Das griechische Zypern ist bankrott

Zypern hat etwas mehr Einwohner als Frankfurt am Main (791‘). Mit 37,6 Mrd. € haben seine Banken vier Mal so viel Geld eingesammelt wie das Bruttosozialprodukt des Inselstaates. Das meiste davon (25,5 Mrd. €) haben Ausländer  und hier vor allem russische Anleger (10 Mrd. € ohne Wertpapiere) den zypriotischen Banken geliehen.  

Die Banken der Insel sind bankrott. Die Laiki Bank (Nr.2) wird nach deutschem (HRE) und spanischem (Sareb) Vorbild in eine Bad Bank verwandelt, für die der (bisher noch bankrotte) Staat eintreten soll, im Übrigen aber zugemacht. Das heißt, wer dem Land Kredite gegeben hat (und Einlagen sind nichts anderes), der muss um die Rückzahlung fürchten. Außerdem braucht der Staat neues Geld. Normalerweise würde er mit seiner Währung einspringen und mehr Geld drucken. Doch Zypern gehört zum Euroraum.

Die EZB „rettet” Zypern bzw. den Euro

Die EZB hat deshalb einen gesicherten Staatskredit von 10 Mrd. € in Aussicht gestellt. Getrieben vor allem von Deutschland will sie, dass der griechische Teil der Insel Zypern zusätzlich 5,6 Mrd. € hartes Geld aufbringt, um die Forderungen der Einleger wieder sicherer zu machen und damit Krediten in Euro (Investitionen in Euroländer) das internationale Vertrauen erhalten.

Da Zypern nichts hat, was es verkaufen könnte (die Russen haben es sogar abgelehnt, ihren Kredit von 2,5 Mrd. € im Tausch gegen eine Ölkonzession zu verlängern), soll nun jeder Kontoinhaber in Zypern auf 6,5% bzw. 9,9% (über 100.000 €) seiner Einlagen verzichten. Wer also 1.000 € auf seinem Festgeld- oder Sparkonto hat soll auf 65 € verzichten. Ein Einleger von 100 Mio € hätte nur noch eine Forderung von 90,1 Mio € gegen die zypriotische Bank.

Solidarisch?

Das wirkt vernünftig, weil die EZB wertlose Forderungen wieder aufwertet und damit das Geld den Einlegern zukommt, die ja gar nicht in Not sind. Die Zyprioten empfinden das anders. Sie antworten erst einmal mit einer als Solidarfonds  bezeichneten Aktion, in der mit Kirchen- und Staatsvermögen besicherte Kredite hereingeholt werden sollen, um sie im Tausch gegen die schlechten Kredite den Gläubigern anzubieten. Die werden aber nicht anbeißen. Doch die Forderung nach Solidarität wächst, nachdem die Geschichten über das muntere Leben der Superreichen in Zypern die Runde machte.

In der Tat ist die Lösung der Deutschen genauso unsolidarisch wie eine Kopfsteuer,  bei der jeder Bürger gleich wie viel er hat oder verdient 1.000 € aufbringen soll. Dazu gehören auch diese genialen  Sparpakete, die gerade die USA durchführt, wo alle Ausgaben des Staates, ob für Sozialhilfeempfänger, Löhne oder die Wirtschaftsförderung an Großkonzerne, gleich hoch nach dem Rasenmäherprinzip um 85 Mrd. € gekürzt werden.

Allerdings hat man nachgegeben. Statt einheitlich 10% sollten die Großen mehr als die Kleinen zahlen. Jetzt sollen Kleinsparer (?) mit weniger als 100.000 € ganz verschont werden. Da 40% der Deutschen eine negative Sparquote haben, sind es in Wahrheit nicht die Kleinen.

Muss man den Spekulanten helfen?

Warum hat Zypern denn seine Einlagen von 5 Mrd. im Jahre 2000 auf 30 Mrd. € im Jahre 2011 so ausdehnen können? Der Zustrom dieser Kredite von Kreditgebern, die man als Einleger oder Investoren verherrlicht, kam nicht aus dem Überschuss der Inselwirtschaft sondern von denjenigen, die alles was sie haben in Geld und dieses Geld dann überall dort anlegen, wo sie die besten Renditen bei geringstem Risiko erhalten.  Zypern bot beides: Eurostabilität und hohe Zinsen. Ein Eldorado für Geldbesitzer. Aktuell zahlt man 4,45% p.a., die offiziell angegeben werden. In den Jahren davor zahlte man auch auf Spareinlagen 1% p.a. mehr als in anderen Staaten. Das war wie bei der Kaupthing Bank aus Island ein Aufschlag für ein Risiko, das jetzt dank der EZB abgefangen wird. Die überhöhten Zinsen aber behalten die Anleger.

Doch das ist nur die Fassade. Wer mit 15 Mio € Anlagewunsch zu einer Bank geht, benutzt den Hintereingang und macht einen Zinsdeal. Die Spar- und Festgeldzinsen im Preisverzeichnis sind daher eher niedlich. Anlageparadiese sind hier besonders großzügig. Sie hoffen, durch Spekulation das Geld wieder hereinzubekommen. Außerdem geben sie noch viel Geld aus für die Banken, die das Geld aus dem Ausland hereinholen. Makler hierfür waren die Big Bank aus Estland, die NIMC aus Holland und die Bank of Scotland aus Großbritannien. Sie alle haben Provisionen eingesteckt und an der Zinsspanne verdient.

