Wir haben in einer ersten Stellungnahme versucht, mehr Transparenz zu den kreditvermittelten Vorteilen zu schaffen. Wir mussten uns dabei auf Zeitungsberichte stützen. Jetzt haben wir die Informationen des Anwaltsbüros aus erster Hand sowie aus dem Fernsehinterview. Die neuen Daten lassen einen schlechteren Zins als Euribor 6 Monate vermuten. Es sei Euribor 3 Monate + X oder * Y.  Diese Information hat Rechtsanwalt Lehr zu dem Geldmarktdarlehen nach dem Interview gegenüber dem ZDF gegeben. Bestätigt wurde aber, dass die Zinssätze bei 0,9% und 2,1% p.a. lagen. Unklar bleibt, welche Laufzeit der Rahmenvertrag hatte, die bisher ohne Dementi bis zur Pensionsgrenze angeben war. Unklar ist auch, ob er für die Bank unkündbar war, ob die jährliche Rückzahlung wie anfangs gemeldet mit 10.000 € gedeckelt war. 
Vollkommen neu ist nun die Information, dass der Zinssatz bei dem Geldmarktdarlehen nun doch nicht wie auf dem Internet angegeben einen wie in variablen Darlehen üblichen fixen Aufschlag auf den Euribor habe (es wären zwischen 0,24 und 0,6% gewesen) sondern wie wir es aus variablen Anlageprodukten kennen, mit einem Faktor arbeite, der den Zinssatz entsprechend durch Multiplikation erhöhe. (1,36 oder 1,46)  Wir haben beide Annahmen getestet und kommen bei dem angegebenen Drei-Monatsgeld-Euribor zu keinem konsistenten Ergebnis, jedoch gleichwohl mit allen Variationen gerechnet. Dies soll nur die Vorlage der wirklcihen Zahlen herausfordern. Nur wer den Kreditfvertrag und die tatsächlich benutzten Zinssätze 2010 und 2011 kennt, kann den Vorteil wirklich berechnen. Das Versprechen in dem transkribierten  Interview muss noch insoweit eingelöst werden: „Ich glaube diese Erfahrung, dass man die Transparenz weitertreiben muss, die setzt auch neue Maßstäbe. Morgen früh werden meine Anwälte alles ins Internet einstellen. Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger jedes Detail zu diesen Abläufen sehen und bewertet sehen, auch rechtlich. Und ich glaube nicht, dass es das oft in der Vergangenheit gegeben hat und wenn’s das in Zukunft immer gibt, wird es auch unsere Republik offenkundig auch zu mehr Transparenz positiv verändern.“ 

Die größte Vermittleragentur auf dem Internet, die wie sie selber sagt mit allen großen Banken arbeitet, erklärt jetzt den Bundespräsidentenkredit für üblich und will, so ihre Werbebotschaft, allen Verbrauchern solche Präsidentenkredite vermitteln. Dabei kennt sie allerdings dessen Konditionen offensichtlich nicht (sie geht von 3 Monatskrediten ohne Rahmen aus) erklärt ihre  variablen Hypothekenkredite kurzerhand zu Geldmarktfinanzierungen, die dem Geldmarktdarlehen untergeschoben werden. Sie weiß erklärt, der Verbraucher trage bei variablen Krediten das Risiko und verschweigt sein Kündigungsrecht 
Die Wulff-Kredite eigenen sich nicht zur Werbung.  Es geht um mehr: um die undurchdringlichen Sonderkonditionen von Banken an spezielle Kunden, die das System so unberechenbar machen. Deshalb muss mehr aus diesem Problem gemacht werden als die Schelte eine Präsidenten, der kein Vorbild ist. Die Darlehenskonditionen der mit öffentlichen Geldern geretteten Banken müssen transparenter werden, wo sie an Funktionsträger fließen, sonst kann im Banksektor keiner mehr wissen, wo Vorteilsnahme anfängt und wo sie aufhört.

Wir drucken nunmehr eine zweite Tabelle ab, die die Durchschnittswerte der Vergangenheit bei Euribor und variablen wie fixen Hypothekenkreditzinssätze auf die Zukunft hochrechnet und mit den neuen Daten versucht, dem Ergebnis näher zu kommen. Wir wissen jetzt, dass Wulff schon teilweise zurückbezahlt hat und das nicht der Euribor sondern Euribor * Y der Zins war. Wir kommen dann immer noch auf einen Vorteil für die gesamte Laufzeit von 84.000 € und einen eingetretenen Vorteil von 16.000€ . Vielleicht wird er noch geringer, wenn wir noch mehr wissen. Trotzdem geht kein Weg daran vorbei, Kreditvorteile zu konstruieren, solange man keine Transparenz erhält..

