Der Hehler ist schlimmer als der Stehler. Das gilt auch in der Finanzkrise.
386 Mio. Euro hat der amerikanische Steuerzahler für Garantien gezahlt (SZ v. 4.5.2011, S. 17), die nach Auffassung der Regierung von der DB-Tochter dort erschwindelt und für wertlose Hypothekenkredite verwendet wurden. Täter war die MortgageIT, die die DB kurz zuvor gekauft hatte.
Nach einem Bericht der LA Times v. 3. Mai 2011, aus dem wir hier in eigener Übersetzung zitieren, hat
„die amerikanische Zentralregierung mehr als $1 Mrd. von der Deutschen Bank mit einer Betrugsklage verlangt. Damit wird eine neue Front bei der Bestrafung von Banken aufgebaut, die mit Hypothekenkrediten ohne Kreditwürdigkeitsprüfung die Finanzkrise heraufbeschworen haben. Die Klage wurde am Dienstag in New York gegen MortgageIT einer Tochter der DB eingereicht. Sie habe gewissenlos 39.000 Hypothekenkredite für eine Deckung durch eine staatliche Hypothekengarantie für Wohneigentum eingereicht und dabei in unverantwortlicher Weise die Prüfung unterlassen, ob die Kreditnehmer überhaupt die monatlichen Raten bezahlen konnten. Die Bank soll nach der Klageschrift wiederholt gegenüber der Regierung über die Qualität der Kredite und darüber, was sie unternommen habe, um die Probleme in den Griff zu bekommen, gelogen haben.
Der Generalstaatsanwalt sagte: „Vorsicht wurde durch Profitgier übertrumpft, Treu und Glauben fiel den hohen Provisionen zum Opfer“
Das Bundeswohnungsministerium in Washington hat bereits $386 Mio für Versicherungsleistungen gezahlt, die auf notleidende Kredite der MortgageIT entfielen. Die Behörde erwartet, dass die Zahlungen auf $1,3 Mrd. noch steigen werden. Mit der Klage möchte die Staatsanwaltschaft erreichen, dass die Deutsche Bank das Dreifache dieser Verluste bezahlen muss. Außerdem verlangt sie strafenden Schadensersatz.“
Beratung und Vermittlung ist lukrativ
Ähnliche Fälle wurden auch in anderen Staaten ausgelöst, wo man Falschberatung in der Finanzkrise geltend machte. Die Stadt Los Angeles klagt gegen die Deutsche Bank, weil sie sich dort als Slumlord betätigt und nicht die Rechte der Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewahrt habe. Ein mittelständisches Unternehmen bekam gegen die DB auch in Deutschland vor dem Bundesgerichtshof Recht. Auch Kommunen sind die Opfer.
Allen Fällen gemeinsam ist, dass die Bank nicht der Täter ist sondern nur Intermediär. Sie rief entweder Selbstschädigungen hervor oder sorgte dafür, dass die Folgen der Schädigung wie in den USA auf Dritte, insbesondere die öffentliche Hand, abgewälzt wurden.
Während die Bank danach wieder Traumrenditen erzielt, müssen die schlechten Banken abgewickelt, Staatshaushalte saniert und Sozialprogramme zurückgefahren werden. Die Rolle als Marktführer gibt einen erheblichen Informationsvorsprung. Wo es etwas zu verdienen gibt, ist man zuerst da, wo die Verluste eintreten ist man bereits abgereist.
Die Unschuld der Nicht-Täter
Das könnte vieles in der Bankenkrise erklären. Hier haben sich in merkwürdiger Weise alle Verluste auf wenige staatlich gelenkte oder beeinflusste Institute – Berliner Bank, Landesbanken und wohl auch HRE – konzentriert. Da muss man geradezu mutmaßen, im Hintergrund haben jemand davor bewusst für die Entstehung solcher Mülldeponien für Junkbonds und schlechte Kredite gesorgt, weil man durch diese Konzentration eine staatliche Entsorgung des finanziellen Atommülls erzwingen konnte. Dass die führende Bank in Deutschland, die als heimliche Bankenaufsicht angesehen wird und in der Herstatt-Krise eindrucksvoll bestätigte, dass sie mehr weiß als die Aufsicht, später auch noch die Krise erklärt (Ulrich in Spiegel v. 8.7.1974), degradiert Politik und Recht zu Zuschauern.
In der Sache verweist sie darauf, dass ihr eigener Abschreibungsbedarf gering sei und sie auch jetzt die schlechten Kredite in den USA längst abgestoßen habe. So habe sie die MortgageIT doch erst vor kurzem gekauft und nach knapp einem Jahr bereits wieder verkauft. Die Problemkredite stammten z. T. aus der Zeit davor.
Das könnte aber auch eine Selbstanklage sein, wenn man sie mit den Erfahrungen im Strafrecht vergleicht, wo es den Dieb auch nicht entlastet, dass er oder ein Mittäter oder Gehilfe das Diebesgut längst weiterverkauft hätte und er nicht am Verkaufserlös sondern nur an der Verkaufsprovision verdient habe.
