Der Ansatz der Verbraucherzentrale Hamburg, einen „Ampelcheck Geldanlage” auf den Markt zu bringen, ist grundsätzlich zu begrüßen und dies aus mehreren Gründen.

Es besteht ein großer Bedarf für eine einfachere Kennzeichnung von Finanzdienstleistungsprodukten. Private Geldanleger sind von der Produktfülle und den vielfältigen Namen zunehmend erschlagen. Statt dass die Produkte einfacher werden, verschleiern die Namen und Begriffe oft den Kern der Produkte und die Masse von Informationen erschlägt den Kunden. Auf der anderen Seite fehlen wichtige Informationen wie eine Gesamtrendite bei bestimmten Anlageprodukten.

Daher lag es auf der Hand von der Politik nach zwei Jahrzehnten ständig zunehmender Informationspflichten eine einfache Bildsprache zu fordern, die einem durchschnittlichen privaten Anleger – sprich Verbraucher – mit einem Blick erlaubt, das Produkt zu erfassen. Eine „Ampel für Finanzprodukte” scheiterte aber im ersten Anlauf und galt wegen der Komplexität der Produkte erst einmal als nicht umsetzbar.

Als nach der ersten Euphorie deutlich wurde, dass eine Ampel für Finanzprodukte nach dem Vorbild der Lebensmittelkennzeichnung in anderen Ländern nicht so einfach möglich ist, wurde eine Ampel daher erst einmal auf der politischen Ebene verworfen. Trotzdem blieb das Thema „Vereinfachung und Transparenz von Information” auch im Wahlkampf präsent. Von der SPD wurde der Begriff „Finanz TÜV” in die Diskussion gebracht, die Grünen fordern einen „Beipackzettel” für Finanzprodukte. Und auch die verbraucherorientierten Verbände fordern qualitativ bessere und einfach zu erfassende Informationen: Der Bund der Versicherten (BdV) sprach sich dieses Jahr für eine Art „effektiver Jahreszins für Altersvorsorgeverträge” aus, um die Produkte für Verbraucher transparenter zu machen und der VZBV fordert schon seit Jahren standardisierte Informationen über die Kerneigenschaften des Produkts und Vertrages.

Trotzdem gab es aufgrund der Komplexität des Themas bisher keine praktischen Ansätze für die Umsetzung. So leicht wie Fett, Zucker und Salz lassen sich Geldanlageprodukte nicht mit den Farben grün, gelb und rot (= gering, mittel, hoch) markieren.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Eigeninitiative ergriffen und eine erste von ihr entwickelte Ampel für Finanzprodukte („Ampelcheck Geldanlage”) als Heft aufgelegt. Es war klar, dass ein derartig schwieriges Projekt nicht einfach umzusetzen sein wird und als erstes Projekt starker Kritik ausgesetzt sein wird. Umso mutiger war dieser Schritt. Es gibt natürlich Nachbesserungsbedarf und die Wertung einzelner Produkte muss aufgrund der Reaktionen insgesamt überdacht werden. So ist zum Beispiel die Bewertung von Gold als Anlageempfehlung problematisch und der Ampelcheck will auch nicht die Rentenversicherung durch ein Sparbuch mit 0,75 % Zinsen ersetzen, wie aus Vermittlerbranche süffisant behauptet wird. Hier muss die Wirkung der Darstellung noch einmal bedacht werden und die Wertung daraufhin überarbeitet werden.

Die massive Kritik ist jedoch nicht angebracht. Insbesondere die Versicherungsbranche fand sich mit ihren Kapital- und Rentenversicherungen zu schlecht dargestellt. Dies war verständlich, denn eine Ampel gefährdet das bestehende Verkaufs- und Provisionssystem dieser Produkte ebenso wie es die Offenlegung von Gesamtrenditen auf die eingezahlten Beiträge tut.

Besonders eine Branche, die für Intransparenz ihrer Produkte seit Jahrzehnten bekannt ist, tut sich sehr schwer mit einer derartigen Kritik an ihren Produkten. Wer als Kunde erfährt, dass man innerhalb seiner statistischen Lebenserwartung gerade einmal das eingezahlte Geld garantiert wieder erhält und die erwartete Gesamtrendite inklusive Überschüsse wenn überhaupt, dann gerade einmal die durchschnittliche Inflation erreicht, wird ebenso enttäuscht sein wie ein Kunde, der erfährt, dass das freundliche „kostenlose” Gespräch 3.840 Euro an Provisionen kostet (Beispiel Berufseinsteiger 27 Jahre, 40 Jahre Ansparphase, 200 Euro monatlich 96.000 Euro Beiträge, davon 4 % Provision sind 3.840 Euro), wobei laufende Kosten des Vertrages und Kosten der Auszahlungsphase noch gar nicht berücksichtigt sind.