Die neuen Aussagen

In seinem Fernsehinterview hat Christian Wulff gesagt, dass (I.) alles rechtmäßig gewesen sei, (II.) er a) von Geerkens und b) von der BW-Bank keine Vorteile erhalten habe und (III.) der Kreditvertrag schon am 25. November 2011 mit der BW-Bank geschlossen wurde.

Er und seine Anwälte haben eine Ablaufschilderung auf dem Internet zur Verfügung gestellt, die teilweise neue Fakten enthält, teilweise alte Fakten revidiert und in vielen Fragen Ratlosigkeit auslöst.

Dabei darf nicht der Eindruck entstehen, die Presse nutze das Sensationsbedürfnis vieler Leser aus und produziere unablässig neue Fakten allein deshalb, um im Geschäft zu bleiben. So etwas führt zu einer Hetzjagd, der kein Mensch, auch nicht der Bundespräsident, gewachsen ist. Die Presse sollte sich Zeit nehmen und die Sachverhalte aufklären. Das ist bisher in den Kernfragen noch zu wenig geschehen .

Wulffs wütende Anrufe bei der Chefredaktion müssen auch aufgeklärt werden. Dazu ist es nicht unerheblich, ob er mit Recht wütend sein konnte. Dabei sollten wir auch erfahren, welche Interventionen von Politikern, Managern, Künstlern und Konzernen üblich sind, um Berichte über sich zu verhindern oder auch zu erzwingen. Die Presse kennt die Fakten sehr genau. Mit der Spiegel-Affäre, als ein Journalist im Gefängnis saß, weil ein Minister sein Amt missbrauchte, ist das nicht vergleichbar. Dass ein unbeherrschter Bundespräsident uns nicht gut tut, das hat Wulff selber eingesehen und sich entschuldigt.
Deshalb sollte man zu den Vorgängen um den Kredit zurückkehren. Hier geht es um ein weit größeres Thema: den Einfluss der Banken auf die Politik. Wir haben von den Vergünstigungen der SachsenLB an den dortigen Ministerpräsidenten gehört, von den Politikerbonds der Berliner Bank, von den Amigogeschäften der Bayerischen Landesbank mit Jörg Haider, von den Jets der WestLb und von den Gewinnabführungen der HSH-Nordbank. Es gibt genug Indizien, um eine viel wichtigere Problematik zu lösen: Wie können wir es schaffen, dass sich unsere Banken mit günstigen Konditionen, Krediten und Vorzügen persönliche Kontakte in die Politik schaffen, die zu undemokratischen Abhängigkeiten führen? Aber zurück zur Kreditaffäre.
 

I. War alles rechtsmäßig?

Wer das weiß ist ein Hellseher. Wulff ist Rechtsanwalt und weiß, dass nach einer alten Weisheit unter Juristen nicht einmal die Gerichte „Recht sprechen” sondern „Urteile fällen”, die eben auch falsch sein können. Er hat also nur gemeint, dass alles rechtmäßig war. Das zu behaupten ist sein gutes Recht. Er sollte aber als Bundespräsident anderen die Beurteilung überlassen. Dass er auch rechtlich nicht alles wissen kann, hat er mit seiner Nebenbemerkung, Kreditverträge könnten auch mündlich abgeschlossen werden, gezeigt. §492 BGB sagt für Verbraucherdarlehen etwas anderes. Aber das muss er auch nicht wissen, denn auch kein Jurist kennt das ganze Recht auswendig.

Wir sollten daher das verfassungsrechtliche Recht schützen, seine rechtliche Einschätzung zu geben, so wie jeder entlastet wird, der das Unrechte seiner Tat nicht wußte bzw. wissen konnte. („nulla poena sine culpa”)
 

II.a Hatte Wulff einen (rechtswidrigen)Vorteil von Geerkens?

Die von uns benutzten Zahlen im Kredit Geerkens haben sich bestätigt. Der Vorteil von Wulff bestand darin, dass er keine Vorfälligkeitsentschädigung (13.194,12 €) bezahlen musste und dass er trotz mangelnder Sicherheiten einen guten Kredit (Differenz zum Marktdurchschnittszins: 2.625,00 €) bekam. Doch beide Vorteile hätte er auch bei einem normalen Bankkredite erhalten können, weil oft gegenüber „guten” Kunden oder bei Anschlussfinanzierung im eigenen Haus auf die Entschädigung verzichtet wird und der Zinssatz im Rahmen der Streubreite lag.

