Nach Jahren der Dauerarbeitslosigkeit und dem Abbau von Sozialleistungen hat in einer Kreditgesellschaft, in der das Lebenseinkommen über die Banken dorthin verteilt werden muss, wo es bei jungen Familien und im Berufsaufbau gebraucht wird, nach den USA und Großbritannien auch Deutschland das Thema Überschuldung eingeholt. Moderne Armut ist Überschuldung und dafür gibt es Konzepte wie den verantwortlichen Kredit sowie die Anpassung durch Insolvenz. Was macht eine Frau Maischberger in der ARD daraus?
DAS TEAM
Ein Börsenexperte, ein Inkassounternehmer, ein Fernsehanwalt als „Schuldnerberater”, zwei Unternehmerinnen und ein bayerischer Amtsrichter reagieren auf ihre scheinheilige Frage, die die Antwort schon vorwegnahm: "Wer ist schuld an meiner Pleite?" – Wer wohl?
Anders als noch vor 12 Jahren bei Talk im Turm mit Erich Böhme waren für das Thema weder Banker, noch Überschuldungsforscher, Schuldnerberater oder Verbrauchervertreter nötig. Des Volkes Vorurteile unter immer wieder „eine gute” und „eine schlechte Nachricht” unserer Star-Moderatorin.
DIE FAULEN KINDERREICHEN
Es begann mit einem Film über eine sechsköpfigen Familie, bei der der Vater nach 22 Jahren Arbeit durch einen schweren Unfall zum Dauerarbeitslosen wurde und die eine Schuldsumme von 31.000 drückte. Ein Beispiel zügellosen Konsums. Die Familie, so unsere Frau Maischberger, hätte pro Monat wohl 1.000 zu viel ausgegeben. Die so diffamierte Hausfrau wird mit dem Satz, „wir hätten alle Rechnungen immer gleich bezahlen sollen” reingeschnitten. In 31 Monaten in den Abgrund? Und der Amtsrichter aus Bayern sekundiert: die missbrauchen alle nur das Schuldbefreiungsverfahren. Man möchte das Schmerzengeld, das Caroline von Monaco vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht für die Paparazzi Fotos bekam, verzehnfacht der diffamierenden ARD aufbürden und an die medial missbrauchte Familie weiterleiten.
WIE MAN MIT ÜBERSCHULDUNG REICH WIRD
Leuchtendes Beispiel für Überschuldete ist dann aber eine ehemalige Unternehmersgattin, die wenigstens für 350.000 DM Schulden aufwies: „wir hatten, als der Folgekredit verweigert wurde, damals 1 Mio DM in den Auftragsbüchern.” Als die Dame ihre Schulden bemerkte flog sie erst einmal für sechs Monate zu ihrer Freundin in die USA. Anschließend „vergaß” dann die freundliche Bank die Forderungen im Konkurs anzumelden und jetzt ist sie schuldenfrei und Maischbergers Paradepferd für Überschuldung.
Das andere Paradestück ist eine Unternehmerin, die jetzt aus ihrer Pleite ein Unternehmen gemacht und auf der Visitenkarte „Pleitier” aufgedruckt hat. Mit ihrer Website http://www.anne-koark.com/ preist die mit dem lady business award ausgezeichnete Pleitière ihre Veranstaltungen und vor allem ihren Wirtschaftsbestseller „Insolvent und trotzdem erfolgreich” an.
Auch der Herr von der Inkassobranche verdient ja an der Überschuldung. Ebenso der smarte Anwalt Michael Requardt, der im Dritten beim WDR nach dem Motto der „Ich rette Menschen” Sendungen seinen Anwaltsberuf als angeblicher Schuldnerberater vermarktet. Mit der Sendung „Der große Finanzcheck” suggeriert er, „wie man durch kompetente Beratung und nützliche Tipps eine verfahrene finanzielle Situation wieder in den Griff bekommt”. Seine Fälle wie auch die Fälle der Frau Maischberger sind überschuldete Unternehmer. Suggeriert wird aber ein ganz anderes Thema: die Verbraucherverschuldung. Dazu dann wieder Originalton WDR: „Das junge Paar Stefan und Annika aus Bochum hat sich durch massive Naivität in die Schuldenfalle manövriert. Leichtfertig gaben Stefan und Annika mehr Geld aus, als ihnen monatlich zur Verfügung stand”, was bekanntlich jeder Möbel- oder Autokäufer heute tun muss.
EIN BAYERISCHER AMTSRICHTER WEIST DEN WEG
Besser noch ist der Star des Abends, Richter Paul Wagner aus München. Auch ihn hat Frau Maischberger im Internet über seinen Aufsatz gefunden, den er nicht müde wird anzupreisen. Herr Wagner ist nicht besonders firm dafür aber ideologisch klar. Er hat sachlich noch nichts davon mitbekommen, dass die Verjährungsfristen nicht mehr bei 30 sondern bei 3 Jahren liegen. Außerdem rechnet er wunderbar Zahlen hoch wie 5 Mio Überschuldete, 300.000 mehr jedes Jahr und 93.000 Verfahren. Das Beste ist seine Erbschaftsthese. Weil Billionen vererbt würden, müssten auch die Zahlungsunfähigen demnächst einen Geldsegen erwarten. Daher könnten die Gläubiger etwas machen, denn sie hätten ja schließlich vorgeleistet. Die Verbraucherinsolvenz würde nur missbraucht. Und dann erfahren wir auch den eigentlichen Grund: der Amtsrichter findet die Justiz mit 93.000 Verfahren überlastet. Wohlgemerkt die Mahnbescheide, die sie ausstellt gehen in die Millionen, allein Amtgerichte erledigen allein pro Jahr ca. 1 Mio Sachen. In Frankreich sind es ca. 300.000 Insolvenzverfahren bei Verbrauchern, in den USA 1,5 Mio pro Jahr.
Dafür aber weiß der Amtsrichter aus Bayern über die Gründe der Überschuldung bestens Bescheid: die Leute leben über ihre Verhältnisse so wie natürlich der Staat.
MENSCH MAISCHBERGER – UND NICHT EINMAL BEI RTL 2
So viel naive Volksstimmung in einer Abendsendung zusammen ist zu viel. Sie sollten mit Bärbel Schäfer und Herrn Requart ein Team bilden oder aber lieber wieder Dustin Hoffmann interviewen, der so wunderbar vor Ihnen zerfloss. Aber lassen Sie die Sachthemen Menschen, die etwas davon verstehen, sich nicht in Google die Talkpartner zusammensuchen und Trailer auf Bild-Zeitungs-Niveau produzieren.
„Meidet besser Maischberger”, oder, liebe Experten, sorgt dafür, dass ein Minimum an Grundwissen hinzukommt und nach den Arbeitslosen jetzt nicht auch noch die Überschuldeten dem Gespött der Öffentlichkeit übergeben werden.