HEARING IM FINANZAUSSCHUSS DES BUNDESTAGES

Am 19.9. 2007 hat der Direktor des iff im Deutschen Bundestag zur Finanzkrise bei Kreditverkäufen Stellung genommen. (schriftliche Stellungnahme im Anhang)

Zentral war dabei die mit einem Gesetzesvorschlag untermauerte Forderung nach einem Kündigungsschutz bei Krediten. Wo heute vollfinanzierte Eigenheimbesitzer quasi Mieter der Bank sind, kann es nicht angehen, dass Ihre Wohninteressen im Gegensatz zum Wohnraummieter vollständig bei der Beitreibung ignoriert werden. Nur mehr Schutz könne unverantwortliche Kreditvergaben reduzieren und den Kapitalmarkt entlasten.

Auf Fragen von SPD, Grüne und Linkspartei zeigte der Direktor des iff, Prof. Udo Reifner, auf, dass es nicht darum gehe, die 150 Mrd. € notleidender Kredite in Deutschland schnell und möglichst kostensparend für die deutschen Kreditgeber im Ausland oder gar beim Verbraucher in verbriefter Form wieder unterzubringen.

Würde dies die aktuelle Rechtsprechung, Gesetzeslage und die Aufsicht so wie es scheint erreichen, so entstünde eine Sogwirkung für notleidende Kredite, die in Zukunft Banken noch fahrlässiger agieren lassen. An den Praktiken der Hypovereinsbank wie der Berliner Bankgesellschaft oder Badenia krankt noch heute der Hypotheken- und Anlagemarkt. Wer faule Kredite vergäbe, so Reifner, müsse mit diesen Krediten auch belastet bleiben, weil sonst Belohnungen für unverantwortliche Kreditvergabe winkten.

Aus der Sicht der Verbraucher müsse der ursprüngliche Kreditgeber gerade auch in der Krise als Gesprächspartner erhalten bleiben. Ähnlich wie DIHT und BDI führte Reifner aus, dass alle persönlichen Kreditnehmer, Mittelständler ebenso wie Verbraucher darauf vertrauen können müssen, dass sie mit "ihrer" Bank Lösungen in der Krise finden können.

Besonders bedenklich findet das iff die vom Senatspräsidenten des Bankensenats des BGH, Nobbe, vorgetragene Meinung, es gäbe nicht nur laufende und gekündigte Verträge sondern eine neue Rechtskategorie "notleidender Kredite", bei denen die Verbraucher nur noch eingeschränkte Rechte hätten. Eine Berufung auf ihre vertraglichen Rechte wie z.B. auf die Einhaltung des Bankgeheimnis sei für diese Kreditnehmer "rechtsmissbräuchlich". Dass "fristlos kündbare" Kredite den gekündigten Krediten gleichgestellt würden sei ein deutlicher Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit, bei der jeder Verbraucher die Rechtssicherheit erwarten kann, dass der Kreditgeber den Vertrag entweder weiterführt oder ihn beendet.

Da es keine Instanz gäbe, die in laufenden Verträgen klären könne, ob der Vertrag überhaupt "fristlos kündbar" sei, würde eine unerträgliche Rechtsunsicherheit geschaffen. Statt mit Verbrauchern und Mittelstand Lösungen zu erarbeiten, würden Banken Kredite an Investoren verkaufen, die nur am schnellen Geld interessiert seien. Dies käme auch dahin, dass bestimmte Kredite überhaupt nur vergeben würden, weil sie bereits vorher verkauft seien. Reifner fragte, wie sich in Zukunft Arbeitnehmer fühlen dürften, denen die Berufung auf ihre Rechte aus dem Vertrag mit dem Hinweise verwehrt würde, sie seien im Prinzip ja fristlos kündbar, man wolle es nur nicht aussprechen. Ähnlich merkwürdig müssten sich Mieter fühlen, denen der Vermieter mitteilt, dass er nicht mehr alle Pflichten erfüllen wolle, weil sie ja kündbar seien. Notleidende Arbeitsverhältnisse, notleidende Mietverhältnisse und notleidende Kredite sind privatrechtlich und verfassungsrechtlich als Rechtsverweigerung nicht akzeptabel.

Reifner wies darauf hin, dass, wenn diese Auffassung sich als Auffassung des Bundesgerichtshofes durchsetze, der Gesetzgeber nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2005 zur vergleichbaren Übertragung von Versicherungsverträgen verpflichtet sei, dem Verbraucher stattdessen zusätzlichen Schutz bei Vertragsverkäufen gegen seinen Willen zu gewähren habe. Insoweit bestünde gesetzlicher Handlungsbedarf.

