Über 300.000 Geschädigte, eine Rechtsprechung, die den Betroffenen jede Kompensation verweigert und Banken, die das alles für normal halten. Dies ist die vorläufige Bilanz 10 Jahre, nachdem hundertausende Verbraucher in die Falle einer finanzierten Altersvorsorge gelockt wurden. Die Betroffenen sind heute verschuldet, teilweise mußten sie Konkurs anmelden. Die Schädiger stehen heute wieder gut da.
Eine Reihe von Anwälten bemühen sich seit Jahren, die Rechtsprechung doch noch zu der Einsicht zu bewegen, dass es nicht rechtmäßig sein kann, dass in Deutschland in konzertiertem Zusammenwirken von Banken, Immobilienhaien, Vermittleragenturen und Notaren das Argument der privaten Altersvorsorge systematisch missbraucht und Menschen in ihr Unglück gestürzt wurden. Letztlich geht es um die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems der Kapitalanlage durch einfache Verbraucher, das hier in Misskredit gerät.
Das iff ebenso wie der Verbraucherzentrale Bundesverband haben Diskussionsentwürfe vorgelegt, die machbare und vernünftige Ziele definieren.
iff
POLITISCHE HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN BEI DEN SOG. SCHROTTIMMOBILIEN – Ein Diskussionsvorschlag
1. Ca. 300.000 Verbraucher wurden in der Bundesrepublik bisher dadurch geschädigt, dass praktisch wertlose fremdvermietete Immobilien als private Altersvorsorge verkauft wurden.
a) Der meist blinde Kauf war nur möglich, weil die Kapitalanlage als „bankgeprüft” dargestellt (der Kunde bezahlte das Gutachten selbst) und von der Bank voll finanziert war und den Anlegern mit ausgefallenen Methoden vorgespiegelt wurde, dass sie sich auf Dauer so rentieren würde, dass nicht nur Kredit-, Vertriebs- und Erstehungskosten sowie Zinsen gedeckt, sondern auch noch ein Zusatzerlös nach Steuer erzielt werden könnte. Die versteckten weit überhöhten Innenprovisionen konnten sie nicht ahnen.
b) In der Öffentlichkeit wird dieses Verhalten einer Reihe von Banken als systematisches Vorgehen gewertet, andere sehen hierin den Ausdruck der Geldgier der Anleger, die ohne Eigenleistung reich werden wollten. Tatsächlich zeigen fast alle Fälle, dass Verbrauchern ohne Eigenmittel mit dem dem Vertrauen in die beteiligten Banken der Verzicht auf Eigenkapital eingeredet wurde. Sie konnten zu finanzierten Kapitalanlagen in der Altersvorsorge an der Haustür überredet werden, weil auch der Staat bisher durch verschiedene Subventionssysteme, Steuererleichterungen und Prämien etwa bei finanzierten Kapitallebensversicherungen, bei Bausparsofortfinanzierungen und Beteiligungsmodellen solche Konstruktionen für förderungswürdig erachtet hat.
c) Die Modelle wurden durch seriöse Großbanken abgesetzt. Die inzwischen überschuldeten Verbraucher brauchen dringend Hilfe, weil die Rechtsprechung des Bankrechtsenates bisher jede Hilfe verweigert hat und die Gesetze Lücken aufweisen, die bisher frei dazu benutzt wurden, Verbraucher um Milliardenbeträge zugunsten unseriöser Vermittler und leichtfertig handelnder Banken zu schädigen. Greift der Gesetzgeber nicht ein, so dürfte das Vertrauen in den deutschen Markt der immobiliengestützten Altersvorsorge nachhaltig beschädigt bleiben. Das Anreizsystem für Betrug würde zudem aufrechterhalten.
2. Nachdem sowohl Rechtsprechung als auch Finanzaufsicht praktisch versagt haben, muss die Politik handeln und die unfreiwillige Überschuldung vieler Bundesbürger, die das Versagen unserer Schutzmechanismen bewirkte, eindämmen.
a) Die Altschäden können allerdings nicht rückwirkend durch den Gesetzgeber kompensiert werden. Der Gesetzeswortlaut des § 358 BGB wurde von der Rechtsprechung zulasten der Verbraucher endgültig interpretiert. Dies macht seine Veränderung für die Zukunft aber dringlich. Das darin nachträglich eingefügte Sonderprivileg für Immobilienkredite sollte daher ersatzlos gestrichen werden.
b) Die Rechtsprechung verfolgt nur eine Schadensersatzmöglichkeit für Fälle der schuldhaften Zusammenarbeit zwischen Bank und Vermittler, ist aber von den Voraussetzungen so eng, dass dies praktisch nur kosmetische Bedeutung hat und zudem die Geschädigten in nicht abschätzbare Prozessrisiken treibt.
c) Die Altschäden könnten jedoch wesentlich entschärft werden, wenn die schuldhaft unterlassene Widerrufsbelehrung eine Verzinsungspflicht der ausstehenden Schuld bis zur vorausgesehenen Fälligkeit ausschließen würde. Das Gesetz schweigt hierzu. Mittels § 817 Satz 2 BGB hatte seinerzeit die Rechtsprechung den Wucherern mit der Aussetzung der Verzinsungspflicht das Handwerk gelegt. Der Bundestag könnte mit einer rückwirkenden authentischen Gesetzesinterpretation zu § 3 HWiG (jetzt § 357 BGB) die Schadensfolgen für die Zukunft mildern.
d) Bei kollektiven Schäden fehlt dem deutschen Recht ein angemessenes Instrumentarium. Nur eine Gruppenklage wie im Kapitalanlagemusterverfahrensgesetz vorgeschlagen, die tragbare und angemessene Lösungen für alle Beteiligten erzwingen könnte, würde helfen. Vorbild hierzu könnte einmal die Einrichtung eines Entschädigungsfonds bei den Contergangeschädigten zum anderen der Zwangsarbeiterfonds sein. Um zu einer solchen Lösung zu kommen, muss aber die Gesprächsbereitschaft der Banken zunächst erzwungen werden. Dies geht nur über kollektive Schadensersatzansprüche, wie sie bisher im UWG ansatzweise erkennbar sind oder über gebündelte Klagen der Verbraucherverbände, die dann auf der Grundlage einer verbraucherfreundlicheren Rechtsprechung verhandeln könnten.
e) Der Bundestag kann durch Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gem. Art. 44 GG (25% der Abgeordneten) die Ursachen für das Versagen des rechtlichen Schutzes (Aufsicht, Notare, Gerichte) gegenüber den Betroffenen ergründen und/oder mit einem Initiativantrag zu einer Fondslösung den entsprechenden Lösungsdruck in der Öffentlichkeit erzeugen. Eine Fondslösung hätte den Vorteil, auch Vorbehalte gegenüber der Entschädigung spekulativer Selbstschädigung berücksichtigen zu können.
iff Hamburg, den 30.04.07