BGH zur Vorfälligkeitsentschädigung

Durch eine Anerkennung eines Rückforderungsanspruchs gegen sich selber konnte ein Bank diesmal nicht verhindern, dass der Bundesgerichtshof (siehe BGH, Anerkenntnis­urteil vom 17.01.2013 – XI ZR 512/11) vorher in der mündlichen Verhand­lung doch noch seine Meinung kundtat. Danach schließen die Vorschriften über den Verzug die Möglichkeit aus, neben dem Verzugszins zusätzlich eine Vorfälligkeits­ent­schädigung zu verlangen. Zwar sei es der Bank unbenommen, einen höheren Verzugs­schaden als den gesetzlichen gerade bei diesem Darlehen nachzuweisen. Grundsätzlich stellt danach die Vorfälligkeits­entschädigung einen Sondergewinn dar, auf den die Bank verzichten muss, wenn sie das Darlehen selber kündigt. Dies jedenfalls läßt sich der Presse entnehmen und wurde auch vom Anwalt der Verbraucherseite berichtet. Teilweise wird die Entscheidung so interpretiert, dass es nur darum gehe, eine Doppelbelastung aus Verzugszins und Vorfälligkeitsentschädigung zu vermeiden. Diese Interpretation halten wir jedoch für unwahrscheinlich, da die Verzugszinsregelung historisch als Begrenzung des Schadensersatzes für notleidende Kredite eingeführt wurde und keinen Platz für gewillkürte bzw. willkürliche Entschädigungen lässt.

Die Rechtsprechung entlastet damit also nicht nur zu Recht den ohnehin zahlungsunfähigen Kreditnehmer von exorbitanten Zusatzforderungen der Bank, wie wir sie an anderer Stelle nachgewiesen haben (vgl. Reifner, Die Entschädigung für vorfällige Hypotheken­kredite, WM 2009, S. 1773–1783; Vorfälligkeits­entschädigung – festgemauert im Hypo­theken­kredit, bank und markt Heft 10, Oktober 2006, S. 30–35; Der Verzugs­schaden der Banken im Konsumenten­kredit ZIP 1987, S. 545–554). Will man nicht – wie in der Presse bereits geschehen – die Verbraucher, die Umfinanzieren müssen, dazu auffordern, einfach die Raten nicht mehr zu bezahlen und die Zwangs­vollstreckung dann durch Sicherheits­leistung abzuwenden, so muss sich auch die allgemeine Rechtsprechung zur Vorfälligkeits­entschädigung ändern.

Der BGH stellt nämlich die Praxis infrage, die in Deutschland fast sechs Mal höhere Vorfälligkeits­entschädigungen als in den Nachbarländern auch noch als Schadensersatz deklariert. Schließlich glaubt man den Banken in Deutschland, sie hätten das vorzeitig rückgeflossene Geld aus Hypotheken­krediten nur in Pfandbriefen wiederanlegen können, während in allen anderen Staaten Gleiches mit Gleichem verglichen wird – nämlich die Wiederanlage in entsprechenden Hypothekenkrediten. Wenn dem Verbraucher, der umziehen und umfinanzieren muss, in einem geschlossenen Bankenkartell zusätzlich bis zu 15 % der Restsumme aufgebürdet und diese Summe in der globalen Kalkulation der Hypotheken­banken bereits als Gewinnmarge einkalkuliert wird, dann gibt es keine Abschlussfreiheit mehr. Der Gesetzgeber mit seiner Schätzung von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz macht sehr deutlich, in welcher Höhe er den Schaden vermutet.

Nachdem den Kapitallebensversicherern ihr lukratives Geschäft mit dem Rückkaufswert­betrug für diejenigen, die vorzeitig aufgeben mussten, durch Rechtsprechung und Gesetzgebung verboten wurde, sollte bei den erzwungenen vorzeitigen Beendigungen im Hypothekenkredit die gleiche Logik sozialer Gerechtigkeit walten. Billige Zinsen für die Gutverdiener, Strafen für die Armen passen nicht in ein System, dass Vermögensbildung und Wohneigentum für alle verlangt.

Die EU versucht seit langem das Problem in den Griff zu bekommen, scheitert aber am geballten Widerstand deutscher Hypothenbanken, die deshalb auch an einem gemeinsamen Markt für Hypothekenkredite kein Interesse zeigen. Dies könnte jetzt ein Ende haben, wenn der Bundesgerichtshof sich auf seine alte Rechtsprechung zur Alternativität von Erfüllung und Verzug besinnt und dies bei vorzeitiger Beendigung im Schadensersatzrecht Ernst nimmt. Die bisherige einfache Formel, es sei schon alles vertretbar, was sich die Banken in den letzten Jahrzehnten an Zusatzeinkommen durch Vorfälligkeitsentschädigungen gesichert hätten, spart der Rechtsprechung zwar viel Arbeit und eigenes Rechnen, lässt sich aber mit dem System unseres Schadensrechts nicht Weise vereinbaren.

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