Bzgl. der Frage, ob Kreditnehmer vor der Verschleuderung ihrer Forderungen an Hedgefonds wie Mieter quasi ein Vorkaufsrecht erhalten sollten, wurde auf die wenig ermutigenden Ergebnisse im Wohnraummietrecht hingewiesen. Allerdings ist das iff der Auffassung, dass der Mittelstand durchaus mehr Chancen bekäme, wenn er das Recht hätte, durch Umschuldung den reduzierten Preis, der dem Investor angeboten wurde, zu bezahlen statt des Nominalwertes. Die Bank bekäme das Gleiche Geld und der Schuldner wäre entlastet.

Bei der Frage der Grundschulden wies er darauf hin, dass die Gewährung eines abstrakten Schuldanerkenntnis sowie des Rechtes auf sofortige Zwangsvollstreckung in das Heim ein Verhältnis sei, dass die Bank zu treuen Händen erhalten habe und deshalb nicht weiter übertragen könne.

GUTACHTEN DES IFF FÜR DEN VERBRAUCHERZENTRALEN BUNDESVERBAND

Das iff hat in der Frage des Verkaufs von Krediten an Investoren und Hedgefonds ein interdisziplinäres Gutachten für den Verbraucherzentralen Bundesverband erstellt sowie eine gesonderte verbraucherpolitische Stellungnahme für das Hearing des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 19.9.2007 erstellt. Dazu wird auch der Leiter des iff in der Sendung PlusMinus zum Thema "Verkauf von Krediten" in der ARD am Dienstag, den 18.9.2007 Stellung nehmen.

Das iff möchte in seinen Stellungnahmen den Blick auf die Auswirkungen dieser Verkäufe an teilweise für Kreditmanagement inkompetente Fonds auf die betroffenen in Not geratenen Hausbesitzer und Verbraucher lenken und hält daher die aktuelle Diskussion um Datenschutz und Solvenzsicherung der Banken für einseitig. Auch im Hearing im Bundestag, zu dem 23 Sachverständige geladen sind, wovon über 75% einen eher kapitalmarktorientierten Sachverstand mitbringen, wird es schwer sein, diese Diskussion zu verändern. Dabei stellt das iff in seiner Expertise nicht den Verkauf von Forderungen aus Kreditverträgen infrage sondern die Tatsache, dass Banken sich damit ihrer Pflichten gegenüber den Verbrauchern aus den abgeschlossenen Kreditverträgen entledigen und Dritte unkontrollierte Erwerber mit rein kommerziellen Interessen u.U. großen gesellschaftspolitischen Schaden anrichten.

ZUSAMMENFASSUNG DER STELLUNGAHME (im Anhang)

"Verkauf von Krediten

Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung des Finanzausschusses des deutschen Bundestages am 19.9.2007, 11.30 bis 14.30 Uhr
von Prof. Dr. Udo Reifner, institut für finanzdienstleistungen e.V.

Zusammenfassung: "Verbraucher dürfen von Banken nicht verkauft werden"

(1) (VERFASSUNGSMÄSSIGES RECHT DER VERBRAUCHER IHRE VERTRAGSPARTNER ZU WÄHLEN) Regierung, Bundestag, Aufsichtsamt und Bundesgerichte haben in den letzten Jahren ohne Analyse der gesellschaftspolitischen Folgen für in Not geratene Verbraucher die rechtlichen Möglichkeiten dafür erheblich erweitert, dass sich Kreditgeber von ihrem Engagement bei Verbrauchern lösen können, wenn diese in Not geraten sind. Damit wird ein alter Rechtsgrundsatz, den das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Deutscher Herold 2005 grundrechtlich geschützt sieht, verletzt. Er wurde früher so formuliert war:

"do jemand seinen glauben gelassen, da muß er ihn widerumb suchen" und ist im Volksmund heute mit der Weisheit bekannt, "wo Du Deinen Glauben gelassen hast, da sollst Du ihn auch suchen (können)"

Dieser Satz auf das vorliegende Problem angewandt bedeutet:

„Wem jemand im Kredit Haus und zukünftiges Einkommen anvertraut hat, der muss damit vertrauensvoll umgehen und darf es in der Not des Kunden nicht an Personen weiterreichen, die ohne Kompetenz und Kundenvertrauen darauf aus sind, mehr und vor allem schneller Geld aus den Betroffenen zu erlösen.”