Daher war es auch nicht erstaunlich, dass ein Versicherungsunternehmen mit einer einstweiligen Verfügung per Gericht gegen den Ampelcheck der Verbraucherzentrale Hamburg vorgegangen ist. Denn Versicherungsprodukte als Anlageprodukte schnitten in dem Ampelcheck nicht besonders gut ab. Dass gerade ein in der Vergangenheit besonders positiv aufgefallener Versicherungsverein gegen die Verbraucherzentrale Hamburg vorgegangen ist, der aufgrund seiner Produkte, Konditionen und einer branchenunüblichen Transparenz in der Vergangenheit öfters positiv aufgefallen ist, ist wahrscheinlich taktischen Gründen geschuldet. Inzwischen wurde die einstweilige Verfügung gegen die Verbraucherzentrale Hamburg wieder aufgehoben.

Die Kritik hat jedoch an Schärfe und Bedeutung zugenommen. Es geht bedauerlicherweise nicht mehr um die Sache selbst, wie also eine „Ampel” oder einfachere Produktinformationen aussehen können, sondern nur noch um den Angriff einer Versicherungswirtschaft gegen die Verbraucherzentralen, für die sich auch Herr Rürup sozusagen als Sprachrohr des AWD nicht zu schade ist.

Im Tenor wird der „Ampelcheck Geldanlage” als Aufhänger von der Versicherungswirtschaft genommen, ihre Produkte für gut und die Kritiker ihrer Produkte als unfähig zu erklären. Was aber noch schlimmer ist, die Intransparenz von Versicherungen mit Sparcharakter wird als gegeben und unüberwindbar verbreitet. Allein die Beratung, sprich das blinde Vertrauen der Verbraucher in die Vermittler und Berater, wird zur Maxime erklärt.

Dabei wird bewusst unterschlagen, dass Information in der Regel eine unterstützende Funktion einer Beratung – wenn sie wirklich den Namen verdient – hat und Beratung an sich nicht ersetzen kann.

Dass die Versicherungswirtschaft so aggressiv ist, liegt nicht nur an der seit Jahren bestehenden Kritik gerade auch von Verbraucherverbänden an deren Versicherungen mit Sparcharakter, allen voran die Kapitallebens- und Rentenversicherungen. Viel stärker trifft die Versicherungswirtschaft die Einbrüche ihrer Verkaufszahlen. Im Jahr 2008 hat der Verkauf von Altersvorsorgeprodukten noch das Anlagegeschäft der Versicherungen insgesamt gerettet. Ungeachtet dessen geht die Anzahl der Neuverträge deutlich zurück. Neue Studien lassen noch größere Einbrüche vermuten. Wenn der Verkauf von Altersvorsorgeprodukten zurückgeht, ist der Bestand der Lebensversicherungsbranche in seiner bisherigen Ausrichtung im Kern gefährdet.

Aktuelle Umfragen wie von der Postbank zum Thema Altersvorsorge belegen dies deutlich. Die sinkende Bereitschaft zur Altersvorsorge ist dabei nicht der Kritik der Verbraucherzentralen geschuldet, die ja schon jahrelang besteht. Vielmehr hinterfragen in Zeiten der Krise die Bürger stärker, was sie eigentlich für Verträge abgeschlossen haben. Wenn das gebildete Kapital noch nicht einmal die eingezahlten Beiträge erreicht hat und die Renditeerwartung ein diffuses Gefühl erzeugt, gibt es wenig Gründe, die Altersvorsorge nicht konkreteren existenziellen Zielen zu opfern. Das iff hat schon lange vor hohen Abbruchquoten und unzureichenden Verträgen auch in der staatlich geförderten Altersvorsorge, die von Versicherungen dominiert wird, gewarnt. Doch für die Politik zählte jahrelang allein die Anzahl der abgeschlossenen Verträge. Das rächt sich nun in Krisenzeiten.

Dabei ist der Abbruch von Altersvorsorgeprodukten insbesondere bei Rentenversicherungen oft die schlechteste Variante, weil dadurch hohe Kosten bzw. Verluste entstehen und die Altersvorsorge oft auch nicht mehr später aufgegriffen wird. Die Kunden stehen dann viel schlechter da, als wenn sie die Altersvorsorge weiter kontinuierlich fortgeführt werden.

Die Versicherungswirtschaft hat insgesamt Schwierigkeiten, sich wie andere Branchen den Kunden gegenüber zu öffnen. Sie sind quasi 30 Jahre hinter der Entwicklung vergleichbarer Branchen bei ihrer Informationspolitik gegenüber den Kunden hinterher. Trotzdem dominieren sie den Markt bei Altersvorsorgeprodukten. Wenn sich jetzt die Verbraucher zurückziehen und den Sparprodukten der Versicherungsbranche zunehmend verweigern, ist das nur die Konsequenz aus den unzureichend verbraucherfreundlichen Produkten der Anbieter.

