In Deutschland sind gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 4 PangV Kosten für Versicherungen, „die keine Voraussetzung für die Kreditvergabe oder für die Kreditvergabe zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen sind”, nicht in den Effektivzins eines Verbraucherkredits einzubeziehen. Unter welchen Bedingungen von einem „freiwilligen” Abschluss gesprochen werden kann und in wessen Interesse der Abschluss einer Restschuldversicherung steht, ist auch in der deutschen Kreditpraxis langjährig ein streitgegenständliche Thematik (z.B. BGH, Urt. v. 29.11.2011 – Az. XI ZR 220/10).

Für die österreichische Kreditpraxis hat der Oberste Gerichtshof jetzt konkrete Leitplanken gesetzt, deren Wertungen auch für Deutschland herangezogen werden könnten. Die nachfolgende Information wurde uns vom Verein für Konsumenteninformation mitgeteilt. Wir geben sie hier mit freundlicher Einwilligung des Vereins wider.



OGH untersagt Santander Consumer Bank falsche Angaben zum Effektivzinssatz bei Verbraucherkrediten

Utl.: VKI-Sammelaktion zur gesetzlichen Zinsreduktion für betroffene Kreditnehmer

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte – im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums – gegen die Santander Consumer Bank GmbH eine Verbandsklage wegen falscher Angaben zum effektiven Jahreszinssatz bei Verbraucherkrediten. Der Oberste Gerichtshof (OGH) untersagt der Bank die weitere Verwendung und Berufung auf die gesetzwidrige Klausel und eine Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes ohne die Berücksichtigung der Kosten einer (Kredit-)Restschuldversicherung, die gemeinsam mit dem Kreditvertrag abgeschlossen wird oder – als bestehende Versicherung – zur Besicherung des Kredites verwendet wird.

Die gesetzliche Folge der Angabe eines zu geringen effektiven Jahreszinssatzes ist, dass der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz so zu verringern ist, dass er dem angegeben effektiven Jahreszinssatz entspricht. Die Bank hat allen Kunden die neuen (geringeren) Raten bekanntzugeben; bis zur Bekanntgabe können die Kreditnehmer weitere fällige Ratenzahlungen zurückbehalten. Der VKI führt im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums unter www.verbraucherrecht.at eine Sammelaktion der betroffenen Kreditnehmer durch und wird diesen bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegen die Bank zur Seite stehen.

Der effektive Jahreszinssatz eines Kredites dient der Vergleichbarkeit von Kreditangeboten. Beim effektiven Jahreszinssatz ist auf die Gesamtkosten des Kredites für den Kreditnehmer und nicht nur auf einen Nominalzinssatz abzustellen. Zu den Gesamtkosten eines Kredites zählen daher sämtliche Kosten einschließlich der Zinsen, Provisionen etwa für die Vermittlung des Kredits, Abgaben und Kosten jeder Art (ausgenommen Notariatsgebühren), die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Dazu zählen auch Kosten für Nebenleistungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag, insbesondere Versicherungsprämien, wenn der Abschluss des Vertrags über diese Nebenleistung eine vom Kreditgeber geforderte Voraussetzung dafür ist, dass der Kredit überhaupt oder nach den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird.

In der umstrittenen Klausel der Santander Consumer Bank versuchte die Bank den Anschein zu erwecken, eine gleichzeitig mit dem Kredit abgeschlossene Versicherung zur Besicherung des Kredites sei „freiwillig” und daher nicht bei der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes einzubeziehen.

Das sah der Oberste Gerichtshof (OGH) nicht so. Zwar trage die bekämpfte Klausel die Überschrift „Freiwillige Versicherung”, doch in den einzelnen Teilen der Klausel werden eine Reihe von Beschränkungen der „Freiwilligkeit” – im Sicherungsinteresse der Bank – geregelt:

  • Die Vinkulierung der Versicherung zugunsten der Bank.
  • Die unwiderrufliche Abtretung aller Rechte aus der Versicherung an die Bank.
  • Die ausschließliche Berechtigung der Bank zur Entgegennahme von Zahlungen aus der Versicherung.
  • Die Aufrechterhaltung der Versicherung auch gegen den Willen des Kreditnehmers.

Der OGH sieht die Klausel daher als überraschend, gröblich benachteiligend und intransparent an. Die Konsequenz: Die Klausel ist unwirksam.

Der OGH hielt auch fest, dass es unzulässig ist, die Kosten einer – gemäß der untersagten Klausel nur als „freiwilligen” bezeichneten, in Wahrheit aber dem Sicherungsinteresse der Bank dienenden – Versicherung nicht bei den Gesamtkosten zur Ermittlung des effektiven Jahreszinssatzes einzubeziehen.

Die Angabe eines zu niedrigen effektiven Jahreszinssatzes hat eine strenge gesetzliche Konsequenz: Nach dem Verbraucherkreditgesetz muss die Bank die verrechneten Sollzinsen so anpassen (senken!), dass diese – unter Berücksichtigung anderen Vertragspunkte – dem zu niedrig angegebenen effektiven Jahreszinssatz entsprechen.

Das bedeutet im konkreten Fall, dass alle Kreditnehmer eines Verbraucherkredites,

  • der nach dem 10.6.2010 mit der Santander Consumer Bank abgeschlossen wurde,
  • bei dem eine Kreditversicherung abgeschlossen oder beigebracht wurde und wo
  • die inkriminierte Klausel (oder eine sinngleiche) im Vertrag vereinbart wurde

einen Anspruch darauf haben, dass die Bank von sich aus die Kreditraten entsprechend neu berechnet und den Kreditnehmern zum einen die künftig zu zahlenden (geringeren) Raten bekannt gibt und zum anderen bei bereits bezahlten Raten die zu viel verrechneten Zinsen auf das abzustattende Kapital verrechnet und daher auch einen neuen (geringeren) aushaftenden Saldo bekanntgibt.

Die Kreditnehmer können – so die Lehre – sogar fällige Kreditraten zurückbehalten, bis die Bank dieser Verpflichtung nachkommt.

„Der VKI wird die betroffenen Kreditnehmer der Santander Consumer Bank dabei unterstützen, diese Rechte gegen die Bank durchzusetzen”, kündigt Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI an. „Betroffene können sich über www.verbraucherrecht.at kostenlos zur Sammelaktion anmelden und wir werden für diese die Abrechnungen und Richtigstellungen der Bank einfordern und kontrollieren. Die Zinsreduktion kann etwa bei einem Kredit über 30.000 Euro einige tausend Euro betragen.”

Das Urteil und die Bedingungen zur Teilnahme an der Sammelaktion sind kostenlos auf www.verbraucherrecht.at abrufbar.