Ergebnis: Wulff hatte einen Vorteil gegenüber dem Marktdurchschnitt aber er hätte diesen Vorteil u.U. auch woanders erhalten, wie insbesondere der weit bessere spätere Kredit zeigt.

Gleichwohl hätte Wulff nach den Vorschriften des Ministergesetzes diesen Kredit angeben müssen, weil nicht der Vorteilsnehmer selber entscheiden kann, ob etwas ein Vorteil ist. Was nach Vorteil aussieht, muss überprüft werden. Das gilt nach wie vor, weshalb der niedersächsische Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP zu Unrecht die Prüfung abgelehnt hat.

II.b Hatte Wulff einen (rechtswidrigen) Vorteil von der BW-Bank?

Nach den Veröffentlichungen des Anwaltsbüros und seinen eigenen Angaben im Interview ist dies nun alles unklar geworden. Hier herrscht weniger Transparenz als vorher.

Entscheidend ist, was in dem schriftlichen Kreditvertrag steht. Das unterschriebene Formular, aus dem Datum, Inhalt, Konditionen etc. hervorgehen, ist bis heute nicht vorgelegt. Kein Kreditberater einer Verbraucherzentrale würde sich so ein Urteil darüber machen, ob der Kreditnehmer einen günstigen oder schlechten Kredit abgeschlossen hat. Stattdessen erhalten wir Auskünfte, was der Vertrag enthielt vermischt mit „Absichten” (zwei Mal „war von vornherein beabsichtigt”) und „Anregungen” („auf Anregung von”) sowie mit rechtlichen Einschätzungen seiner Anwälte („Rahmenvertrag”; ”Einzelverträge”) versetzt, die zweifelhafte Implikationen haben.

Wir haben den Vorteil bei der BW-Bank im Verhältnis zu einem durchschnittlichen langfritistigen Kredit mit variablen Konditionen an Hand langfristiger Bundesbankstatistiken auf durchschnittlich 2% p.a. Zinsvorteil errechnet. Wir haben ihn daher nur mit variablen Krediten verglichen, weshalb die Ausführung im Fernsehen sowie in der Stellungnahme, Wulff habe ja das gesamte Zinsänderungsrisiko getragen, nicht treffen. Gerade das ist bereits berücksichtigt, wobei zudem noch verschwiegen wird, dass Wulff gem. §489 Abs.2 BGB einseitig jederzeit seinen Kredit kündigen konnte.

Folgende Fragen sind aber offen:

1. Welcher Zinssatz wurde vereinbart?

Wir sind davon ausgegangen, dass Wulff zumindest ein Mal einen Zinssatz von 0,9% p.a. hatte. Dies wird nicht bestritten jedoch behauptet, es habe einen Aufschlag auf den EURIBOR gegeben, wodurch Wulff eben nicht den Zinssatz für Banken erhalten hätte. Verschwiegen wird die Höhe des Aufschlags, die für die Vorteilsberechnung ganz entscheidend war.

Wir können Sie versuchen heraus zu bekommen. Der hier genannte Euribor für Drei Monate betrug im Durchschnitt im Jahr 2011 1,33%, im Jahre 2010 0,8% p.a., im Jahre 2009 1,41% p.a. und im Jahre 2008 4,62% p.a.

Jetzt wird veröffentlicht, dass der Zinssatz (Dezember 2011) 2,1% beträgt. Da der Euribor (3 Monate) im Dezember 1,5% p.a. betrug, müssten wir die Spanne kennen. Sie beträgt also 0,6% p.a.

Wenn das nun zutrifft, bliebe noch ein Vorteil gegenüber dem Durchschnitt anderer Kredite von 1,4%. Unser errechneter Betrag auf 14 ½ Jahre wäre um 1/3 zu senken. Er betrüge dann 107.800 €

Doch war dies der Zinssatz? Mit einer Spanne von nur 0,6% über Euribor hätte es aber niemals einen Zinssatz von 0,9% p.a. geben dürfen, wie ihn Wulff laut Spiegel zunächst angab und der in der neuesten Stellungnahme fehlt.

Wir hatten daraus geschlossen, dass es keinen Aufschlag auf Euribor gab, dass also Wulff einen Kredit wie eine Bank bekam. Das wäre eine extreme Vergünstigung.

