ZERREDEN DES PROBLEMS

Der Deutsche Bundestag hat in mehreren Hearings sich mit dem Problem der Kontolosigkeit beschäftigt und wie schon seit Jahren droht wieder einmal ein Zerreden des Problems.

VERGESSENE GESETZENTWÜRFE ZUM RECHT AUF EIN GIROKONTO

Nachdem SPD und Grüne noch vor ihrer Regierungszeit Gesetzentwürfe für das Recht auf ein Girokonto einbrachten, vergaßen sie diese Initiativen, als sie sie hätten durchbringen können. Stattdessen gibt es nun alle zwei Jahre Berichte darüber, inwieweit die für die einzelnen Banken vollkommen unverbindlichen Selbstverpflichtung zur Einrichtung solcher Konten wirksam sind. Das iff findet nunmehr bei 12.000 überschuldeten Haushalten in seiner CAWIN Statistik ca. 15% Kontolose und zwar schon im zweiten Jahr. Das wären hochgerechnet mehr als eine halbe Millionen Kontolose in Deutschland allein wegen der Überschuldung. Hinzu kommen diejenigen, die gar nicht erst einen Kredit bekommen haben.

Während Frankreich und Belgien ein gut funktionierendes Recht auf ein Girokonto im Gesetz verankert haben, bieten Österreich und die Niederlande und auch die englische Post Alternativen an.

GESETZENTWURF ZUM PFÄNDUNGSSCHUTZKONTO

Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zu einem sog. P-Konto vorgelegt, auf dem 1000 € pfändungsfrei sein sollen. Damit hoffte sie, die Sparkassen auf ihre Seite zu ziehen, weil die 300.000 Kontopfändungsversuche damit ausgetrocknet werden könnten, wenn sie von vornherein aussichtslos sind. Als sie aber merkten, dass der Pfändungsschutz auch gegenüber ihren Forderungen aus Kontoüberziehung gilt, ging die Euphorie merklich zurück und man schützt nun technische Schwierigkeiten vor.

DIE SPARKASSEN VERLIEREN DAS INTERESSE

Jetzt scheint man ein anderes Modell zu bevorzugen, das ausgerechnet der Deutsche Anwaltsverein einbrachte: Gläubiger von außen sollen der Bank eine Gebühr für den Pfändungsversuch bezahlen. Dann würde man an fruchtlosen Pfändungen noch verdienen und hätte selber weiterhin gratis Zugriff, um die für die ausstehenden Ratenzahlungen getätigten Überziehungen in Konto (die ja Zinsen wieder verzinslich machen) auch noch aus pfändungsfreien Beträgen abdecken zu können. Das geht natürlich rechtsstaatlich nicht, auch wenn es dafür eine Sachverständigenmeinung gibt. Derselbe Sachverständige brachte dann auch gleich das übliche Missbrauchsargument: Stellen Sie sich mal vor, ein Sozialhilfeempfänger eröffnet sieben P-Konten. Na ja, das haben wir uns dann mal vorgestellt mit SCHUFA-Eintrag und Kontogebühren sind aber doch zu der Brechtschen Überzeugung gekommen, dass ein Bankraub in dem Falle einfacher zu handhaben ist.

BEERDIGUNG DRITTER KLASSE?

Es sieht schon fast nach einer Beerdigung des insgesamt guten Regierungsentwurfs im Finanzausschuss des Bundestages aus, nachdem der SPD-Vertreter dort die Bankenvertreter (!) fragte, ob sie so etwas technisch überhaupt machen könnten. Die Antwort war ja dann auch nicht unvorhersehbar. Der CDU-Vertreter fand den Missbrauch besonders spannend und die FDP Vertreterin meinte, ob man nicht den Leuten lieber beibringen sollte, gar nicht erst Kredite aufzunehmen. Immerhin erinnerte der Abgeordnete der Grünen sporadisch daran, dass dies Gesetz ja nicht als Verwaltungsentlastungsgesetz für Sparkassen gedacht sei sondern den Überschuldeten Anteil am Wirtschaftsleben sichern solle, obwohl er auch sich an Missbrauchsfällen hochhangelte, dann aber doch sah, dass man damit auch schon die Arbeitslosen statt die Arbeitslosigkeit bekämpft hatte.

ZURÜCK ZUR DEBATTE UM DIE KONTOLOSIGKEIT – DIE HAMBURGER KONFERENZ WIRD 6. JUNI DAS PROBLEM DISKUTIEREN

Das P-Konto ist eine interessante Erfindung. Man sollte es aber von dem Recht des Kunden befreien, unpfändbare Beträge vorzutragen. Das führt zu unendlichen Problemen, die unnötig sind, weil der Kunde ja auch sein Guthaben am Ende des Monats abheben kann, falls wirklich mal etwas übrig sein sollte.

Nur es macht ohne das Recht auf ein Girokonto auf Dauer keinen Sinn. Hatte die HASPA ihre überschuldeten Kunden noch mit einer besonderen Kontonummer geehrt, so ordnet nun der Gesetzgeber ganz offiziell eine Stigmatisierung an. P-Kontoinhaber zu sein dürfte sich wirtschaftlich nicht als Zugangsgarantie erweisen, es sei denn, diese Information fiele unter das Bankgeheimnis, was aber wegen der Gläubigerabweisung nicht geht.

DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ NOTWENDIG

Wir brauchen einen Passus im Anti-Diskriminierungsgesetz, der den dortigen arbeitsrechtlichen Schutz auf Finanzdienstleistungen ausweitet, einen Zwang zur Ablehnungsbegründung wie im US-amerikanischen Recht einführt und dabei die sachwidrige Diskriminierung wegen Überschuldung beim kreditfreien Konto (für das ich keine Kreditwürdigkeit brauche) als Tatbestand aufnimmt. Dann gäbe es Schadensersatzansprüche gegen die Banken und vor allem Statistiken und Ratings für best und worst practice. Das passt gut zum deutschen System der "Pflicht zur Rücksichtnahme" mit Schadensersatzanspruch (§§241, 311 BGB)

Wir dokumentieren die Stellungnahme von Reifner im Bundestag zur Kontolosigkeit.