Hehlerei, Anstiftung und Beihilfe
Tatsache ist, dass die Bank, die auch jetzt wieder 5 Mrd. Euro Gewinn anstrebt, in all den Jahren, die wir jetzt abarbeiten, blendend verdient hat. Man schreibt dies ihrem genialen Management zu, dem deshalb alle Kurzsichtigkeit in gesellschaftspolitischen Fragen nachgesehen wird. Die Bilanz ist Gradmesser der Integrität. Doch unser Strafgesetzbuch ist aus tausendjähriger Erfahrung weiser. Wer andere aus eigennützigen Motiven zu strafwürdigem Verhalten anstiftet oder dabei berät, wird „gleich einem Täter bestraft” (§ 26 StGB). Für den Berater und Helfer gilt: „Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter.” (§ 27 StGB) und wo man nur davon profitiert, dass andere etwas gestohlen haben, dort bestimmt § 259 StGB, dass wer diese Sache „ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern” genauso wie der Dieb bestraft wird.
Diese Vorschriften sind wie so vieles, das wir in Jahrtausenden für die Realwirtschaft gelernt haben (z. B. auch die Spiel-, Wett- und Wucherbeschränkungen) im Geldsystem außer Kraft gesetzt worden.
Im Geldsystem treffen sie aber auch noch auf eine andere Hürde. Sie greifen nur, wenn der Haupttäter andere geschädigt hat. Die Eigenschädigung, wie sie bei der Finanzberatung und dem Ankauf wertloser Forderungen durch Anleger, Staatsbanken oder den Staat selber typisch ist, stellt ebenso wenig eine Straftat dar wie die Anstiftung zum Selbstmord.
Doch anders als in der Realwirtschaft trifft die Selbstschädigung der Finanzinstitute letztlich die All-gemeinheit. Der Staat ist in Geiselhaft der Finanzmärkte. Das zeigen HRE, Landesbanken, Northern Rock, Griechenland, Portugal, Island und Irland. Die Handlanger in den Vorständen dieser Banken erhalten Abfindungen. Man nimmt sie nicht ernst. Die eigeninteressierte Beratung der ernst zu nehmenden Institute entlastet sie. Finanzintermediation – zivilrechtliche Hehlerei
Die amerikanische Regierung benutzt auch in den USA nicht das Strafrecht. Bei systemischen Verfehlungen im Geldsektor, die „allgemein üblich”, „jeder macht”, durch Provisionen belohnt werden und in der Öffentlichkeit als Traumrenditen beklatscht werde, ist es schwer im Nachhinein dem einzelnen Banker vorzuwerfen, er habe bewusst die Allgemeinheit schädigen wollen. Die extreme Naivität, mit der sich die Vorstände und Aufsichtsräte der Pleiteinstitute mit dem Sinnbild der drei Affen verteidigt haben, ist nicht gespielt. Sie wissen nicht was sie tun und das ist bekanntlich trotz des Volksspruchs „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ eben in der Regel nicht vorwerfbar.
Schadensersatz ist die Strafe der Aktiengesellschaft
Systemisch wirkt hier nur das Zivilrecht, dass die strafunmündige Bank dort trifft, wo ihr Anreizsystem liegt: beim Geld. Der Schadensersatz ist das funktionale Äquivalent der Bestrafung von Aktiengesellschaften und ersetzt die Gefängnisstrafe bei natürlichen Personen. Der Schadensersatz muss so spürbar sein und alle auf Grund der illegitimen Profite gemachten Provisionen und variablen Gehaltsbestandteile an Mitverdiener und Makler ergreifen, dass der Vorgang rückabgewickelt und sich im Nachhinein als Verlustgeschäft entpuppt. Die Perversität unserer Geldordnung liegt nämlich darin, dass auch im Nachhinein die Finanzkrise diejenigen belohnt, die sie erzeugt haben und diejenigen bestraft, die sie erduldet haben.
Das deutsche Schadensersatzrecht ist besonders naiv. Es will nur den vor Gericht gebrachten Einzelfall kompensieren. Die Beträge, die der BGH jüngst verhängte, sind Peanuts für das betrügerische System. In den USA gibt es wenigstens die punitive damages, den strafenden Schadensersatz und eine Gewinnabschöpfung. Sie wirken nicht, weil sie auch dort nur die bankrotten Institute und nicht die Anstifter und Hehler treffen.
Was wir brauchen ist einen (vertraglichen bzw. deliktischen) Schadensersatzanspruch, der neben der Entschädigung der Kläger eine Verurteilung der Intermediäre zugunsten der Allgemeinheit erlaubt, so dass die systemischen Schäden erfasst und recycled werden. Dieser Schadensersatz muss vor allem die Finanzintermediation erfassen.
Wer dazu hilft, dass systemische Schäden durch wertlose Forderungen besichert, mit gutem Geld argloser Anleger erworben oder in gemeingefährliche finanzielle Teufelsspiralen gelenkt werden, und dies aus eigennützigen Motiven tut und daran verdient, der sollte zu solchen punitive damages zugunsten des Staates verurteilt werden können.
Auch hier zeigen die Amerikaner, wie man es machen kann. Die Staatsanwaltschaft hat in Verbraucherstreitigkeiten häufig die Möglichkeit, selber als Kläger aufzutreten. Ähnliche Möglichkeiten haben die skandinavischen Ombudsstellen. In Deutschland könnte hier eine unabhängige Bankaufsicht geschaffen werden, die alle Verhaltensverstöße der Banken (Wettbewerb-, Berufs-, Verbraucherschutzregeln) überwacht und sanktioniert.