Gab es zwei Versionen dieses Vertrages?


2. War es ein bevorzugter Sonderkredit, der Vorteile von Geldmarktkredit und Hypothekenkredit kombinierte?

Wir gingen davon aus, dass ein Interbanken-Kredit mit Bestimmungen an Wulff gegeben wurde, die diesen mit den Vorteilen eines langfristigen Hypothekenkredits verbanden.

Der Geldmarktkredit wird bestätigt. Es handele sich um einen „rollierenden Geldmarktkredit”. Für solche kurzfristigen Kredite an Unternehmen und Banken gilt aber in der Tat der Euribor und kein Euribor mit Aufschlag. Nach Gablers Wirtschaftslexikon „können Geldmarktkredite von Wirtschaftsunternehmen (sog. Nichtbanken) oder Banken bei den international ausgerichteten Banken in Euro oder in den gängigen Fremdwährungen zu kurz- bis mittelfristigen Laufzeiten aufgenommen werden. Zinsbasis für Geldmarktkredite ist i.Allg. EURIBOR bzw. EONIA oder LIBOR (London Interbank Offered Rate) … Geldmarktkredite dienen den Wirtschaftsunternehmen v.a. der zinsgünstigen Finanzierung ihres kurz- bis mittelfristigen Kapitalbedarfs”.

An Verbraucher werden solche Kredite nicht vergeben.

Der Geldmarktkredit wird aber mit dem Zusatz „rollierend” versehen. Was damit gemeint ist ist schwer herauszufinden. Der Begriff ist uns im Verbraucherkredit nicht bekannt. Üblich ist hier der Begriff „revolvierend”, bei denen variable Abhebungen möglich sind wie etwa bei Kreditkartenkrediten oder sog. Variokrediten.

Beide Begriffe werden im Controlling verwandt, wo rollierend einfach nur bedeutet, dass ein Planungsprozess in gleich lange Zeiteinheiten unterteilt und so beurteilt wird. Revolvierend bedeutet, dass jede neue Zeiteinheit auf der alten aufbauen soll. (vgl. Controllingportal.de)

Mit dem Begriff „rollierende Einzelverträge” sollte wohl betont werden, dass kurzfristige Geldmarktkredite vorlagen, die nicht zu einem langfristig günstigen „revolvierenden Verbraucherkredit” verbunden wurden.

Das hat entscheidende Bedeutung. Wäre der Kredit nur auf 3 Monate gegeben worden, und hätte Wulff dann Verhandlungen über den nächsten Kredit aufnehmen müssen, dann wäre der Vorteil für diese 3 Monate in der Tat minimal, nämlich 1.837 € bei 1,4% günstigerem Zins als in einem variablen Hypothekenkredit.

Doch warum dann ein Rahmenvertrag? Nach den ersten Angaben handelte es sich nicht um kurzfristige Einzelverträge sondern um einen fest zugesagten Kredit bis zur Pensionsgrenze. Steht dies auch in dem sog. Rahmenvertrag, dann handelt es sich nicht um rollierende sondern revolvierende Kredite. Dann hatte Wulff de facto einen langfristigen Kredit und es ist richtig, den sukzessiven Vorteil wie beschrieben für die gesamte Laufzeit je nach anzunehmendem Zins auf 107.800 € bis 154.266 € zu berechnen.

Dafür spricht nicht überhaupt die Existenz eines Rahmenvertrages, der bei Einzelverträgen nicht nötig wäre und bei Geldmarktkrediten wegen ihrer Kurzfristigkeit wohl unüblich ist. Dazu passt auch nicht die erste Angabe, die Rückzahlung sei auf 10.000 € im Jahr begrenzt gewesen. Wieso wir eine Rückzahlung auf ein Jahr gerechnet, wenn der Kredit nur 3 Monate laufen soll? Nach §591 BGB hat der Verbraucher nicht jedoch die Bank ein jederzeitiges Kündigungsrecht bei variablen Krediten. Nach §488 Abs.3 BGB kann auch die Bank kündigen, wenn dies nicht durch den Vertrag sinngemäß ausgeschlossen ist. Dies schien hier der Fall. Ist es nun anders?

Jetzt ist der Geldmarktkredit auch noch mit einer Grundschuld (im Volksmund „Hypothek”) gesichert. Das spricht für einen langfristigen Hypothekenkredit und ist für kurzfristige Geldmarktdarlehen nicht üblich.


