Sie sind der Bock, der sich selber als Gärtner empfiehlt
Der Bundesverband der Inkassounternehmen steht seit Jahren im Gegensatz zu den Banken in der Überschuldungsfrage. Während die Banken der berechtigten Sorge, dass man ihnen eine wachsende Überschuldung als unverantwortliche Kreditvergabe anlasten wird, auf die in der Tat recht erträgliche Entwicklung bei Konsumentenkrediten hinweist, dramatisiert der BDIU und vor allem der wichtigste weltweite Inkassokonzern Schimmelpfeng (Dun & Bradstreet) seit Jahren die Überschuldungszahlen.
Grundlage dieser Zahlen sind „Umfragen unter den Mitgliedsfirmen“. Grund dafür ist, dass damit die eigene Tätigkeit in den Vordergrund gestellt wird und mit angeblich staatsbürgerlicher Verantwortung vermischt. Hierfür biedern sie sich ohne tatsächlich die Schuldnerberatung wirklich finanziell zu unterstützen, bei einzelnen der Szene an, und fordern auch noch in vollkommener Unwissenheit über die weltweite wissenschaftliche Diskussion ein Schulfach „Finanzkompetenz“. Mit der Ideologie „Kinder verschulden sich schon früh, gehen liederlich mit Geld um, nehmen später Kredite auf, die sie nicht schultern können und werden infolgedessen logisch zahlungsunfähig und zahlen nicht mehr, wofür wiederum die Inkassounternehmen zuständig sind“ erklären sie die Finanzkrise auf ihre Weise. Darin stimmt dann auch so gar nichts. Es gibt bis zur Volljährigkeit keine Jugendverschuldung, der Anteil falscher Kreditaufnahmeentscheidungen bei Überschuldeten ist im Verhältnis zu unbeherrschbaren Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung etc. unbedeutend. Das gilt auch für junge Erwachsene: bei den Überschuldeten zwischen 18 und 25 Jahren wird in 22 Prozent das Konsumverhalten als Hauptauslöser der Überschuldung angegeben gegenüber 40 Prozent ungewollter Arbeitslosigkeit. Bei Ihnen dürfte zudem nicht allein die finanzielle Bildung, sondern die mangelnde schulische und berufliche Bildung ursächlich für die Überschuldung sein. Schließlich beträgt die Lücke bei der beruflichen Bildung in der Altersklasse der 20 bis 25-jährigen Überschuldeten 50 Prozentpunkte. Insgesamt ist das Konsumverhalten als Auslöser nach Einschätzung der Schuldnerberater seit 2005 rückläufig, wie der aktuelle iff-Überschuldungsreport 2011 (www.iff-überschuldungsreport.de) zeigt.
Zahlungsunfähigkeit hat nichts mit Zahlungsunwilligkeit zu tun sondern ist durchaus richtig ausgedrückt. Die Meldung des BDIU verwechselt das, wenn von „Zahlungsmoral” geschrieben, aber lediglich eine Prognose von Zahlungsausfällen gemeint ist.
Mit seinem iff-Überschuldungsreport wertet das iff jedes Jahr mit Unterstützung der genossenschaftlichen Team-Bank Stiftung Millionen Daten von 12.000 akribisch erfassten überschuldeten Haushalten aus. Hier werden Hypothesen getestet und der Ideologie Tatsachen gegenübergestellt. Im SchülerBanking sowie in der Literatur bemüht sich das iff, die Rolle der Bildung bei der Überschuldung zu klären, und in Projekten adäquate Instrumente zu entwickeln.
Inkassounternehmen verdienen ihr Geld mit dem Unglück anderer
Dem steht eine Inkassobranche gegenüber, die nichts von alledem kennt und will. Nur ihr eigenes Geschäft, das so fatal daran erinnert, dass man am Unglück anderer verdient, haben sie im Auge.
Immer häufiger kommt es vor, dass kleine Beträge sich vervielfachen durch Inkassokosten. Mahnschreiben für unredliche Gläubiger, die auf dem Internet Fallen stellen, belästigen Millionen von Verbrauchern. Weil sie nur an den Forderungen verdienen, interessiert sie die Prävention bei der Kreditvergabe herzlich wenig. Es würde ihr Geschäft schmälern.
