Produktregulierung muss Anreiz- und Kompensationsregeln ergänzen
Die BAFIN macht nach einer Meldung der FAZ erstmals ernst mit ihrer gesetzlich gewährten Krisenpräventionsmöglichkeit durch Produktregulierung. Die neuen EU-Verordnungen erlauben dies eher mit einem Nebensatz. Schwerpunkt war bisher vor allem die Krisenabfederung (erhöhte Kapitalpuffer, Stresstest) sowie die Regulierung psychologischer Anreize bei Vermittlern und Risikomanagern. (Eindämmung erfolgsorientierter Bezahlungen) Beides hat bisher wenig Wirkung gezeigt. Der Grund liegt darin, dass wer systematisch schlechte Produkte herstellt bei seinen Mitarbeitern und Vermittlern entsprechend schlechte Absatzsysteme durchsetzen muss ob nun durch Geldbelohnungen, Strafen, Hitlisten, Beförderung oder indem eigene Absatzorganisationen wie Strukturvertriebe am Gewinn beteiligt werden. Ein schlechtes Produkt wird aber nicht dadurch besser, dass man dafür weniger Provision bekommt. Deshalb ist es längst überfällig, dass die Aufsicht oder die Zivilgerichte sich die Betrugsprodukte näher anschauen. Bei Arzneimitteln gibt es eine umfangreiche Vorprüfung. Auch untaugliche Medikamente werden nicht zugelassen. Bei PKW entscheidet der TÜV, ob sie fahren dürften. Kinderspielzeug braucht ein Prüfsiegel und Lebensmittel werden in Herstellung und Absatz überwacht, so dass sogar ein Bauer in Lübeck Bußgeld zahlen musste, dessen Schweine mit Marzipanabfällen gefüttert wurden. Warum sollte das nicht auch für Finanzdienstleistungen gelten.
Doch wer sich die Argumente der BAFIN genau anschaut muss leider feststellen, dass nicht das Betrügerische im Produkte sondern das Betrügerische in seinem Absatz reguliert werden soll. Dies aber trifft das Problem nicht im Kern.
Dienstleistung statt Produkt
Wir haben uns dazu schon gegenüber der allgemeinen Forderung aus Linkspartei und Teilen der SPD geäußert, die generell einen Finanz-TÜV für die Zulassung von Anlageprodukten verlangen. Dabei, so haben wir argumentiert, tritt das Problem auf, dass die sog. Finanz”produkte” ja keine Produkte im klassischen Sinne sind, die fertig hergestellt an die Verbraucher übergeben werden. Es handelt sich um Finanz”dienstleistungen”, die ein über längere Zeit zugunsten oder zulasten der Verbraucher und Anleger bestehendes Rechtsverhältnisses mit „Unfällen, Zufällen und Einfällen” bedeutet, in der beide Seiten zum gegenseitigen Wohl zusammenarbeiten und Lösungen finden müssten. Das anfängliche „Produkt” strukturiert allerdings eine solche Beziehung so vor, dass bei dem angestrebten Zweck in der entsprechenden Verbrauchergruppe für positive Möglichkeiten oft kein Spielraum verbleibt, während die Bank immer gut daran verdient. Wer ein Zertifikat zur Altersvorsorge mit Steuerersparnis kauft, der mag richtig liegen, wenn er genügend Vermögen zur Risikostreuung hat, jung genug ist und ausreichend Steuern bezahlt, die er oder sie einsparen können. Umgekehrt wird es zu einem Gaunerprodukt, wenn es der mittellosen Rentnerin zur Ersparnisanlage aufgeschwätzt wird.
Wetten auf die Not anderer stören die Wirtschaft
Die BAFIN hat hier aber ein Produkt im Auge, dass Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen ermöglichen soll. Das Produkt heißt dann aber nicht Konkurswette sondern Bonitäts-Anleihe. Die Banken, die es vertreiben wollen, gestehen damit schon ein, dass sie seinen wirklichen Charakter nicht offenbaren möchten und auf betrügerischen Absatz aus sind. So etwas wird gemeinhin als unlautere Werbung angesehen und von den Gerichten sanktioniert. Die BAFIN hat hier eine Ersatzkompetenz und kann dies durchaus sanktionieren. Alternativen aber bestünden darin, diese Banken mit Verbandsklagen zu überziehen und für die geprellten Anleger Schadensersatz geltend zu machen, den die Gerichte daran messen sollten, ob er den Banken wirklich so weh tut, dass sie in Zukunft sich solche Produkte überlegen. In einer Marktwirtschaft haben solche Sanktionen den Vorrang vor Produktverboten, weil selbst ein solches Produkt ja sinnvoll sein kann, wenn die Banken damit Kredite an Unternehmen vergeben können, die zwar aktuell ein hohes Risiko darstellen, gesamtwirtschaftlich aber eine gute Chance bieten und auch aus regionalen und Arbeitsplatzgründen erhaltenswert sind. Warum sollte man so etwas verbieten?
Doch hier besteht eine Besonderheit. Das Produkt wird nicht aufgelegt, um produktive Kredite zu ermöglichen wie es etwa bei Risikokapitalgebern der Fall ist. Hier vergibt der Investor einen Kredit in Form einer Beteiligung, so dass er automatisch an Gewinn und Verlust des Kreditnehmers beteiligt ist. Demgegenüber suggeriert eine Konkurswette, dass ein Konkurs etwas Gutes ist, an dem man mit Recht verdienen sollte. Man investiert und hofft dass der Wettkandidat insolvent wird. So etwas ist nicht nur moralisch verwerflich sondern unterminiert auch eine Wettbewerbsordnung, die schließlich Leistung und nicht das Versagen und Scheitern belohnen sollte. Historisch hat der Staat immer seine Beitreibungsmittel bei Wetten versagt. Das ist überholt, weil Wetten das Versicherungsgeschäft übernommen haben und Risiken breit streuen können. Nicht überholt ist, dass Wetten selber insgesamt einen positiven Beitrag für die Wirtschaft bieten sollten. Das schließt Erträge bei Scheitern nicht aus, verlangt jedoch, dass die Erträge bei Erfolg höher sein müssen. Wer auf den Kopf eines anderen wettet, sollte keinen Anreiz haben, ihn zu töten. Genau das aber passiert massenweise und war ein wesentlicher Auslöser der Finanzkrise.
