Große Reform der Verbraucherinsolvenz in Deutschland – Leutheusser-Schnarrenberger verspricht Halbierung der Zeit bis zur Restschuldbefreiung
Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich beim 7. Deutschen Insolvenzrechtstag im Deutschen Anwaltverein am 18. März 2010 in Berlin unter anderem zur Zukunft des Verbraucherinsolvenzrechts geäußert. Danach soll die Wohlverhaltensphase auf drei Jahre halbiert werden. Das iff begrüßt den Vorschlag, da die Entschuldungsmöglichkeit in Deutschland immer noch viel zu lange dauert. So beträgt der gesamte Überschuldungsprozess in Deutschland – bis zur vollständigen Entschuldung und Löschung aller Negativmerkmale – nach den Ergebnissen einer Pilotstudie (iff-Überschuldungsreport 2009, S. 22) durchschnittlich 13 Jahre.
Wir geben die Rede der Justizministerin nachfolgend in Auszügen im Wortlaut wieder:
„Meine Damen und Herren,
im Mittelpunkt der zweiten Stufe der Reformarbeiten steht die Verbraucherinsolvenz. Hier wollen wir die gütliche Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern fördern. Gute Ansätze könnten die Stärkung des vorgerichtlichen Einigungsversuchs sein und die Möglichkeit, die Zustimmung zur Einigung notfalls durch eine Entscheidung des Gerichts zu ersetzen.
Reformbedarf sehe ich auch noch an anderer Stelle. Unternehmensgründer, aber auch überschuldete Verbraucher sollen nach einem Fehlstart möglichst schnell wieder auf die Beine kommen. Sie sollen sich schon bald wieder produktiv am Wirtschaftsleben beteiligen können. Deshalb möchte ich die Zeit bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung von derzeit sechs auf drei Jahre halbieren. Dies haben wir schon im Koalitionsvertrag festgelegt.
Natürlich werden dabei einige Folgeänderungen zu bedenken sein. Es ist nicht damit getan, die Zahl „sechs“ durch die Zahl „drei“ zu ersetzen. Schon jetzt treten Unstimmigkeiten auf, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung endet, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben wurde und die eigentliche Wohlverhaltensperiode beginnen kann. Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Schwierigkeiten mit der Abkürzung des Fristlaufs nicht noch häufen.
Vor allem aber müssen wir bei den Änderungen die Rechte der Gläubiger wahren und auch dafür sorgen, dass die Haushalte der Länder nicht übermäßig belastet werden. Eine Halbierung der Wohlverhaltensperiode senkt die Chance, dass die Gläubiger ihr Geld und die Staatskasse die gestundeten Verfahrenskosten bekommen. Wir prüfen daher, ob die Restschuldbefreiung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden soll, etwa die Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote oder die Deckung der Verfahrenskosten.
Ein anderer Punkt, den wir angehen sollten, hat etwas mit dem Stigma zu tun, das derzeit noch immer mit dem Begriff der Insolvenz verbunden ist. Wir sollten überlegen, ob wir ein Sanierungsverfahren schaffen, das schon vor einer Insolvenz greift. Ob das außerhalb der Insolvenzordnung angesiedelt wird, muss genau geprüft werden. Ein Blick in Nachbarländer wie Großbritannien oder Frankreich zeigt, dass dort so etwas Schule macht, und zwar mit dem erklärten Ziel, möglichst frühzeitig, eine drohende Insolvenz abzuwenden.
Ein eigenständiges Sanierungsverfahren wäre ein völlig neuer Ansatz, den man mit Augenmaß umsetzen müsste. Es müsste vor allem zur Insolvenzordnung passen und mit ihr ein schlüssiges Gesamtkonzept bilden. Hier sind noch eine Menge Fragen offen: Soll dabei auch ein Gericht eingebunden sein? Unter welchen Voraussetzungen kann man diese Sanierung beantragen? Und wie steht es mit dem Vollstreckungsschutz? Für den Schuldner ist so ein Schutzschirm sinnvoll, um ernsthafte Sanierungsbemühungen zu unterstützen. Allerdings muss auch vermieden werden, dass der Schuldner unkontrolliert die letzten Masse für einen Sanierungsversuch verbraucht, der von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.
Sie sehen, meine Damen und Herren, ein derart anspruchsvolles Projekt muss mit großer Sorgfalt angegangen werden. Ich bin aber entschlossen, dies zu tun und bin mir sicher, dass wir hier gute und praxistaugliche Lösungen finden werden.“