3. War der Kredit ungesichert?

Nach den ersten Angaben war offen, ob Wulff der BW-Bank eine für Hausfinanzierungen übliche Sicherheit gewährt hatte. Nun erfahren wir, dass eine Grundschuld bestand. Doch die Bank war nicht als Inhaber der Grundschuld im Grundbuch eingetragen. Es handelte sich um eine „Eigentümergrundschuld”. Eine Eigentümergrundschuld gibt dem Eigentümer, also dem Ehepaar Wulff, und nicht der Bank eine Sicherheit, weil als Inhaber die Eigentümer und nicht der Gläubiger eingetragen sind. Man kann diese Grundschuld aber an die Bank notariell abtreten. Doch dadurch wird die Bank noch nicht gesichert. Erst wenn sie im Grundbuch steht oder das dort vorgemerkt ist, besteht sie als Sicherheit.

Aber spielt das überhaupt eine Rolle?

Wulff’s Kreditwürdigkeit dürfte über jeden Zweifel erhaben sein. Er hatte ein Haus, wahrscheinlich keine weiteren Schulden, ein Ministerpräsidentengehalt und Pensionsansprüche und eine glänzende Karriere sowie einen Freund, der ja die „Anregung” für die Kreditvergabe gegeben hatte. Was war diese „Anregung”? Hatte der sich verbürgt, was er als Geschäftsmann auch mündlich kann (§350 HGB)? Hatte er den Kredit „vermittelt” oder vielleicht sogar vorher für Wulff bei der Bank ausgehandelt? Was versteckt sich hinter dem Wort „Anregung”?

III. Wurde der dritte „normale” Hypothekenkreditvertrag nach den Pressereaktionen abgeschlossen?

Wulff erklärt, er habe den Kreditvertrag mit der Bank mündlich am 25.11.2011 abgeschlossen, die BW-Bank sieht den Vertragsschluss erst am 21.12.2011. Wer sagt die Wahrheit?

Hier geht es um eine juristische und eine Verbrauchersicht. Es ist richtig, dass, was Wulff offensichtlich nicht weiß, in §492 BGB die Schriftform bei Verbraucherdarlehen wie den folgenden vorgeschrieben ist und gem. §494 BGB mündliche Verträge daher so lange nichtig sind, wie das Geld nicht ausgezahlt wurde. Da die Ablösung wohl auf den 15.1.2012 erst fallen soll, war damit das Darlehen rechtlich am 25.11.2011 noch nicht abgeschlossen.

Auch am 12.12.2011 wurde das Darlehen wohl noch nicht geschlossen. Die Angabe der Anwälte von Wulff, es sei zur „Gegenzeichnung” an Wulf geschickt worden, ist wahrscheinlich eine fehlerhafte Interpretation der Anwälte. Das hätte bedeutet, dass eine Bank selber dem Kunden einen Kreditantrag macht, den der Kunde nur noch anzunehmen braucht. Das tun Banken nicht. Sie schicken die Kreditanträge ohne ihre Unterschrift an den Kunden und lassen diesen zuerst unterschreiben. Das gibt ihnen die Möglichkeit, doch noch nein zu sagen und verhindert, dass der Kunde sich mit diesem Antrag der Bank noch bei anderen Banken umsehen kann, ohne Gefahr zu laufen, dass der Kredit nicht mehr erhältlich ist.

Die BW-Bank ist nach ihren Ausführungen auch so verfahren. Das ist glaubhaft. Damit wurde der Kreditvertrag erst am 21.12.2011, also nach Beginn der Pressemeldungen geschlossen.

Doch hier stehen wir auf der Seite von Wulff. Wenn eine Bank eine mündliche Kreditzusage gibt, die für die Bauherren existenziell wichtig ist, dann ist es für einen Laien kaum verständlich, wenn sich diese Bank dann darauf berufen würde, dass ja noch kein Vertrag geschlossen sei. Schließlich dienen die §§491 ff BGB dem „Verbraucherschutz” und nicht dem Bankenschutz. Der Gesetzgeber hätte daher wie oft in anderen Fällen schreiben müssen, dass dies nur „zugunsten des Verbrauchers” gilt. Das hat er aber nicht getan und damit wie leider auch zu oft den Banken einen Wunsch erfüllt im Kleide des Verbraucherschutzes.