Die Versicherungswirtschaft kritisiert an dem Ampelcheck, dass Finanzprodukte prinzipiell zu komplex sind, um sie auf die Farben rot, gelb oder grün zu reduzieren. Experten der Versicherungswirtschaft wie Rürup halten eine Ampel grundsätzlich für untauglich. Sie argumentieren, dass Finanzprodukte auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein müssen, was nur durch eine individuelle Beratung erreicht werden könne.

Natürlich lässt sich an dem „Ampelcheck” vieles kritisieren. Statt aber konstruktiv mit dem „Ampelcheck” umzugehen – Kritik im Detail anzubringen – und mit einem Gegenvorschlag an Transparenz zu kontern, wird der Ansatz von Grund auf als falsch verworfen, rechtliche Schritte eingeleitet und die alten Zeiten, als die Vertreter und Vermittler ihren Kunden noch alles unter dem Deckmantel einer „Beratung” verkaufen konnten, als das einzig Wahre verkauft. Die Versicherungswirtschaft verweigert sich damit inzident der Transparenz ihrer Produkte und einer Veränderung ihrer Verkaufspraktiken weg von der Vermittlung und hin zu einer unabhängigen Beratung allein im Kundeninteresse. Der Schritt der Versicherungswirtschaft, sich gegen eine „Ampel” der Verbraucherzentralen zu wehren, ist daher in Wahrheit die Dokumentation der Rückständigkeit der gesamten Versicherungsbranche. Es ist eine Bankrotterklärung der Lebensversicherungswirtschaft, die derzeit mit dem Rücken zur Wand steht und sich schwer tut, an die neuen Erfordernisse heutiger Verbraucher bei Geldanlageprodukten anzupassen. Langfristig helfen wird die Klage der Versicherungswirtschaft daher wahrscheinlich nicht, wenn sie ihre Produkte nicht transparenter und kundenfreundlicher gestaltet und mit anderen Produkten vergleichbar macht.

Die Ampel ist nur zufällig der Aufhänger für den Konflikt zwischen Versicherungswirtschaft und den Verbraucherzentralen geworden, wahrscheinlich weil er die Kritik an den Kapitallebens- und Rentenversicherungen für die Verbraucher so plastisch werden lässt. Der Konflikt zwischen Versicherern und Verbraucherzentralen besteht schon seit längerem aufgrund der vielfältigen Probleme von Verbrauchern mit diesen Produkten, ihren tatsächlichen Renditen, der oft vorherrschenden Intransparenz, den Verlusten bei vorzeitigem Ausstieg und den vorherrschenden Verkaufspraktiken. Bedauerlicherweise führt die Zuspitzung des Konflikts dazu, dass die Idee einfacher bildlicher Produktinformationen an sich dadurch zunehmend als unmöglich angesehen wird.

Der Versuch einer Ampel für Geldanlageprodukte durch die Verbraucherzentrale Hamburg ist aber zum Teil in der Öffentlichkeit und den Medien im Kern positiv aufgenommen worden. Dies zeigen Kommentare in der Frankfurter Rundschau vom 15. Oktober 2009 aber auch der rege Verkauf der Broschüre „Ampelcheck Geldanlage”. Der Bedarf an einfachen Produktinformationen ist eindeutig vorhanden. Die Frage ist nur, wie man dies umsetzen kann. Es ist an der Zeit, an diesem Thema inhaltlich weiterzuarbeiten und nicht zu versuchen, einfache Hilfen zur Produkteinschätzung von Anbieterseite zu verhindern.

Dazu gehört wahrscheinlich auch, den Versicherungsunternehmen die Angst zu nehmen, man wolle sie grundsätzlich abschaffen oder halte sie für überflüssig. Versicherungen sind für Verbraucher und Unternehmen von großer Bedeutung bei der Absicherung von Risiken, die man selbst als Individuum kaum tragen kann. In diesen Fällen werden sie auch von den Verbraucherzentralen, sei es in Hamburg oder anderen Bundesländern, regelmäßig empfohlen. Eine Kritik am Verkauf von intransparenten und teuren Ansparprodukten mit Versicherungscharakter, die in den Bereichen Flexibilität und Renditeerwartung oft schlecht sind, muss darüber hinaus aber erlaubt sein. Verbraucher erkennen dazu oft nicht, was sie im Versicherungsmantel eigentlich einkaufen, wie ein aktueller NDR-Test zeigt und sie können die mögliche Rendite auch nicht einschätzen. Verbraucher erhalten dazu unabhängig ihrer individuellen Situation oft keine Beratung, die den Namen verdient hätte, aber fast immer Rentenversicherungen, wenn sie nach „Altersvorsorge” fragen. Eine Kritik an Versicherungsprodukten mit Sparcharakter ist daher derzeit grundsätzlich begründet und erlaubt.

Es bleibt den Versicherungsunternehmen überlassen zu zeigen, dass sie bessere und transparentere Produkte auf den Markt bringen können. Andere Branchen haben damit weniger Probleme.