten. Aber auch hier ist das europäische Schutzniveau für Häuslebauer zu wahren. Andernfalls droht eine Erosion der Verbraucherrechte unter dem Druck einer zweifelhaften Globalisierung. Dagegen sprechen auch nicht die Anzahl und der Umfang der bereits vollzogenen Transaktionen, da es nicht darum gehen kann, mit dem Verkauf von Kreditforderungen Fakten zu schaffen, die das Recht nur noch legitimieren darf. Vielmehr geht es darum, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, in dem sich die Wirtschaft bewegen kann. Selbst ordnungsgemäß bediente Kredite verkaufen zu können, entspricht aber keinem unabweisbaren Bedürfnis. Vielmehr will sich der Kreditgeber von dem damit verbundenen Risiko entlasten. Ein solches Risiko besteht aber für die in Deutschland vergebenen ungekündigten Hausbaukredite praktisch nicht. Werden bei der Kreditvergabe die üblichen Beleihungsfristen eingehalten, ist der Ausfall kaum noch messbar und liegt unter 0,01 %. Auch die Schaffung freier Liquidität durch Verkauf der Kredite ist nicht notwendig. Vor derartigen Transaktionen gab es keinen Mangel an Kreditmitteln. Ein Überangebot an Valuta führt tendenziell zu einer Vergabe von Darlehen an Personen, deren Bonität nicht zweifelsfrei ist, und damit erst zum Ausfall wie im amerikanischen subprime-Markt. Auch können Zinssenkungen im Promillebereich, die durch die Auslagerung von Krediten gegebenenfalls erzielt werden, derartige Praktiken nicht legitimieren. Vielmehr ist die Risikoverteilung bereits im bestehenden Vertragsverhältnis angemessen zu berücksichtigen, also in der Entscheidung, ob überhaupt ein Kredit vergeben wird. Wenn sich Kreditinstitute am Handel mit ausfallgefährdeten Krediten beteiligen und damit selbst in Schieflage geraten, weil sie die damit verbundenen Risiken nicht zutreffend eingeschätzt haben, darf dies nicht zum Eingreifen des Staates führen, insbesondere dann nicht, wenn wie in Sachsen die jahrelangen Sparbemühungen des Staates damit konterkariert werden und zwar auf Kosten sozial dringend notwendiger Investitionen und der Absenkung notwendiger Standards. Zudem wird durch derartige Transaktionen das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt geschwächt, und auch volkswirtschaftlich macht es keinen Sinn, dass das Risiko von Krediten auf Dritte, insbesondere auch Privatanleger im Wege der mittelbaren Beteiligung an Fonds- oder Fondsprodukten verlagert wird. Das Risiko der Haftung von Emittenten, Investmentbanken und Ratingagenturen in der Fehlkalkulation der Risiken gegenüber Anlegern und Kreditnehmern wird den Märkten und Menschen weiter Kopfschmerzen bereiten. Die mit den übertragenen Kreditforderungen ihrerseits gesicherten Kredite, deren Valuta nicht selten das Vierfache des Wertes der Sicherheiten, also der aufgekauften Kreditforderungen, ausmacht, führen vermutlich bei Fälligkeit zu noch viel größeren Problemen. Darauf sollten die Märkte und Aufsichtsorgane bereits jetzt eingestellt sein. Eine verantwortungsvolle Kreditvergabe impliziert somit klare Grenzen für die Weiterveräußerung von Kreditpaketen.