Doch der Verbraucher ist nicht rechtlos. Die Literatur ist sich darin einig, dass eine Bank, die eine mündliche Zusage macht ohne darauf hinzuweisen, dass die keine Rechtswirkung hat (und dies möchten wir im Fall Wulf annehmen), dem Verbraucher auf Schadensersatz aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis (§§280, 311 BGB) haftet. Wulff konnte also mit einigem Recht behaupten, dass die Bank ihm schon „verbindlich” ein Darlehen versprochen hat, auch wenn der Vertrag noch nicht zustande gekommen ist. Es nützt der Bank auch nichts, wenn sie die Unverbindlichkeit mündlicher Abreden in ihren AGB hineinschreibt. Die AGB gelten erst ab Vertragsschluss. Sie muss es dem Kunden schon deutlich sagen.

Wulff war zwar Rechtsanwalt doch der Bundesgerichtshof hat immer betont, dass auch Experten die Vermutung für sich haben, dass sie in geschäftlichen Angelegenheiten den Verbraucherschutz in Anspruch nehmen können. Das gilt auch für Christian Wulff. Die Anwälte waren in ihrer Stellungnahme ja auch vorsichtiger. Sie sprechen von einer „Einigung” und nicht von einem Vertrag. Das dürfte stimmen, weil man das nicht rechtlich verstehen muss. Das Wort „Gegen”zeichnung dagegen dürfte wohl unkorrekt sein. Interessant wäre nur noch zu wissen, ob denn die Konditionen, die Herrn Wulff zugesagt wurden, mit denen übereinstimmen, die dann im Kreditvertrag standen, weil dazwischen ja die Pressemeldungen lagen.

Ergebnis: Die Aussage des Bundespräsidenten selber ist nicht „falsch” sondern nur juristisch unkorrekt. Die Anwälte aber behaupten eine „Gegenzeichnung”, was die BW-Bank bestreitet. Hier haben die Anwälte wohl etwas Falsches behauptet aber evtl. nicht einmal bewußt.

 

IV. Ergebnis

  • Die Vorteile beim ersten Kredit waren unbedeutend. Sie hätten lediglich dem Parlament offengelegt werden müssen.

  • Die Vorteile beim zweiten Kredit sind durch die jetzigen Einlassungen unklarer geworden. Es gibt widersprüchliche Angaben über den Kreditvertrag. Nur dessen Veröffentlichung kann das klären. Es stellen sich folgende Fragen:

    • Waren es kurze unzusammenhängende Einzelverträge oder ein variabler Vertrag mit langer Laufzeit?

    • War die Rückzahlung auf 10.000€ im Jahr begrenzt?

    • War der Zinssatz jemals bei 0,9% p.a. und damit direkt am Euribor oder gab es einen Zuschlag und wenn ja, war der Zuschlag 0,6% oder höher?

  • Der Kreditvertrag wurde zwar erst am 21.12.2011 geschlossen. Christian Wulff konnte aber davon ausgehen, dass die Bank sich bereits nach der Einigung am 15.11.2011 „gebunden” hatte. Seine Aussage ist „richtig“.

 

V. Berechnung der Vorteile gegenüber fixen und variablen Hypothekenkrediten bei extrapolierten Zukunftsdaten

 

Darlehen des Ministerpräsidenten Wulff: Ergebnisse des iff e.V. nach den neuesten Informationen (zdf heute 11.01.2012)

 

Wert

Bemerkung

Darlehensbezeichnung

Rollierendes Geldmarktdarlehen

üblich Annuitätendarlehen mit 1% Tilgung und Festzins über 5 oder 10 Jahre

Kreditsumme

520.000,00 €

(sank auf 475.000€ Wann?)

 

Beleihungswert

415.000,00 €

Beleihungsauslauf 125% üblich 80%

Zinsbindung

variabel 3 Monate Euribor

Euribor Bundesbank SUO 316

Monatsdurchschnitt

Laufzeit

178 Monate

bis Pensionsgrenze

Anfänglicher Zinssatz 3’2010

0,9% p.a.

EURIBOR 3 Mo. 0,66% p.a. (Februar)

Durchschnittlicher Hypozinssatz Fest 4,3% p.a.

Hypozinssatz Var. 3,04% p.a.

Zinssatz 12.2011

2,1% p.a.

EURIBOR 3 Mo: 1,43%

Aufschlag (Internet) oder Faktor (mdl. Auskunft)

1,36 bzw. 1,46 als Faktor; 0,33% bzw. 0,74% als Aufschlag

Weder Aufschlag noch Faktor sind im März 2010 und im Dezember 2011 gleich. Faktoren sind aber näher.

