Ohne Girokonto ist man in Deutschland kein vollwertiger Mensch. Vereine, Arbeitgeber, Kreditgeber, Sozialbehöre – alle setzen ein Girokonto voraus. Dem steht ein privat organisiertes Bankwesen gegenüber, dass zwar vollständig mit staatlicher Hilfe existiert und überlebt, sich aber mit Ausnahme der Sparkassen zum öffentlichen Auftrag im Geldwesen nicht bekennen mag. Andere Länder wie Frankreich und Belgien haben daher seit langem die Pflicht ihrer Banken vorgeschrieben, jedermann ein Girokonto anzubieten.

Das iff hat in einem Gutachten für die Verbraucherverbände bereits 1995 die rechtlichen Konturen und die Notwendigkeit eines zivilrechtlichen Rechts auf Girokonto dargestellt.
(vgl. Reifner, Das Recht auf ein Girokonto, Zeitschrift für Bankrecht 1995, 243-260) In der Zwischenzeit sind die Probleme der Kontolosen, wie der iff-Überschuldungsreport regelmäßig feststellt, dramatisch gestiegen. Die Banken haben es noch vor Jahren geschafft, mit einer „Selbstverpflichtung“ die Rechtspflicht abzuwehren. Doch nur die Verbände und keine einzelne Bank hat dies jemals unterschrieben. Die CDU-geführten Bundesregierungen (aber auch die Schröder-Regierung) haben sich mit dem Schein eines Mindestgirokontos als Teil der Güter der ersten Notwendigkeit gerne zufrieden gegeben. Das SPD-geführte Hamburg greift nun die Idee von 1975 auf und verwirklicht sie auch in der Konstruktion, wie sie damals vorgeschlagen wurde: die Pflicht auf ein Girokonto als eine Pflicht aus vorvertraglichem Schutzverhältnis im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot.

Wir dokumentieren den begrüßenswerten Entwurf, nachdem die Bundesregierung mit den Banken zusammen de facto beim pfändungsfreien P-Konto gegen die Überschuldeten gestimmt hat: ab Januar 2012 fällt bei ihnen der Pfändungsschutz auf allen Konten weg, die Banken räumen teilweise keine P-Konten ein und im Übrigen schrecken sie häufig mit überhöhten Gebühren ab. Solcher Art entweder schlampiger oder absichtlich untauglicher „Sozialreform“ hatten wir in der jüngsten Vergangenheit genug. Es wird Zeit, dass auch in Deutschland, wie es in den Niederlanden die Organisation Nibud macht, für jedes Gesetz vorher durchgerechnet wird, was es die verschiedenen Haushalte im Ergebnis kostet und was es bringt. Dann hätte man das P-Konto so nicht verabschiedet. Das Mindestgirokonto könnte den Fehlstart jetzt reparieren. Man darf gespannt sein, wie die Empfänger von Milliarden staatlicher Hilfe auf diesen Vorschlag einer öffentlichen Pflicht reagieren werden.