Zum Altersvorsorgeberatungstest von IMWF (Wilhelm Alms)
Herr Alms, früherer Vorstandsvorsitzender der Unternehmensberatung Mummert & Partner hat sich unter die Verbraucherschützer gemischt. Arbeitet er üblicherweise allein für die Anbieterseite, wo er die „Umsetzbarkeit von Forschungsergebnissen in der Managementpraxis“ (so seine Website) betreut, so hat er sich jetzt der Anliegen der kleinen Leute angenommen – allerdings ausgerechnet gegenüber der einzigen Institution, bei der diese Leute unabhängigen Rat in Finanzfragen erhalten können. Das Ergebnis ist dann auch nicht ermutigend.
Verbraucherzentralen beraten – Wozu?
Verbraucherzentralen bieten neben ihrer verbraucherpolitischen Rolle auch Beratungsdienstleistungen an, bei denen sie im engen Kontakt mit der Praxis die Probleme der Bürger nicht nur beim Finden adäquater Produkte sondern auch mit den Anbietern frei liefern. Dies ist die Basis dafür, dass die Verbraucherzentralen strukturell wirksam auf Verbesserungen dringen können und dabei auf Fehlentwicklungen wie z.B. die Lehman-Zertifikatverkäufe einiger Sparkassen und Geschäftsbanken oder die überhöhten Tarife der Stromversorger, systematische Benachteiligungen im Hypothekenkredit mit rechtlichen Mitteln und Marktinformation reagieren können. Sie sind damit den Anwälten und erst Recht den von den Banken bestellten Ombudsleuten überlegen, die zu einer Einzelfallbereinigung führen, die weder für den Markt noch für die Masse derjenigen ausreichend ist, die sich selber nicht helfen können. Sie sind aber auch den vielen provisionsabhängigen Finanzberatern überlegen, bei denen meist das Produkt schon feststeht, bevor der Verbraucher überhaupt sagen kann, was er möchte.
In den iff-Tests zur Altersvorsorge in den letzten 15 Jahren für Stern, Ökotest und den NDR stellte sich besonders bei den Anbietern heraus, dass sie alle dasselbe problematische Produkt, die Rentenversicherung verkauften, weil die nun einmal auch für Banken das schnelle Geld durch sofortige überhöhte Provisionen verspricht und zudem mit ihren schlechten Rückkaufswerten das Geld der ärmeren Verbraucher vor allem sich selber aber dann auch den Reicheren, die keine Störungen haben, übergeben.
Hamburg und München – die Versicherungsmetropolen melden sich zu Wort
Vor allem der Versicherungsindustrie, der nun endlich für ihre täuschenden Produkte die staatliche Förderung genommen wurde, wodurch das Argument, der Staat würde gerade sie empfehlen, entfiel, ist die Kritik der Verbraucherzentralen und hier insbesondere aus Hamburg immer ein Dorn im Auge gewesen, müssen sie doch jetzt dem Kunden, wenn sie nicht einfach weiter von staatlichem Siegel faseln, die Vorzüge des in vielen Teilen für Verbraucher schlechten Produktes selber erklären und zudem noch auf einen gesetzlich verordneten Widerruf gefasst sein.
Dass sie gerne den Spieß umdrehen würden und den Verbraucherzentralen schlechte Beratung vorwerfen würden, wenn damit auch zugleich deren öffentliches Auftreten gegen die Kapitalrentenversicherung getroffen werden könnte, versteht sich von selber. Umgekehrt ist es aber auch richtig, dass für die Verbraucherzentralen die Einzelberatungen nicht nur Service am Verbraucher sondern wichtige Informationsquelle für ihre politischen Aktionen sind (siehe dazu den in den achtziger Jahren entwickelten Ansatz zur Finanzberatung als Aktionsforschung in Reifner/Volkmer, Neue Formen der Verbraucherrechtsberatung, Ffm 1985).