Tilgung

0

1% ist üblich

Vergleichskredit

März 2010: 3,04 % pa. eff.

Nov. 2011: 3,74% pa eff.

Variabler Hypothekenkredit Neugeschäft, Durchschnitt

Zeitreihe Bundesbank SUD 116

Vorteil:

März 2010 bis Dez. 2011

16.336,68 €

(25.365,63 €)

Zinsänderung jeweils nach 3 Monaten, vorsichtig gerechnet auf 475.000 €

Vorteil gesamte Laufzeit:

Nach der durchschnittlichen Differenz bei diesem Faktor seit 2003 hochgerechnet auf 178 Monate Laufzeit

84.526,65 €

(62.141,90 €)

vorausgesetzt die Zinssätze verhalten sich ähnlich wie in den letzten 8 Jahren bei variablem Abschluss (und bei Festzinsabschluss)

 

Auszug aus der Stellungnahme des Anwaltsbüros von Christian Wulff

(Hervorhebungen durch das iff)

I. Zur Kreditfinan­zie­rung des Erwerbs und der Renovie­rung des Eigenheims in Burgwedel

Das Ehepaar Christian und Bettina Wulff entschied im Jahr 2008, ein Familienwohnhaus zu erwerben. Bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie bat das Ehepaar Wulff Egon Geerkens um Unterstüt­zung. Egon Geerkens hat umfangreiche Erfah­run­gen mit dem Erwerb und Verkauf von Immobilien. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter­neh­merisch aktiv. Egon Geerkens ist für Christian Wulff ein väterlicher Freund. Sie kennen sich seit den Schülerzeiten von Christian Wulff. Schon der 1998 verstorbene Vater von Christian Wulff war mit Herrn Geerkens langjährig befreundet.

Herr Geerkens war auf eigene Kosten Mitglied von Wirt­schaftsdelega­tionen, die Herrn Wulff auf Reisen in seiner Eigen­schaft als niedersächsischer Ministerpräsident begleiteten. Diese Teilnahme stand in keinem Zusam­menhang mit dem Immobilienerwerb und dem von Frau Geerkens gewährten Privatdarlehen.

Die Entschei­dung der Eheleute Wulff, ein Familienwohnhaus zu erwerben, fiel zugunsten der später erworbenen Immobilie in Burgwedel. Der Kauf­vertrag wurde am 1. Oktober 2008 notariell beurkundet. Der Kaufpreis in Höhe von 415.000 Euro war am 1. Dezember 2008 fällig.

Das mehr als 25 Jahre alte Haus erforderte erhebliche Modernisie­run­gen. Anlässlich eines Treffens der Ehepaare Wulff und Geerkens bot Frau Edith Geerkens dem Ehepaar Wulff an, vorübergehend einen Privatkredit über 500.000 Euro zu einem Zinssatz von 4,5 % zu gewähren. Die Modalitäten wurden gemeinsam zwischen den Ehepaaren besprochen, wobei von vornherein beabsichtigt war, den Privatkredit nach Ab­schluss der Renovie­rungs­arbeiten durch einen Bankkredit abzulösen. Bei der späteren Unterzeichnung des Kredit­vertrags wurde der Zinssatz noch einmal besprochen. Das Ehepaar Wulff und Frau Edith Geerkens einigten sich an­gesichts der aktuellen Zinsentwicklung sodann auf einen Zinssatz in Höhe von 4 %. Am 25. Oktober 2008 wurde der Darlehens­vertrag unterzeichnet.

Die Darlehenssum­me wurde per Bundes­bankscheck durch die Sparkasse Osnabrück unter Belas­tung des dortigen Kontos von Frau Edith Geerkens Ende November 2008 aus­gezahlt. Das Kredit­verhältnis zwischen den Eheleuten Wulff und Frau Geerkens bestand bis zum 31. März 2010. In diesem Zeitraum leistete Herr Wulff Zinszahlun­gen in Höhe von monatlich 1.666,00 Euro, die zunächst von seinem Konto bei der Sparkasse Osnabrück und ab dem 2. März 2009 bis Ende 2009 per Dauerauftrag von seinem Konto bei der Sparkasse Hannover überwiesen wurden. Nach Ende dieses Dauerauftrages wurden die abschließenden Zinszahlun­gen in Höhe von 4.998,00 Euro für die Monate Januar bis März 2010 am 19. Mai 2010 in einer Sum­me geleistet. Die Zinszahlun­gen erfolgten jeweils auf das Konto von Frau Edith Geerkens bei der Sparkasse Osnabrück.

