Griechenland zieht Konsequenzen aus der Krise

Chauvinismus und griechische Misswirtschaft

Deutschland hat Schwierigkeiten damit, Gelddinge beim Namen zu nennen und sachlich zu beurteilen. Chauvinismus und die dumme Überheblichkeit einer Vormacht prägten die Artikel in Focus, Welt und Bild-Zeitung, mit der die Ehre der Griechen getroffen wurde, die immer noch wissen, dass die kürzeste Besetzung ihres Landes in der Geschichte zugleich die schrecklichste war. Wer seinen Urlaub in Kreta verbringt kann Zeugnisse dazu überall finden. Dass diese Gazetten dem Ruf Deutschlands im Ausland geschadet haben, kann man bereits an den italienischen Zeitungen sehen, die den Fokus-Titel auf Seite 1 brachten und damit den hässlichen Deutschen meinten.

Dass ein Defizit in Griechenland von mehr als 10% gegenüber einem Defizit in Deutschland und Frankreich von über 5% für den Euro insgesamt bedeutungslos ist, weil das Bruttosozialprodukt, in dem es gemessen wird, so ganz andere absolute Zahlen hervorbringt, wird den Deutschen verschwiegen. An Griechenland kann man sich austoben, an den Großen eben nicht. Auch der Umstand, dass eine deutsche Regierungsbürgschaft von 500 Mrd € mit keinem Cent in der deutschen Schuldenbilanz auftaucht, fällt niemandem auf. Einer unserer Garantierten, die Commerzbank, konnte bisher nicht einmal die Bürgschaftsprovisionen bedienen. Von HRE, HSH etc. sprechen wir gar nicht. Dass in Frankreich das Pensionsalter bei 60 liegt und im Durchschnitt die Leute mit 55 gehen, fällt auch unserer Regierung nicht auf. Schmähen mag die heilige Allianz keiner, zumal auch noch die politische Richtung der Regierungen stimmt. Die faktische Pensionierung in Deutschland liegt ohnehin unter 60. Die faulen Griechen und ihr Schlendrian, erst entdeckt, nachdem die Sozialisten an die Regierung kamen und damit aufräumten, sollte in die richtige Dimension gerückt werden, ohne dass dabei die Kritik vor allem an der in der Europäischen Volkspartei mit CDU und CSU zusammengeschlossenen konservativen Karamanlis-Partei in Griechenland zurückgehalten werden müsste. Auch 14 Monatsgehälter gab es lange in Deutschland und die Nebenverdienste der Beamten etwa als Versicherungsvermittler blühen unangetastet. Was Deutsche durch Zerstörung griechischer Inseln und mit Bestechung anrichten kann man nur ermessen, wenn man die Siemensaffäre mit 1 Mrd. Bestechungsgelder einmal als normalen Vorgang begreift, der bis heute eher nebenbei behandelt wird.

Griechenland ist nur der sichtbare Ausdruck einer Krise der Glaubwürdigkeit bei Finanzen

Das Hauptproblem der griechischen Krise ist die Verlogenheit unserer Bilanzen und Staatshaushalte, die bis heute keine Risiken bilanzieren, die Verschiebung von Schulden etwa im Bereich Verkauf und Rückmiete erlaubten und den Gemeinden die Spekulation in wertlosen Papieren zusagten, die sie dann im Haushalt falsch bilanzieren durften. Griechenland hat sich hier von J.P. Morgan so beraten lassen wie es etwa auch deutsche Landesbanken in Sachsen und Bayern bei Investmentbanken taten und dadurch die wundersame Vermehrung seines Vermögens auf dem Papier betrieben. Das kann heute jeder wieder machen und Basel II sieht hier nichts anderes vor, als dass ein Rating von durch Interessenkonflikte korrumpierte, in drei Monopolen agierenden Ratingagenturen aus den Finanzzentren der Welt die Bedenken zerstreuen, wenn die Provisionen stimmen.

Die Armen zahlen mehr – das trifft jetzt Griechenland aber auch deutsche Verbraucher

Hat man sich jahrelang gerne belügen lassen, weil es international üblich war, so fällt man jetzt über die Schwächsten her. Und denen drohen jetzt nach dem Prinzip des risk based Pricing doppelt so hohe Kreditzinsen. Unsere ärmeren Verbraucher kennen dies, wenn sie dasselbe bei Kontoüberschreitung und Kreditkarte bezahlen müssen. Die Armen zahlen mehr auch wenn sie wie mit Sicherheit Griechenland letztlich ihre Schulden voll tragen können und werden. 750 Mio € kostet allein zusätzlich die kleine Tranche von 4,5 Mrd. €, die Griechenland am Kapitalmarkt aufnahm. Sie müssen noch 50 Mrd. € weiter umschulden, so dass das Land mit 1/8 unserer Bevölkerung und weit niedrigerer Wirtschaftskraft für unsere Banken und Investoren mit ihrem Sozialhaushalt bluten muss. Mit der Ungerechtigkeit des risk based pricing beuten wir im eigenen Land die schwachen Verbraucher und in der EU jetzt auch die schwachen Länder aus und verkaufen das Ganze noch mit Schmähkritik nach dem Motto wer den Schaden hat braucht für Spott nicht zu sorgen.