Leerverkäufe – Ein Beispiel
Das Verfahren ist uns nicht unbekannt. Die sog. Leerverkäufe, d.h. die Zulassung von Wertpapierverkäufen, die entweder nur gemietet oder überhaupt erst in Zukunft geliefert werden sollen, hat nicht nur Porsche ruiniert sondern auch die Krise beschleunigt. Sie wurden 2008 verboten jedoch nach 6 Monaten wieder zugelassen. Hier sieht man deutlich, dass es nicht um Produkte sondern um die Art des Wertpapierverkaufs („short” oder „leer”) geht. Man kann jedes Wertpapier leer verkaufen und darauf spekulieren, dass zum endgültigen Liefertermin dessen Kurs entscheidend gefallen ist. Die Regulierer fanden das zunächst sinnvoll, dann gefährlich und dann wieder sinnvoll. In der Tat, Kursrisiken muss man sichern können. Es wäre richtiger gewesen, die Aufspaltung dieser Wetten in Gewinne aus Kursanstieg und Kursverlust zu verbieten. Dann bliebe den Menschen im System der Sinn erhalten. Banker brauchen so etwas nicht. Sie haben sich an die Sinnlosigkeit ihrer Transaktionen gewöhnt und schauen nur auf den kurzfristigen Gewinn.
Der Anreiz zum wirtschaftlichen Totschlag besteht nicht nur sondern zeigt auch Wirkung am Beispiel der Subprime Kredite
Ein Derivat (Future, Wette), das eine Summe auszahlt, wenn mehr als 50% einer Krebsstation versterben, nicht nur moralisch verwerflich ist sondern zudem Anreize bietet, die Pflege einzuschränken, Hilfen zu verweigern oder sogar dem Tod nachzuhelfen. Da mag es den durchschnittlichen Menschen erstaunen, dass sie gleichwohl erlaubt sind. Brauchen wir so etwas? Man könnte ja argumentieren, dass das eingezahlte Geld dem Krankenhaus zur Verfügung stehen kann. Das wäre schön ist aber nicht die Regel. Das Geld erhält die Bank, die ja einen Gewinn an die Anleger auszahlt. Die Krankenstation hat also mit der Wette nichts zu tun. Wetten auf hohe Mortalität sind daher auch durchaus üblich.
Dass solche „Morde” (Mordmerkmal „Habgier” §211 StGB) nicht nur lukrativ sind sondern auch tatsächlich geschehen, hat die Subprime Krise mit Hypothekenkrediten gezeigt. Hier wurde systematisch der massenhafte wirtschaftliche Tod (Insolvenz, Überschuldung) amerikanischer Hausbesitzer betrieben.
Die Finanzkrise wurde durch Hypothekenkredite in Amerika ausgelöst, die bei dem System 2/28 von vornherein das Scheitern eines Hauserwerbers einkalkulierten. Danach sollte ein Kreditnehmer in den ersten beiden Jahren eines auf 30 Jahre angelegten Kredites nur relativ niedrige variable Zinsen ohne Tilgung zahlen, deren Rate er sich gerade leisten konnte. Entsprechend hoch konnte der Kredit sein. Danach aber musste ein von der Bank angebotener Festkredit genommen werden. Nach Angaben der US-Regierung wurde „das 2/28-System vor allem Personen mit niedriger Kreditwürdigkeit angeboten.” Dieses „Produkt” das in Wirklichkeit eine Produktfalle war, hatte verheerende Auswirkungen, weil so die US-amerikanischen Haushalte, die bis dahin nur langlebige kostenfrei rückzahlbare niedrig verzinsliche Hypotheken hatten, die die staatlichen Agenturen verbürgten, plötzlich wucherisch überhöhte Kredite aufnehmen „konnten”, die mit ihrer erhöhten Nachfrage die Hauspreise hochschnellen ließen.
Diese Kredite wurden nun verbrieft, d.h. in Pools aufgenommen, an denen Anteilsscheine verkauft wurden. Für das Risiko der Insolvenz solcher Pools wurden Wetten abgeschlossen (CDOs), die man gesondert verkaufte. Die ursprüngliche Bank hatte damit das Risiko verlagert und ein doppeltes Geschäft gemacht, das bis nach Deutschland reichte. Was im Einzelnen verheerend war unterminierte auch die gesamten Finanzmärkte.
Es gab einen riesigen Anreiz für bestimmte Banken, diese Märkte wirklich zu ruinieren. Letztlich musste der Staat retten.
Fazit
Die BAFIN ist auf dem richtigen Weg, wenn sie das Tabu der Produktregulierung und – zulassung angreift. Sie sollte aber den eigentlichen Grund ernst nehmen: nicht die Dummheit von Verbrauchern und Anlegern und die korrespondierende Skrupellosigkeit im unlauteren Wettbewerb ist das Problem. Das Problem sind die Wetten selber, die in Wetten auf Glück und Unglück aufgespalten zu Finanzdienstleistungen führen, die bei den spezifischen Kunden zu dem Unglück führen, an dem dann die Bank verdient.