Man muss sich das Kreditsystem als ein fein austariertes Haushaltsliquiditätssystem vorstellen, bei dem es zwar um große Summen in den Privathaushalten geht, bei dem aber die kleinste Störung das Gleichgewicht zerstört und mit der monatlichen Rate das System zum Zusammenbruch bringt. Die Millionen kleinen Gemeinheiten des Internetkapitalismus sind die Auslöser vieler Überschuldungen. Wie in der Chaostheorie erklärt, kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Europa einen Orkan in Südamerika auslösen. So diffizil ist auch das System der Haushaltsführung vieler Verbraucher, die mit hohen Verpflichtungen eine Liquidität von vielleicht ein paar Euro noch haben und jedes kleinste Ereignis aus der Bahn wirft.
Doch bricht der Haushalt zusammen, sind die Inkassounternehmen zuständig. Dass sie ihr eigenes Geschäft minimieren, kann keiner glauben, der die Gier der letzten Jahre kennengelernt hat. Je mehr Überschuldete, umso besser das Geschäft. Deshalb sind ihre Vorschläge so unsäglich abwegig und belasten allein die Verbraucher, wo sie nichts bewirken können.
Wer schützt uns vor denen?
Inkassounternehmen unterliegen der Aufsicht der Amtsgerichtspräsidenten und nicht der BaFin. Dort werden sie zugelassen und dort müsste man sie stoppen. Das ist heute reine Schimäre, weil sie so groß geworden sind, dass die Amtsgerichtspräsidien allenfalls noch als Notariat fungieren.
Dabei gibt es klare Rechtsgrundsätze:
- Es ist strafbare Erpressung, wenn man systematisch Forderungen als bestehend nachdrücklich und mit Androhung gerichtlicher und sonstiger Kosten geltend macht, von denen man wissen muss, dass sie so zumindest überwiegend nicht bestehen.
- Es ist Betrug, wenn man mit dem Angebot kleiner Ratenzahlungen suggeriert, dass damit eine Schuld getilgt würde, die niemals abgetragen werden kann und sogar noch wächst.
- Es ist unmoralisch, die Schuldner von der Restschuldbefreiung abzulenken und sie in ein lebenslanges Abhängigkeitsverhältnis zu bringen.
- Die Kosten der Inkassounternehmen tragen grundsätzlich die Gläubiger. Das BGB ist hier klar: die Kosten einer Rechtsverfolgung gehören zur normalen Mühewaltung jedes Gläubigers. Er muss sie bezahlen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Forderung allein mutwillig nicht zahlt. Jedes Inkassounternehmen und jeder Gläubiger weiß aber, dass fast alle Überschuldeten nicht zahlen können. Wer nicht zahlen kann, für den gibt es Rechtsverfahren mit Mahn- und Vollstreckungsbescheid. Deren Kosten sind gedeckelt; hier gibt es Kontrollen. Die muss der Gläubiger wählen, wenn er Kostenerstattung haben will.
- Ich wage zu behaupten, dass die meisten Forderungen heute teilweise unberechtigt sind. Macht der Schuldner dies geltend und macht deutlich „Ich will nicht bezahlen“, dann können ihm auch keine Inkassokosten aufgebürdet werden, weil für Rechtsstreitigkeiten die Gerichte zuständig sind.
- Das alles gilt natürlich ebenso für die Anwälte, die immer mehr mit Rahmenverträgen unter Umgehung der Anwaltsgebührenordnung Handlanger unseriöser Gläubiger werden und EDV-Systeme unterhalten, die psychologisch ausgeklügelte Briefe schreiben, mit denen die Schwächsten unter Druck gesetzt werden.
Banken und Versicherungen sind für die Inkassobranche verantwortlich
Nur die Gläubiger können die Inkassobranche in Zaum halten. Sie bezahlen die Inkassobranche ob beim Forderungsverkauf über die Abschläge von bis zu 70%, mit denen sie ihre vorherigen Kunden der Gier der Branche ausliefern oder ob durch die Gebühren, die sie zahlen müssen.
Genauso wie einst die Kreditvermittlerbranche nur dadurch gestoppt werden konnte, dass man sie als „Erfüllungsgehilfe der Gläubiger“ einordnete und denen die rechtliche Verantwortung für das Verhalten der Ersteren gab, genauso muss §278 BGB heute auf die Inkassobranche angewandt werden.
In Zukunft sollte man daher bei Meldungen über Inkassopraktiken und unberechtigte Kostenlawinen die Bank oder Versicherung nennen, die mit diesem Inkassounternehmen zusammenarbeitet. Anders lässt sich Wucher nicht zügeln. (UR).