Ratingagenturen sind Kartelle, die die Preise für Arme in die Höhe treiben

Warum sind eigentlich alle so darauf erpicht, einige Staaten in Europa schlecht zu reden, so dass man jetzt sogar den Namen „Schweine“ (PIGS für Portugal, Irland/Italien, Griechenland und Spanien) für sie einführt? An den Zahlen kann es nicht liegen und auch nicht daran, dass wir dafür bezahlen. Im Gegenteil, die Abwertung des Euro im Cent Bereich kommt der Exportnation Deutschland zugute. Die wirtschaftliche Schwäche in diesen Staaten macht den deutschen Touristen Freude. Die politische Schwäche stärkt die Achse Merkel – Sarkozy, die inzwischen zur EU-Regierung aufgestiegen sind und deren Kompromiß als Lösung der 27 Mitgliedsstaaten gepriesen wird, bevor die ihn überhaupt zur Kenntnis genommen haben. Wir werden in der Zukunft politisch für ein solches Europa teuer bezahlen, weil der Zusammenhalt ausgehölt wird.

Der Hintergrund der Diffamierungen liegt darin, dass man nicht nur mit Armut sondern vor allem mit der Etikettierung anderer als „arm“ viel Geld verdienen kann. Die drei Ratingagenturen Fitch, Standard & Poors und Moody sind nämlich untereinander abgesprochene Monopole, so wie die sieben Schwestern der Erdölkonzerne, die ihre Ratings (Preise) immer nach Art eines Frühstückskartells sukzessive anpassen. Ein schlechtes Rating ist nämlich bares Geld für Investoren. Die Schuldner müssen einen sog. Risikoaufschlag bei ihren Kreditaufnahmen (sprich Schudverschreibungen) bezahlen. Der beträgt bei Griechenland 100% (6% bei 3% Marktzins), bei Portugal jetzt 41% (1,25% Aufschlag). Die Geldmärkte, die von den Gläubigern (Investoren) bestimmt werden, greifen gierig nach den Chancen dieses Arm-Redens. Niemand prüft nach. Keiner wagt einzuwenden, dass kein Land der Eurozone pleite gehen wird, weil damit auch der Euro der reichen Nationen getroffen würde.

Ratings sind notwendig, Kartelle aber gerade gegenüber den Schwächsten sind schlimm. Wer daran glaubt, dass die Marktwirtschaft nicht nur das Gesetz der großen Zahl hat, das die Schwachen diskriminiert, sondern die Schwchen umgekehrt auch gegen das Monopol und die feudale Ausbeutung sichert, der muss Wettbewerb für die Reichen und Kartellmöglichkeiten für die Schuldner suchen.

Rating ist keine Wirtschaftsleistung, die nach Angebot und Nachfrage funktionieren darf. Rating ist eine objektive Bewertung von Kreditwürdigkeit, Zukunftschancen und Potentialen. Es ist im wesentlichen eine wissenschaftliche Aufgabe. Deshalb müssen Ratingagenturen in gemeinnützige Formen überführt werden und es muss mehr davon geben, damit wie in der Wissenschaft über den offenen Diskurs so etwas wie Wahrheit entsteht. Nur die kann davor schützen, dass die Pleitegeier die eigentlichen Ursachen für den Tod lebendiger Staaten und Verbraucher sind.

Bei allem Gerede über Staatsbankrott sollte man daher die Verbraucherinsolvenz als Modell nehmen. Der Mensch, ob staatlich organisiert oder individuell wirtschaftend, lebt weiter. Nur seine Schulden müssen sterben, da sie die Zukunft mit der Vergangenheit verstellen. (näheres dazu in dem Buch „Die Geldgesellschaft“, VS Verlag 2010)

Vom Sozial“staat“ zur Sozial“gesellschaft“

Die griechische PASOK hat ein umfassendes Sparprogramm für den Staat aufgelegt. Betroffen sind alle Sozialausgaben: die Arbeitnehmer, die Jungen, die Familien und vor allem die Schwächeren. Es blieb nichts anderes übrig, wollte man seine Souveränität nicht ganz an Brüssel verlieren.

Gleichzeitig aber hat sie ein Programm aufgelegt, mehr soziale Gerechtigkeit in der Wirtschaft selber zu verwirklichen, d.h. die sozialen Unkosten des Kapitalismus an ihn selber zu delegieren. Mit der Verabschiedung einer Insolvenz für Verbraucher nach deutschem Vorbild aber einer nur vierjährigen Wohlverhaltensperiode geht sie in die richtige Richtung. In dem Vortrag, den Prof. Udo Reifner vom iff auch für die Europäische Koalition für Verantwortung im Kredit(ECRC) hielt, ging es darum, hier Ideen und theoretisches Fundament zu geben. Das haben die auf Einladung der griechischen Wirtschaftsministerin versammelten Personen in Athen mit viel Beifall bedacht. Wir dokumentieren das unkorrigierte Redemanuskript.