Ohne die Arbeit der Verbraucherverbände gäbe es nämlich weder eine Rechtsprechung, dass den Verbrauchern bei frühzeitigem Abbruch von Kapitallebensversicherungen zumindest die Hälfte der eingezahlten Beiträge zurückgezahlt werden muss noch ein Ausweis der Provisionen in Euro bei Versicherungsprodukten. Banken würden bis heute ihre variablen Zinssätze beliebig ändern, Überschuldeten Girokonten ohne Nennung der Gründe verweigern und weiterhin Verbrauchern spekulative Zertifikate als eiserne Reserve verkaufen, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gäbe auch keine Diskussion über Dokumentationspflichten, Ausbildungs- und Beratungsstandards.
Man muss also zunächst die Beratung der Verbraucherzentralen verstehen, bevor man sie evaluiert. Das kann man weder von Herrn Alms noch von dem Artikel in Focus Money oder von der Versicherungsindustrie sagen.
Verbraucherzentralen müssen evaluiert werden – aber richtig
Umgekehrt reicht es aber nicht, die strukturelle Bedeutung der VZen hervorzuheben, um evtl. Schwächen in der Individualberatung zu verniedlichen. Das iff hat in den Öko-Test-Heften die Altersvorsorge-Beratung der Verbraucherzentralen im Jahr 2004 neben den Angeboten von Strukturvertrieben, Banken und Sparkassen untersucht und bewertet und auch hier durchaus unterschiedliche Resultate erhalten, die zu Diskussion und Verärgerung auch bei Betroffenen geführt haben. Es wird dies auch weiterhin inzwischen auf ausdrücklichen Wunsch einzelner Zentralen tun.
Doch auch in der Einzelberatung unterscheidet sich eine Verbraucherzentrale deutlich von den Beratungen der Struktur- und Haustürvertreter.
Der wichtigste Unterschied ist das Vertrauen, dass diese Berater bei Verbrauchern genießen, die sich inzwischen daran gewöhnen mussten, dass in Deutschland ihnen jedes Produkt aufgeschwätzt wird, weil es mit hohen Provisionen selbst am Bankschalter versehen wird.
Verdummung mit „Rentenlücke“
Dann aber staunt man über den Begriff der „Rentenlücke“, die man angeblich berechnen kann. Das ist eine Verkauferfindung der Anbieterseite und kann irreführender gar nicht sein. Das iff hat in seinen Altersvorsorgeuntersuchungen immer wieder darauf hingewiesen, dass man im Alter viele Vermögen haben kann und braucht: neben das Geldvermögen gehört noch Sachvermögen (Haus, Auto), Gesundheitsvermögen, Sozialvermögen (Familie, Freunde, Umfeld) und Arbeitsvermögen (Kosteneinsparung, Einkommen). Es stellt eine unsinnige Verkürzung dar, den Menschen eine „Rentenlücke“ zu suggerieren, wenn nicht gleichzeitig die Alterssituation evaluiert wird. Die Verbraucherzentralen haben sich zu Recht gewehrt, eine solche Reduktion der Altersvorsorge auf die Produkte der Versicherungsindustrie mitzumachen. Den „tatsächlichen Bedarf“, den Herr Alms für das Alter scheinbar standardisiert angeben kann, würden wir gerne einmal vorgerechnet bekommen.
Produktempfehlungen – gut, falsch oder überlüssig?
Der Versicherungsindustrie gefällt seit langem schon nicht, dass die Verbraucherzentralen vor allem öffentlich vor ihren Produkten in der Altersvorsorge warnen. Dazu haben sie guten Grund. Ob überhaupt ein Produkt empfehlenswert ist oder nicht besser das wenige Geld in die Ausbildung der Kinder gesteckt werden sollte, oder man etwas für seine Gesundheit tun könnte, das muss ein Berater der Verbraucherzentralen abwägen. Die Versicherungsvertreter bringen es hier fertig, jungen Paaren die Einsicht beizubringen, dass sie sich eigene Kinder wegen ihrer privaten finanziellen Altersvorsorge nicht leisten können.
Risikobereitschaft in der Altersvorsorge – wirklich?