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normal“>Eurokrise: Zahlungsmoral vor rapidem Absturz – BDIU für „Schulfach Finanzkompetenz” – Herbstumfrage der Inkassowirtschaft
Berlin, 20. Oktober 2011 – In ihrer aktuellen Trendumfrage prognostiziert die deutsche Inkassowirtschaft einen rapiden Abfall der Zahlungsmoral innerhalb der nächsten sechs Monate, sollte die Eurokrise weiterhin anhalten. 79 Prozent der befragten Inkassodienstleister rechnen damit, dass Unternehmen dann ihre Rechnungen schlechter bezahlen werden – von Verbrauchern nehmen das 70 Prozent an. In der Folge würden die Unternehmensinsolvenzen spürbar steigen. Diese gehen in diesem Jahr dank des Wirtschaftswachstums auf 30.000 zurück (2010: 31.998).
Aktuell ist die Zahlungsmoral so gut wie seit über zehn Jahren nicht: 86 Prozent der Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) melden, dass Rechnungen jetzt besser oder genauso gut wie vor sechs Monaten beglichen werden. Besonders im Einzelhandel, im Gastgewerbe und in der Dienstleistungsbranche zahlen Kunden nun spürbar besser. Kritisch ist weiterhin die Zahlungsmoral im Handwerk. 58 Prozent der Inkassounternehmen bemängeln die Rechnungstreue von dessen Kunden – und das sind oft kommunale, öffentliche Aufraggeber.
Das ohnehin schlechte Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand hat sich laut BDIU-Herbstumfrage weiter verschlechtert. „Immer mehr Städte stehen vor der Zwangsverwaltung und sind eigentlich pleite”, beschreibt Verbandspräsident Wolfgang Spitz die Situation. „Dabei könnten sie durch ein konsequentes Forderungsmanagement deutliche Mehreinnahmen generieren.” Bundesweit betragen die Außenstände der Kommunen mehr als 16 Milliarden Euro. Die Stadt Wiesbaden zeige laut Spitz, wie dieses Problem bewältigt werden könne. Seit 2003 verfügt die hessische Landeshauptstadt über ein kommunales Forderungsmanagement, das die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern wie Auskunfteien und Inkassounternehmen vorsieht. Unter Einhaltung des Datenschutzes übernehmen diese das Inkasso niedergeschlagener Forderungen. „Wiesbaden hat dadurch seine monatlichen Außenstände um rund 6 Millionen Euro reduziert – die Bürger und die Wirtschaft vor Ort profitieren davon”, erläutert Spitz. „Für klamme Kommunen ist das ein Wegweiser auf dem Pfad zu mehr finanzieller Sicherheit.”
Privatverschuldung hoch – jeder zehnte Erwachsene betroffen
Problematisch bleibt die private Verschuldung. Zwar sinkt die Zahl der Verbraucherinsolvenzen dieses Jahr leicht auf gut 100.000 (2010: 108.798). Aber insgesamt sind etwa 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ver- oder überschuldet.
Gründe, warum Verbraucher Rechnungen aktuell nicht wie vereinbart begleichen, sind Überschuldung (90 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das), Arbeitslosigkeit (69 Prozent), vorsätzliches Nichtbezahlen (56 Prozent) und ein vorübergehender Liquiditätsengpass (47 Prozent).
Junge Verbraucher verschulden sich für Konsum
Bedenklich sind die Beobachtungen der Inkassowirtschaft zur Jugendverschuldung. 39 Prozent melden, dass junge Verbraucher (bis 24 Jahre) schlechter zahlen als Ältere. Jugendliche haben vor allem Konsumschulden. Hauptgläubiger junger Verbraucher sind Telekommunikationsunternehmen (87 Prozent der Inkassounternehmen melden das), Online- und Versandhändler (76 beziehungsweise 66 Prozent) sowie Internet-Serviceanbieter (56 Prozent).
„Die Entwicklung macht uns große Sorgen”, so BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer. „Wer in jungen Jahren hohe Konsumschulden eingeht, nur um ein kurzfristiges Bedürfnis zu befriedigen, gefährdet die eigene wirtschaftliche Existenz auf Jahre hinaus. Hier fehlt es offensichtlich an Finanzkompetenz.”
Kremer weiter: „Wir machen häufig die Erfahrung, dass verschuldete Jugendliche aus einem Elternhaus kommen, das ihnen einen unverantwortlichen Umgang mit Geld vorgelebt hat – viele kommen auch aus bildungsfernen Schichten. Hier hat der Staat eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wir brauchen dringend ein verpflichtendes Schulfach Finanzkompetenz in ganz Deutschland. So kann es uns gelingen, das Überschuldungsproblem nachhaltig in den Griff zu bekommen.”
Alle Ergebnisse und Grafiken zur Herbstumfrage unter www.inkasso.de