Dieser Grundsatz ist im Gesetz in §415 Abs.1 BGB für alle Gläubiger festgelegt. In ihm kommt, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, ein auch vom Gesetzgeber nicht kompensationslos einzuschränkendes Grundrecht aus Art. 2 GG zur eigenverantwortlichen Vertragsgestaltung zum Ausdruck, wonach ohne Zustimmung der Verbraucher Kreditgeber sich nicht ihrer Verpflichtungen aus dem Kreditverhältnis entledigen dürfen.

(2) (BANKEN BLEIBEN IN DER PFLICHT) Dies bedeutet aber nicht, dass die Bank nicht das Recht haben soll, ihr Vermögen und hierbei insbesondere Forderungen aus Kreditverträgen auf einen anderen Marktteilnehmer zu übertragen. Grundsätzlich ist dies Abtretungsrecht nicht eingeschränkt. Auch Pflichten lassen sich mit Zustimmung der Verbraucher übertragen. Sie werden zustimmen, wenn dies auch für sie Vorteile bietet. Darüber hinaus erkennen Versicherungs- (§14 VAG) und Gesellschaftsrecht (§20 ff UmwG) Ausnahmen an, wenn unabweisbare Probleme beim Anbieter (Insolvenz der Versicherung) diese Lösung als im Gesamtinteresse aller Kunden ausweisen. Nach Kreditkündigung werden wenig Pflichten verbleiben, vorher aber ist dies anders. Allein der Grund, Kreditnehmer los werden zu wollen, die in Schwierigkeiten geraten sind, kann und darf aber nicht ausreichen. Sonst werden Banken, die in Werbung und Akquisition Vertrauen in Anspruch nehmen und sich gleichwohl ohne Skrupel die Vorsorge für eigene Krisen oder Krisen ihrer Kunden ersparen, dafür belohnt.

(3) (TRENNUNG VON ABTRETUNG UND ÜBERNAHNME) Deshalb ist eine klare Trennung zwischen wirtschaftlich sinnvoller Abtretung von Forderungen an vertrauenswürdige Übernehmer einerseits und grundsätzlichem Verbot der Übertragung aller Verpflichtungen, die eine Bank bei Vertragsschluss gegenüber dem Kunden übernommen hat, andererseits notwendig. Zu diesen übernommenen Verpflichtungen gehört es,
– in der Not beizustehen,
– gemeinsame Lösungen zur Fortführung der Kredite zu erarbeiten (in § 498 Abs.2 BGB, Verbot der "Kündigung zur Unzeit"),
– das Bankgeheimnis zu wahren,
– eine unnötige Überschuldung zu verhindern und
– den Kunden weiterhin mit dem von ihm ausgesuchten bzw. vertrauensvollen und kompetenten Partnern zu bedienen.

(4) (AUFSICHT) Wo das Gesetz im Interesse von Solvabilität, Effizienz und Kapitalbedarf zugunsten der Kreditgeber Ausnahmen zulässt oder wo Banken sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen solche Rechte vorbehalten, müssen diese Ausnahmen von der Aufsicht überwacht deutlich begrenzt werden, und sichergestellt sein, dass die neuen Partner der Kreditkunden die Pflichten aus dem übernommenen Verhältnis fachlich und durch entsprechende Präsenz übernehmen können und wollen und der ursprüngliche Kreditgeber weiterhin dafür einzustehen hat.
Banken sollen somit die Freiheit haben, ihr Geschäft ökonomisch effizient zu gestalten, die vertragsschließende Bank bleibt jedoch bis zur Rückzahlung in der Pflicht. Insbesondere darf die schwierige Situation der Verbraucher nicht dazu missbraucht werden, ihn unter Druck zu setzen und schlechtere Konditionen zu erreichen. (z.B. willkürliche Erhöhung der Zinsen bei einer Anschlussfinanzierung)

(5) DAS IFF FORDERT IM EINZELNEN:

– Die Aufsicht hat sicherzustellen, dass das unstreitig geltende Verbot, ungekündigte Verträge insgesamt ohne Zustimmung der Kunden zu übertragen, eingehalten wird.