Außerdem erhalten die „Anleger” das, was seit Jahrhunderten als Anatozismus eigentlich verboten ist: Zinseszinsen, manchmal sogar schon nach einem Tag.

Wer 1 Mio € vor zehn Jahren einzahlte hat, wenn er 3% p.a. mehr vereinbaren konnte als normal, immerhin 344.000 € verdient. Davon waren allein (schon bei nur jährlicher Kapitalisierung) 44.000 € Zinseszinsen. Muss er jetzt auf 10% seiner 1,344 Mio verzichten, so verliert er 134.400 € vom Gewinn. Zwei Drittel bleiben trotz Spekulation und eingetroffenem Risiko als Gewinn, nämlich  209.400 €.

Die Tausend Kleinsparer, die ebenfalls 1 Mio zur Bank gebracht haben, stünden bei 1 Mio Euro, wenn die Zinsen nur Inflationsausgleich  und Gebührenausgleich wären. Sie verlören 100.000 € von ihrem Einkommen.

Hier sind also die Kleinsparer mit den Finanzinvestoren solidarisch und nicht umgekehrt. Man hilft den Spekulanten statt den Zyprioten.

Das Drei-Konten-System

Die Verbraucherverbände haben in den 1980ziger Jahren in der Welt einmalig einen Vorschlag im Gesetz durchgesetzt, der das Problem beheben würde. §497 Abs. 2 BGB unterscheidet (bei der Rückzahlung von Verbraucherkrediten an eine Bank nach Verzug) zwischen dem „Kapital”, den „Zinsen” und den „Zinseszinsen”. Er verlangt, dass die Kreditgeber drei Konten einrichten und darauf alles korrekt verbuchen. Nur das Kapital sollte richtig verzinst werden. Die Zinsen sind auf ein gesondertes Konto zu schreiben und dürfen nur staatlich festgelegt gering verzinst werden. Diese Zinseszinsen bleiben unverzinst.

Dahinter steckt eine generelle Einsicht. Wer Zinsen vom Schuldner haben will spekuliert darauf, dass der Schuldner mit seinem Geld auch Zinsen erwirtschaften kann. Er trägt somit Mitverantwortung für das Gelingen. Deshalb muss er auch Mitverantwortung für das Misslingen tragen. Weil wer mehr Zinsen verdient auch mehr Verantwortung hat, muss im Insolvenzfall danach unterschieden werden, was jeder an Zinsen und Gebühren erhielt.  Der Paragraph enthält daher auch die Lösung für spekulative Anlagen vor Verzug.

Alle, die professionell Kredite aufnehmen (d.h. Einlagen aufnehmen oder Wertpapiere verkaufen), sollten wenigstens eine solche Buchführung vorweisen. Das schüfe die Möglichkeit, bei der Bankenrettung diese Teile differenziert zu bewerten. Dann würde sich ergeben, dass z.B. bestimmte russische Großgläubiger vielleicht gerade einmal die Hälfte von dem eingezahlt haben, was sie jetzt als Forderung geltend machen und gesichert bekommen. Der Belohnung der Spekulanten mit Steuermitteln wären Grenzen gesetzt. Streicht man erst einmal die Zinsen und Zinseszinsen sowie andere Vergünstigungen aus den gesicherten Anlagen, dann würden automatisch die Kleinen geschont und zwar zu Recht.

Das wird man den Geldbesitzern und ihren Regierungen bei uns nicht ohne politische Druck vermitteln können. Ihr Verschweigen der Schuldenstrukturen zeigt zur Zeit, dass sie vor dieser Transparenz Angst haben. Alle Schulden sind zur Zeit so herrlich gleich – gleichgültig ob sie Arbeit, Spekulation oder Provision repräsentieren. Die Staatsschuld würde bei einer Drei-Konten-Buchführung ebenso wie die Verbraucherüberschuldung weit weniger erhöhten Staats- oder Konsumausgaben als der Gier privater Kapitalbesitzer zuzuschreiben sein. Der politische Rückhalt für Rasenmäherlösungen würde hier wie in den USA schwinden, wo die Subprime Krise der Hausbesitzer sich in Wirklichkeit als Problem von Wucherkreditketten und der Abschöpfung von Arbeitseinkommen durch den Finanzsektor erwiesen hat.

Fazit

Wenn Kredite wieder sicherer werden sollen, damit der Euro stabil bleibt und unsere Banken ihre Aufgaben erfüllen können, dann müssen die Zinsen (, Dividenden und Kurssteigerungen) sich den Möglichkeiten der Erträge in der Realwirtschaft annähern. Das aber kann nur passieren, wenn der Anreiz überhöhter Zinsen mit einer erhöhten Verantwortlichkeit im Konkursfall gemäßigt wird. Insoweit ist dies nicht nur ein Vorschlag zur Gerechtigkeit sondern auch zur Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Stabilität.

§ 497 Abs. 2 BGB lautet:

(2) … Zinsen sind auf einem gesonderten Konto zu verbuchen und dürfen nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Betrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden. Hinsichtlich dieser Zinsen gilt § 289 Satz 2 (Zinseszinsverbot) mit der Maßgabe, dass der Darlehensgeber Schadensersatz nur bis zur Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246) verlangen kann.

Vgl. im einzelnen Reifner, Die Geldgesellschaft, 2011