Die Tester bemängeln, dass nicht nach Risikobereitschaft gefragt wurde. Sie übersehen, dass Altersvorsorge und Spekulation nicht zusammengehören, es sei denn der Kunde selber verlangt danach. Das aber wurde nicht getestet. Berater, die solche Alms’schen Fragen stellen, suggerieren den Kunden bereits etwas Falsches. Hat der Berater direkt oder in Broschüren darauf hingewiesen, dass wer im Alter Geld braucht, auch sicher sein muss, dass er es dort erhält, dass also „wo Altersvorsorge draufsteht auch Altersvorsorge enthalten ist“, dann ist es verfehlt und Verbraucherschädigend, Risikobereitschaft zu erfragen. Bei den Anbietern ist dies etwas anderes, weil es hier um ihre Haftung für den Verfall angeratener Anlagen geht.
Anlage von 150 pro Monat – eine gute Frage zur Altersvorsorge?
Herr Alms kam in der Verbraucherzentrale mit der Frage an, wie er 150 pro Monat am besten anlegt. Er hat also Geld übrig und nicht zu wenig Geld im Alter. Die Frage drängt den Berater in die falsche Richtung und wurde von jemandem erdacht, der nicht die Bedürfnisse der Verbraucher kennt, dafür diejenigen der Versicherungsindustrie, die nämlich gerne solche 150 anlegen bzw. als Provision einnehmen möchte.
Fazit: Gut, dass Herr Alms nicht der Berater war.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei der vorliegenden Studie um eine von der Versicherungsindustrie gewünschte Studie handelt, um einen unliebsamen Kritiker der Versicherungsindustrie zu treffen. Die Presse, allen voran der Münchener Focus, haben mitgemacht. Eigene Evaluationen von Testdesign und Anspruch fehlen. Das durchführende Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) ist bisher nicht durch Tests der Beratungsqualität im Bereich Finanzdienstleistungen aufgefallen. Der Geschäftsführer des IMWF ist Roland Heintze (CDU-Hamburg). Im Beirat sitzt Heiko Franken, „an active member of the Insurance Core Group and global topic leader for Marketing & Sales in Insurance”, Professor Sarges, der für die Allianz forscht, und Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler, Vorstandsmitglied der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG sind weitere Mitglieder. Das IMWF verschreibt sich der Verbindung von Finanzindustrie und Wissenschaft. Verbraucherschutz taucht auf der Homepage nicht auf.
Wissen muss man auch, dass die Industrie gerade erst vergeblich versucht hatte, der Hamburger Verbraucherzentrale den „Ampelcheck Geldanlage” zu verbieten.
Mit einer solchen Auftragsforschung kann der Schaden, den die Versicherungen und Strukturvertriebe, die Banken und Sparkassen in den letzten Jahren durch Falschberatung bei den Verbrauchern anrichteten, nur vergrößert werden. Zu den Mittelkürzungen bei den Verbraucherzentralen kommen jetzt noch unqualifizierte Angriffe auf ihre Vertrauensstellung beim Publikum. Dabei haben sie bei der Kapitallebensversicherung gerade in den letzten Jahren endlich etwas erreicht. Die Benachteiligung der unteren Schichten über die Rückkaufswerte, die ausufernde Provisionspraxis, die verdeckten Preisangaben – alles dies wurde besser geregelt und in der Riester-Rente sogar verdeckte Verschuldung der Verbraucher durch Anfangsprovisionen abgemildert, auch wenn die Regierung die Zillmerung von 10 wieder auf 5 Jahre verkürzte.
Herr Alms sollte sich doch besser wieder der „Zertifizierung wie beispielsweise Hamburgs bester Arbeitgeber“ (so seine Website) widmen.
Die Verbraucherzentralen aber brauchen tatsächlich mehr Evaluation und Tests. Die aber müssen den Zielen und Vorzügen dieser Institution auch gerecht werden. Es reicht dabei der „gute Wille“ nicht aus, weil gut gemeint auch schlimmer als schlecht sein kann. Deshalb geht es um die Entwicklung akzeptabler Testdesigns sowie um die Bereitstellung von Mitteln durch den Staat, dass die Verbraucherverbände diese Evaluation ohne Einmischung der Anbieter so durchführen können, wie dies üblicherweise die Anbieter es in ihren Untersuchungen zur eigenen Servicequalität auch ohne die Sensationspresse tun. Gegenseitiger Respekt im Qualitätsmanagement ist besser als wissenschaftlich verbrämte Politik. (UR/AT)