Verbraucherrecht und Verbraucherpolitik waren in den 60er Jahren insbesondere in Bezug auf Finanzdienstleistungen lediglich ein Randthema. Verbraucheranwälte gab es kaum und selbst Verbraucherverbände haben sich mit dem Thema kaum beschäftigt. Heute ist der Konsumentenkredit nicht nur allabendlich in der Werbung oder im Briefkasten zu sehen – „credit4me”, Das kann ich auch”, „Wunscherfüller”. Das Jahr 2008 steht auch für ein unglaubliches Ereignis, die Börsen wanken und brechen sogar ein.

DIE SCHMETTERLINGSSCHLÄGE VON VERBRAUCHERN IN DEN USA HABEN EINEN ORKAN VON WELTWEITER DIMENSION AUSGELÖST.

Die unverantwortliche, ungezügelte Kreditvergabe bei der Immobilienfinanzierung, die sich nicht auf die Immobilienfinanzierung begrenzt, sondern auch alle anderen Formen von Konsumentenkrediten betrifft, hat nicht nur bei Citibank zu über 18 Milliarden Dollar Abschreibungen zu Beginn des Jahres geführt, sondern die Bankaktien allgemein einbrechen lassen. Hypo Real Estate verlor am 15. Januar 2008 an einem Tag über ein Drittel seines Börsenwertes wegen erst jetzt offen gelegter Abschreibungen – die Süddeutsche Zeitung spricht von einem „Absturz ohne Ankündigung” und die direkt betroffenen Banken lesen sich wie ein „Who is who” der Finanzwelt: HSBC, Meryll Lynch, Citigroup, Deutsche Bank… Bei anderen Banken wie der Royal Bank of Scotland wartet man gespannt auf die anstehenden Jahresbilanzen.

Deutlich wird: die Subprime Loan Krise aus den USA zieht langsam aber beständig immer weitere Kreise und die Angst vor einer allgemeinen Rezession geht in den Industrieländern um. Der kleine unscheinbare Verbraucher auf einem anderen Kontinent bringt nicht nur die Finanzwelt, sondern auch die gesamte Weltökonomie ins wanken:

„Es geht immer noch schlechter, als befürchtet: Die Häuserpreise in den USA könnten tiefer in die Krise rutschen: Stagniert die Wirtschaft, droht der schwerste Einbruch seit 50 Jahren, warnt der Chef der Notenbank in Boston.” (Financial Times Deutschland vom 9.1.2008)

„Hiobsbotschaften lassen Aktienmärkte einbrechen: Werden künftige Börsianer vom Januar-Crash 2008 sprechen?” (Welt Online vom 15..1.2008)

"USA stehen kurz vor der Schwelle zur Rezession" Alan Greenspan sieht "eindeutige Anzeichen". (Wiener Zeitung vom 15.1.2008)

WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG?
Sicherlich ist es nicht die Verantwortung der betroffenen Verbraucher, denen ohne nachweisbares Einkommen und Vermögen für den der Begriff NINJA loan steht – No Income, No Job, No Assets" – Immobilienfinanzierungen allein auf Erwartung steigender Immobilienpreise angeboten wurden. Diese sind zuerst betroffen: Allein in den USA wurden im Jahr 2007 wahrscheinlich 2 Millionen Zwangsversteigerungen betrieben (Welt Online vom 23.12.2007 spricht von 1,8 Mio. in den ersten neun Monaten) und eine unbekannte Millionenzahl von Hauseigentümern kann derzeit seine Zinsen nicht mehr bezahlen. US-Bürger leiden dazu zunehmend unter der Belastung von Kosten durch Kreditkartenkredite mit exorbitanten Zinsen und Gebühren.
Das Risiko ist durch das unkontrollierte Angebot derartiger Finanzierungen entstanden, die durch die amerikanische Lebensart – Leben auf Kredit, Hauseigentum als Standard – begünstigt wurde. Das Angebot hat hier die Nachfrage geschaffen. Der Weiterverkauf derartiger Risiken lag auf der Hand, weil eine Bank selbst eine derartige Anhäufung von Risiken allein gar nicht hätte tragen können. Damit wurde die Risiken und damit das Problem zuerst gestreut und kommt nun als Lawine in Form einer allgemeinen Vertrauenskrise zurück, die nicht nur die Bankenwelt erfasst hat, sondern unkontrolliert auf die anderen Märkte übergreift. Die Verantwortung liegt daher primär bei der Kreditvergabepraxis und der fehlenden Aufsicht.

Verwunderlich ist dabei, dass der fallende Wert der verbrieften Produkte bis zum Entstehen der Krise nicht aufgefallen ist. So hat sich das Rating der Produkte nicht verändert und die Unverkäuflichkeit trat urplötzlich auf. Dazu kam die Umgehung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften durch die Auslagerung der Risiken in Form von Zweckgesellschaften, deren Ergebnisse und Risiken nicht in den eigenen Bankbilanzen vorkamen.