– Soweit nur die Geldforderungen der Banken aus laufenden d.h. ungekündigten Verträgen übertragen werden, bleibt für Vertragsgestaltung und Servicing die alte Bank zuständig.
o Nur sie kann kündigen und nur von ihr muss der Verbraucher erwarten können, dass eine konstruktive Krisenbewältigung erfolgt.
o Handelt sie durch den Übernehmer, so ist er nur Beauftragter oder Erfüllungsgehilfe der Bank. Er muss selber die Bankqualifikation aufweisen. Die ursprüngliche Bank muss haften und das Verfahren weiterhin steuern.

– Treuhänderische Rechte, die der Verbraucher nur im Vertrauen auf den spezifischen Kreditgeber übertragen hat, sind nicht übertragbar. Dies gilt insbesondere für das Vorzugsrecht bei Grundschulden, Grundstücke ohne Anrufung der Gerichte zu versteigern. ("Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung")

– Bei gekündigten Krediten wirken die Verpflichtungen u.U. nach.
o Banken haben auch hier die vertragliche Pflicht, sich um Restrukturierung und möglichen Erhalt der Wohnimmobilie zu kümmern.
o Daher müssen sie bei der Abtretung dafür Sorge tragen, dass der Inkassoübernehmer sorgfältig ausgewählt willens und in der Lage ist, diese Pflichten zu erfüllen.

(6) Das iff schlägt die Erweiterung des §498 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 BGB in folgender Fassung für alle Verbraucherdarlehen vor:

Abs. 1 Satz 2 „Der Darlehensgeber ist verpflichtet, vor der Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages unter Berücksichtigung von Vorschlägen und Informationen des Verbrauchers zu prüfen, welche Möglichkeiten der Vermeidung einer Fälligstellung bzw. Überschuldung durch Anpassung des Kreditverhältnisses oder durch ein verändertes Angebot bestehen. Die Prüfung erfolgt in der Regel auf der Grundlage eines Gesprächs über die Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung, dass dem Darlehnsnehmer vom Darlehensgeber bei Darlehen i.S. des Abs. 1 spätestens mit der Fristsetzung im übrigen zusammen mit der letzten Mahnung angeboten wird.”
Abs. 3: „Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Immobiliardarlehensverträge.”

GLIEDERUNG DER ANGEHÄNGTEN STELLUNGNAHME (30 S.)

1 VERBRAUCHERSICHT UND UNTERNEHMERSICHT: „VERKAUF VON VERBRAUCHERN” ODER „VERÄUßERUNG VON SINGLE NAMES UND CREDIT-PORTFOLIOS BEI NON PERFORMING LOANS (NPL)”?

1.1 DIE EINSEITIGE BEFÖRDERUNG DES VERKAUFS NOT LEIDENDER KREDITE SEIT 2000
1.1.1 Bankaufsicht
1.1.2 Gesetzgeber
1.1.3 Rechtsprechung
1.2 DIE (VERFEHLTE) DISKUSSION OHNE SCHULDNER
1.2.1 Rechtliche Argumente: Bankgeheimnis und Fürsorgepflicht in der Krise
1.2.2 Ökonomische Argumente: „Schnäppchenjagd” und „notleidende Banken”

2 DIE INTERESSENLAGE

2.1 NOT LEIDENDE KREDITE UND NOT LEIDENDE KREDITNEHMER – DIE KOSTEN FÜR BANKEN, STAAT UND VERBRAUCHER

2.2 INTERESSEN DER BANKEN
2.2.1 Umstrukturierung
2.2.2 Outsourcing
2.2.3 Solvenzsicherung und Basel II
2.2.4 Imagewahrung bei hartem Inkasso
2.3 INTERESSEN DER ANLEGER UND KÄUFER (FONDS)
2.3.1 Hochverzinsliche Risikoanlage ohne Risiko
2.3.2 Niedrige Kaufpreise 20
2.3.3 Entwicklung eines eigenen NPL Marktes
2.4 INTERESSEN DER VERBRAUCHER – ANPASSUNG STATT ZERSCHLAGUNG
2.4.1 Was Verbraucher brauchen
2.4.2 Was Verbraucher nicht unbedingt brauchen
2.5 GEMEINSAME INTERESSEN ALLER BETEILIGTEN

3 LÖSUNG

3.1 GRUNDSATZ DES VERTRAUENSSCHUTZES UND DER VERTRAGSFREIHEIT (ART. 2 GG, §414 BGB)
3.2 GESETZGEBERISCHES HANDELN
3.3 GRUNDSÄTZE
3.4 GESETZLICHE REGELUNG