Das iff geht davon aus, dass demnächst für die Immobilienrente, auch Reverse Mortgage oder umgekehrter Hypothekenkredit erste Angebote auf dem deutschen Markt kommen. Damit kann das in dem eigenen Haus gebundene Vermögen im Rentenalter wieder genutzt werden, ohne dass man ausziehen muss oder seine Immobilie verliert. Dieser Artikel soll kurz den Hintergrund der Produktart beleuchten und die Verbraucherperspektive aufzeigen.
Nachdem in den USA nach über 20 Jahren Erfahrung mit derartigen Produkten das Interesse in den letzten Jahren stark gestiegen ist und in einigen europäischen Ländern wie Italien und Frankreich die gesetzliche Basis für derartige Produkte geschaffen wurde, ist davon auszugehen, dass auch in Deutschland die Entnahme von Geld aus seiner eigen genutzten Immobilie bald möglich sein wird. Bisher gibt es nur individuelle Lösungen, die durch Banken vermittelt werden. Dabei wird mit einer langsamen Entwicklung des Marktes gerechnet wie auch die anfängliche Entwicklung in den USA gezeigt hat. Die wachsende Gruppe der Rentner, geringere Rentenzahlungen in der Zukunft und häufiger durchbrochene Lebensläufe werden den Bedarf nach derartigen Produkten voraussichtlich aber kontinuierlich ansteigen lassen.
Mittlerweile werden in den USA über 100.000 HECM-Verträge pro Jahr verkauft und die Bank of America hat sich entschieden, ein eigenes Reverse-Mortgage-Produkt für die Kunden in den USA flächendeckend anzubieten. Neben Erfahrungen in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien haben auch Staaten wie Frankreich und Italien in den letzten Jahren den gesetzlichen Rahmen geschaffen, um derartige Produkte auf den Markt zu bringen.
In den USA, wo es entsprechende Erfahrungswerte gibt, waren die Rentner bei Abschluss im Durchschnitt 75 Jahre alt und die tatsächliche Laufzeit war geringer als erwartet: 50% der Verträge lief nicht länger als 7 Jahre und nach 11 Jahren waren ca. 80 % der Reverse-Mortgage-Verträge beendet worden. Zwar muss dabei bedacht werden, dass die US-Amerikaner auch im Alter wahrscheinlich mobiler sind, doch zeigen die Zahlen aus den USA, dass das Einstiegsalter und die Laufzeit deutlich von dem Mindestalter (62 Jahre) und der möglichen Darlehensdauer entfernt liegen.
Die Gemeinsamkeiten bei den existierenden Reverse-Mortgage-Produkten aus anderen Ländern sind, dass es sich immer um grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen und damit um ein Bankprodukt handelt, bei der allein die selbst genutzte Immobilie als Sicherheit dient, die Entnahme erst ab dem Rentenalter möglich ist, die Kunden dabei immer bis zum Auszug/Tod Eigentümer der Immobilie bleiben und die Rückführung des Darlehens z.B. bei Auszug aus der Immobilie jederzeit möglich ist. Variationen der Produkte bestehen bei dem Eintrittsalter (z.B. ab 60. oder ab 62. Lj.), der Möglichkeiten einer flexiblen Entnahme und/oder nur festen Rentenzahlungen, der Frage der Dauer der Auszahlungen (lebenslange/zeitlich begrenzt) sowie der Art der Verzinsung (fester oder variabler Zinssatz), der Einbeziehung und den Kosten einer integrierten Versicherung für das Langlebigkeitsrisiko und die Kosten bei vorzeitigem Auszug (Vorfälligkeitsentschädigung), die vor allem in Großbritannien schon negativ aufgefallen sind.
Verbraucherperspektive
Der Bedarf an derartigen Produkten wird in Zukunft voraussichtlich steigen, nicht nur, weil die Rentnergeneration überproportional wächst, sondern vor allem, weil viele zukünftige Rentner nicht mehr so gut finanziell abgesichert sein werden. Dafür spricht die auseinander gehende Einkommensschere sowie das unterschiedliche Altersvorsorge- und Sparverhalten. Viele Verbraucher sparen an der Altersvorsorge, weil ihr derzeitiges Einkommen nicht ausreicht oder sinkt. Auch sind durchbrochene Lebensläufe in der Zukunft wahrscheinlicher. Daher steigt auch der Bedarf, im Rentenalter aus seiner eigenen Immobilie Liquidität zu generieren.
Die Vorteile von Reverse Mortgage für Verbraucher sind aus Sicht des iff:
-Höhere Liquidität im Rentenalter
-Mittel für ungeplante Ausgaben und notwendige zusätzliche Versorgung (Hauspflege)
-Sicherheit lebenslanger Zahlungen
-Jederzeitiger Ausstieg/Ablösung des Darlehens möglich
-Keine Aufgabe der eigenen Immobilie zu Lebzeiten notwendig
Die Leute verlieren damit aber auch zu einem bestimmten Teil die alleinige Verfügungsgewalt über ihre eigene Immobilie und bauen über eine unabsehbare Zeit möglicherweise beträchtliche Darlehensschulden auf, die Sie aus zukünftigen Einkommen in der Regel nicht auffangen können.
Daher gibt es viele psychologische Faktoren, seine Immobilie aufzuessen („eat your brick”), angefangen von der Angst, die Kontrolle über die eigene Immobilie zu verlieren, über die verhältnismäßig gering erscheinenden Auszahlungen, bis zum Wunsch nach Vererbung. Der Rückgriff auf vorhandenes Kapitalvermögen, soweit möglich, erscheint meist attraktiver.
Aus Verbrauchersicht sind daher bei einem Reverse-Mortgage-Produkt folgende Punkte wichtig:
-Verständliches Produkt
-Transparenz der Preise und Kosten
-Eingehende Beratung vor Vertragsschluss (Alternativen für Kapitalentnahme) inklusive
-Aufklärung über Risiken (Eingeschränkte Vererbbarkeit der Immobilie, Zinseszinseffekt)
-Sicherheit (Klare Eigentümerposition, Schutz vor Zugriff Dritter, Zwangsvollstreckung)
-Flexibilität bei veränderten Lebensbedingungen
Wie die Produkte auf dem Markt in Deutschland aussehen werden, ist derzeit unklar. Wichtig wird neben der Gestaltung des Produkts auch sein, wie hoch die Kosten insgesamt sind und wie das Langlebigkeitsrisiko und die Risiken negativer Immobilienpreisentwicklungen aufgefangen werden.
Schwierigkeiten haben aber auch die Anbieter, die in Deutschland schon seit sieben Jahren an derartigen Produkten arbeiten, ohne dass es bisher zur Marktreife gekommen ist. Das liegt an der Komplexität des Produkts, das sich aus dem Darlehen, den Versicherungskomponenten, einer gewissen Verwaltung der Immobilie und dem üblich folgenden Verkauf der Immobilie zusammen setzt. Zudem bestehen eine große Unsicherheit zukünftiger Immobilienwerte und das Problem eines flächendeckenden Angebots in Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang.
Dabei muss, wie auch in den USA, sicher gestellt sein, dass eine externe Beratung durch eine neutrale Stelle vor Vertragsschluss verpflichtend vorgeschrieben wird, um Missbrauch zu vermeiden und die Entscheidung noch einmal vor Vertragsschluss prüfen zu lassen. Anbieten würden sich zum Beispiel die Verbraucherzentralen, die eine derartige Beratung anbieterunabhängig durchführen könnten.