Eine Studie des instituts für finanzdienstleistungen e.V. (iff) gemeinsam mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten hat ergeben, dass kein Land ohne Zinsgrenzen ist. Das traditionelle Wucherverbot wird heute fast überall durch Restriktionen bei Verzugszinsen, Zinsverrechnungsarten und einseitigen Zinsanpassungen ergänzt. Mehr als die Hälfte verfügen zudem über feste Zinsobergrenzen, die damit den Kreditmärkten einen Rahmen geben. Es gibt allerdings erheblich Unterschiede zwischen einer eher liberaleren und einer restriktiveren Zinskultur.

Die Unterschiede bei der Höhe der Obergrenzen sind zudem erheblich. So beläuft sich die Obergrenze in Slowenien beispielsweise auf jährlich 453 Prozent für einen Kleinkredit und auf 13,2 Prozent p.a. für einen langfristigen Kredit. In Frankreich hingegen liegen die Zinsobergrenzen für verschiedene Kreditformen zwischen 5,72 Prozent p.a. und 21,63 Prozent p.a. (Stand März 2010). Umstritten bleiben die sozialen Auswirkungen. Während aus ökonomischer Perspektive eine Verknappung des Kreditangebots in solchen Kreditarten bei Schuldnern mit geringem Einkommen befürchtet wird, werden juristisch die Zinsgrenzen als Gebot angesehen, zu verhindern, dass die Schwächeren, denen das Recht Schutz verspricht, nicht alleine die Kosten des allgemeinen Armutsrisikos tragen müssen und damit erst die Belastung geschaffen wird, die diese Gruppe gefährdet. Dabei können Zinsrestriktionen nicht ohne Rücksicht auf das Vergabesystem beurteilt werden, bei der eine Pflicht zur „verantwortlichen Kreditvergabe” neben staatlichen Maßnahmen steht.

Bei der Durchsetzung der Zinsrestriktionen gibt es der Studie zufolge große Unterschiede. So sind Staaten mit administrativen Grenzen erfolgreicher als Staaten mit rein gerichtlich festgestellten Grenzen. „Starre Zinsbegrenzungen können dazu führen, dass die Kostenbelastungen auf Gebühren und Provisionen jenseits des Zinses verschoben wird” gibt Sebastien Clerc-Renaud zu bedenken.

Ein Überblick über bestimmte Kreditformen zeigt zudem, dass weniger bewusst aufgenommene Kredite wie die Kontoüberziehung oder der Kreditkartenkredit erheblich höhere Zinsbelastungen aufweisen, als am Zweck der Kreditaufnahme orientierte Raten- und Hypothekenkredite.

„Die Frage der Zinsrestriktionen ist nur interdisziplinär zu beantworten, weil neben der ökonomischen Rationalität die Kreditsysteme in Europe eine lange historische Tradition haben, die mit den Gerechtigkeits- und Verantwortungsstrukturen in Wirtschaft und Gesellschaft verbunden sind” erklärt der Direktor des iff, Prof. Udo Reifner.

Im zweiten Teil untersucht das ZEW, inwieweit sich empirisch nachweisen lässt, dass Zinsrestriktionen zum Ausschluss aus der Kreditvergabe für Personen mit geringem Einkommen bzw. bei Kleinkrediten führen. Dabei ist die Analyse durch die Nachfrage beeinflussende Faktoren erschwert, so beispielsweise die unterschiedliche Einstellung gegenüber der Aufnahme von Krediten in verschiedenen Ländern.

Zinsrestriktionen können die Angebotsseite des Marktes beeinflussen, wenn sie Kreditformen mit besonders hohen Zinskosten reglementieren. Auf diese Weise ist es möglich, dass bestimmte Produkttypen nicht wirtschaftlich einträglich angeboten werden können. Die Festsetzung einer Zinsobergrenze könnte somit den Kreditzugang derjenigen Verbraucher erschweren oder gar unterbinden, die als besonders hohes Risiko hinsichtlich eines Kreditausfalls eingestuft werden und die vor allem Kleinkredite nachfragen.

Die Studie plädiert daher dafür, die Vor- und Nachteile eines einfachen oder erschwerten Kreditzugangs für unterschiedliche Verbrauchergruppen genau abzuwägen. „Politischen Entscheidungsträgern mag es sinnvoll erscheinen, den Kreditzugang jener Verbraucher zu erschweren, die andernfalls uninformierte oder irrationale Kreditaufnahmen tätigen würden. Jedoch können derartige Entscheidungen auch die Falschen treffen und gut informierte und rationale Verbraucher vom Kreditmarkt ausschließen”, sagt Christian Dick, Wissenschaftler am ZEW.

Die vorliegende Studie zeigt auch, dass die von Zinsrestriktionen betroffenen Segmente des Kreditmarkts vergleichsweise klein sind. So sind negative Auswirkungen solcher Regulierungen auf das Gesamtvolumen der Verbraucherkredite und somit auf den gesamten Konsum der privaten Haushalte eher unwahrscheinlich.

Im Rahmen der Studie wurde auch die wissenschaftliche Belastbarkeit einiger Aussagen überprüft, die im Zusammenhang mit Zinsobergrenzen weit verbreitet sind. So lassen sich beispielsweise keine überzeugenden Beweise für die Behauptung finden, dass die Einführung von Zinsrestriktionen zu einer Zunahme bei der illegalen Aufnahme von Krediten führt oder Verbraucher dazu zwingt, von ihnen eingegangene Zahlungsverpflichtungen zu verzögern oder sogar ganz einzustellen. Die Studie findet allerdings auch keinen Beweis dafür, dass Zinsrestriktionen Verbraucher generell davor schützen, in die Überschuldung zu geraten.

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Anmerkung:
Zinsrestriktionen umfassen alle gesetzlichen Regeln, die den Preis eines Kreditvertrags beschränken. Dies kann entweder direkt (z.B. durch eine Obergrenze) oder indirekt (z.B. durch Regelungen zur Berechnung des Zinseszins) geschehen. Alle 27 EU-Mitgliedstaaten bekennen sich zum Prinzip der „guten Sitten” oder „Fairness” (d.h. zu einem expliziten oder impliziten Verbot der absichtlichen Ausnutzung der Schwächen anderer durch Wucherpreise). Nur in zwei Ländern (Irland und Rumänien) gibt es feste Zinsobergrenzen für den Verzugszins. In 14 EU-Mitgliedstaaten existieren Obergrenzen für den vertraglich geregelten Zinssatz.