Im An­schluss an den Erwerb des Einfamilienhauses führte das Ehepaar Wulff umfangreiche Renovie­rungs­arbeiten durch.

Im Jahr 2009 konkretisierte das Ehepaar Wulff den Gedanken, die geplante Ablö­sung des Kredits von Frau Geerkens durch einen Bankkredit in Angriff zu nehmen. Im Dezember 2009 nahm Herr Wulff auf Anre­gung von Herrn Geerkens Gespräche mit einem Privatkundenberater der BW-Bank auf. Andere Per­sonen waren an der Entstehung des Kontaktes von Herrn Wulff zur BW-Bank nicht beteiligt. Ein in der Öffentlich­keit erörterter Zusam­menhang zwischen dem Ab­schluss der Grundlagenvereinba­rung Porsche/VW und den von Herrn Wulff geführten Kredit­gesprächen mit der BW-Bank bestand nicht. Die Kredit­verhandlun­gen führten am 21. März 2010 zur Vereinba­rung eines Rahmenvertrages für ein rollierendes Geldmarktdarlehen bis zu einer Höchstsum­me von 520.000 Euro. Nach diesem Rahmenvertrag wurden alle drei Monate rollierende Einzelverträge, die die aktuelle Zinsentwicklung berücksichtigten, geschlossen. Das in Anspruch genom­mene Kreditvolumen belief sich zu Beginn auf 520.000 Euro und zuletzt auf 475.000 Euro. Der Zinssatz für den rollierenden Geldmarktkredit orientierte sich wie üblich am Euribor-Zinssatz zuzüglich Aufschlag und betrug zuletzt 2,1 %. Der Euribor-Zinssatz ist schwankend und öffentlich bekannt. Es gab kein Zinsabsiche­rungs­geschäft. Während der Laufzeit dieser kurzfristigen Einzelkredite trug Christian Wulff das Risiko der weiteren Zinsentwicklung allein. Es war von vornherein beabsichtigt, diesen kurzfristig rollierenden Geldmarktkredit durch ein langfristiges Til­gungs­darlehen abzulösen, um auf diese Weise Zinssicherheit zu erhalten und das Risiko einer steigenden Zins­belas­tung zu vermeiden.

Die Eheleute Wulff stellten der BW-Bank die für die Bonitätsprüfung erforderlichen Unterlagen (Steuererklä­run­gen, Einkom­mensnachweise beider Eheleute etc.) zur Verfü­gung. Das BW-Bankdarlehen wurde durch eine Eigentümergrundschuld besichert, die das Ehepaar Wulff notariell an die BW-Bank abtrat. Weder das Ehepaar Geerkens noch Dritte gewährten der BW-Bank weitere Sicherheiten.

Im An­schluss an die zwischen Herrn Wulff und der BW-Bank Ende März 2010 getroffene Kredit­vereinba­rung wurde das von Frau Geerkens gewährte Darlehen in Höhe von 500.000 Euro zurückgezahlt. Dies erfolgte aufgrund eines Auftrags von Herrn Wulff vom 27. März 2010 durch eine Überwei­sung von 500.000 Euro am 1. April 2010 auf ein Konto von Frau Geerkens bei der BW-Bank.

Im vierten Quartal des Jahres 2011 traf Herr Wulff mit der BW-Bank die Entschei­dung, den rollierenden Geldmarktkredit im Hinblick auf die zu erwartende Zinsentwicklung in ein Hypothekenbankdarlehen umzustellen. Die Eini­gung zwischen der BW-Bank und Herrn Wulff über den langfristigen Zinssatz und die übrigen Kreditkonditionen erfolgte am 25. November 2011. In Folge dieser wirt­schaftlichen Eini­gung hat die BW-Bank den schriftlichen Vertrag Anfang Dezember vorbereitet, unterzeichnet und am 12. Dezember 2011 Herrn Wulff zur Gegen­zeichnung übersandt. Er hat die Verträge seinerseits am 21. Dezember 2011 unterzeichnet.

Das Hypothekenbankdarlehen wurde in Form eines Volltilgerdarlehens mit einer Laufzeit von 15 Jahren vereinbart. Der Sollzinssatz beläuft sich auf 3,56 %, der effektive Jahreszins beträgt danach 3,62 %. Auch dieses Volltilgerdarlehen ist durch die an die BW-Bank abgetretene Eigentümergrundschuld gesichert. Der Betrag dieses Darlehens beläuft sich auf 475.000 Euro.