Die Mischung aus scheinbarer Sicherheit durch festverzinsliche Papiere mit grundpfandrechtlicher Absicherung mit hohen Ausfallrisiken und komplexen Vertragsbedingungen führte dazu, dass vermeintlich risikoarme Produkte weltweit gekauft wurden, ohne dass die Käufer sich der Risiken bewußt waren.

DIE LAWINE ROLLT
Aus der eigentlich regional und marktmäßig begrenzten US-Subprime-Krise wurde so eine weltweite Vertrauenskrise der Banken untereinander, so dass die Zentralbanken mehrfach gezwungen waren, die Finanzmärkte mit Liquidität zu versorgen. Besonderen Ausdruck fand die Krise in Deutschland mit dem Management des DAX-Unternehmens Hypo Real Estate, das bei Aufkommen der Krise jegliche Betroffenheit verneinte und nun Verluste in Höhe von über einem Drittel seines Börsenwertes an einem einzigen Tag hinnehmen musste, ein Novum in der Geschichte des DAX.

Ein weiteres Krisenereignis ist Northern Rock in Großbritannien, wo der Staat derzeit versucht, die durch die Subprime-Krise angeschlagene Bank zu verkaufen. Weil dieses bisher ohne Erfolg ist, überlegt der Staat, die Bank zu verstaatlichen ohne den Aktionären von Northern Rock ein Pfund dafür zu bezahlen. Selbst die Abwicklung einer insolventen Bank – die eigentlich logische Schlussfolgerung – ist derzeit für die Regierung zu risikohaft, weil das generelle Vertrauen in die Bank- und Finanzenwelt dadurch noch mehr erschüttert würde.

Weitere Fälle sind Countrywide in den USA, IKB und SachsenLB in Deutschland.

WAS SIND DIE LEHREN DARAUS?
Unabhängig, wie diese Krise sich weiter entwickelt, zeigt sie auf dramatische Weise die zunehmende Bedeutung von Verbraucherschutz und –recht im Retail-Geschäft. Aus einem ökonomisch scheinbar unbedeutenden Randgebiet wird ein zentraler Knotenpunkt, der über die Börsenkurse der wichtigsten Banken auf der Welt entscheidet und als Auslöser einer möglichen Rezession gehandelt wird. Nicht ohne Grund ist die Diskussion über den Verkauf von Darlehen auch in Deutschland seit einigen Monaten ein großes Thema in den Medien und der Politik.

Damit rücken Themen wie die „Verantwortliche Kreditvergabe” in das Rampenlicht. Es wird in Zukunft nicht mehr darum gehen, sich als Anbieter oder Politiker dem Thema mit kleinen Aufmerksamkeiten zu nähern, denn es geht um die Bewältigung einer handfeste Krise, die sich, wenn nicht schon jetzt, dann beim nächsten Mal zu bedeutenden ökonomischen Problemen ausweiten kann. Dazu gehört auch die Frage, wie viel Verschuldung von Verbrauchern sich das Finanzsystem und damit schließlich unsere Gesellschaft leisten kann.

Verbraucherpolitik und Verbraucherschutz bekommt damit im Finanzdienstleistungsbereich eine völlig neue Dimension. Überschuldung von Privatpersonen ist damit nicht mehr nur eine von der Finanzwelt in der Regel wenig beachtete „Sozialarbeit” für gescheiterte Existenzen, für die nicht mehr die Banken, sondern bitte schön der Staat zuständig sein soll. Prävention von Überschuldung durch finanzielle Allgemeinbildung, kundengerechte Beratung bei der Kreditaufnahme und partnerschaftliche Begleitung in der Krise werden Themen sein, denen sich Anbieter und Politik in Zukunft verstärkt annehmen müssen, um ökonomische Schäden zu vermeiden, die die gesamte Weltwirtschaft in Gefahr zu bringen.

Darüber hinaus muss der gesamte Handel mit verbrieften Krediten und die Aufsicht überdacht werden sowie die Rating-Agenturen in die Verantwortung gezogen werden.

Der verantwortungsvolle Umgang der Finanzdienstleister mit dem Verbraucher ist damit auch ein Garant für eine stabilere Wirtschaft. Dafür ist es notwendig, Standards für Anbieter zu erarbeiten und wo es notwendig ist durch einen gesetzlichen Rahmen die Bedingungen für eine verantwortliche Kreditvergabe zu verbessern. Dafür setzt sich seit einigen Jahren die ECRC als Koalition für die verantwortliche Kreditvergabe europaweit ein.

Letztendlich geht es auch um die Frage, ob der Gesetzgeber nicht Regeln für die Kreditvergabe schaffen und die Umgehung sanktionieren sollte, um derartige Risiken in Zukunft zu vermeiden. Der Weg über eine verantwortliche Kreditvergabe und selbstregulierenden Mechanismen ist dabei aus ökonomischer Sicht der sinnvollere Weg. Schafft das der Markt in den nächsten Jahren aber nicht aus sich selbst heraus, bleibt der Ruf nach effektiverer Aufsicht und gesetzgeberischen Maßnahmen.