Die Kampagne

Der vzvb hat eine verdienstvolle Kampagne gegen den Wucher gestartet, mit dem ausschließlich deutsche Banken in Europa vor allem die Kreditnehmer belasten, die umziehen, das Haus verkaufen oder den Kredit aus sonstigen Gründen beenden müssen. Das iff hat seit Jahren diese Praxis angeprangert und in mehreren Gutachten auf den Skandal hingewiesen, bei dem sich die Banken mit einer Art „Rechtsmarketing” eine Rechtsposition verschafft haben, die erstens so kompliziert ist, dass niemand – auch die Gerichte nicht – sie nachvollziehen kann, und die zweitens „Entschädigungen” bis zum Sechsfachen ihres wirklichen Schadens ermöglichen. Die Banken versprechen rein optisch gute Hypothekenzinssätze, die sich aber für ärmere Verbraucher im Nachhinein durch Vorfälligkeitsentschädigungen effektiv schnell verdoppelt haben. Allerdings steht im Fokus der Kritik des vzbv nicht die Grundsatzfrage, warum in Deutschland Hypothekenkredite mit Pfandbriefen verglichen werden, statt (wie einheitlich in der EU) die vereinbarten Hypothekenkonditionen mit den aktuellen der Bank ins Verhältnis zu setzen. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Banken das von ihnen selbst erfundene System nicht beherrschen und einhalten, und unzählige Fehler machen, die dann mühsam in der Verbraucherberatung geklärt werden müssen. Man prangert einen Berechnungs-, statt einen Systemfehler an.

 

Die verbraucherpolitischen Forderungen

 

Entsprechend fordert der vzbv daher jetzt auch nicht, die Grundlage der bisherigen Praxis zu verändern. Vielmehr sollen bei den Vergleichen weiterhin marktmäßige Pfandbriefzinssätze als Vergleichsgrundlage dienen, wobei man (wie wir meinen) „Äpfel mit Birnen” vergleicht. Allerdings will man die Verbrauchersituation verbessern, zum einen mit einem sog. Passiv-Passiv-Vergleich und zum anderen mit einer Deckelung bei 5 Prozent der Restkreditsumme. Beides soll gesetzlich eingeführt werden. Dazu meint man, dass die gesetzliche Lage auch nach der neuen Hypothekarkreditrichtlinie eher nicht ausreiche, um den Verbraucher zu schützen. Doch der europäische Standard ist höher als der nun erwogene deutsche Sonderweg.

 

Abgesehen davon, dass es bei einer Totalharmonisierungsrichtlinie schwer sein wird, einen Sonderweg in der Umsetzung zu gehen, bestehen auch rechtlich erhebliche Zweifel an der erwogenen neuen, deutschen „Lösung”.

 

Aktiv-Aktiv oder Passiv-Passiv?

 

Denn, es entspricht nicht nur der Praxis im Ausland, sondern auch der Tradition des deutschen Schadensrechts, dass man bei nicht (bis zu Ende) eingehaltenen Verträgen vergleicht, welche Gewinnchance der Anbieter mit dem vorzeitig zurückgeführten Geld und welche er ohne die Rückführung gehabt hätte, sog. Differenzhypothese (§ 249 BGB). Der Ausgangspunkt des Vergleichs ergibt sich allein aus dem Vertrag. Deshalb hat auch der Bundesgerichtshof anerkannt, dass man richtig rechnet, wenn man den vertraglichen Zinssatz einem Zinssatz gegenüberstellt, den die Bank bei Rückfluss des Hypothekenkredits durch Neuanlage erreichen kann. Schließlich wäre das ja auch der Gewinn des Verbrauchers, falls seine Rückzahlung aus einem neu aufgenommenen billigeren Hypothekenkredit erfolgt.

 

Vor diesem Hintergrund muss man den vertraglichen Zinssatz aus dem bisherigen Aktivgeschäft zugrunde legen, um Vorfälligkeitsentschädigungen zu berechnen. Daran kann niemand angesichts der gültigen Rechtslage (§ 249 BGB) rütteln. Es bleibt nur die Frage, was als hypothetischer Wiederanlagezinssatz anzusetzen ist. Hier haben die Banken sich ausgedacht, dass sie ein Geschäft wählen, das sehr ertragsarm erscheint – nämlich Pfandbriefe. Dass es nur so scheint, ergibt sich daraus, dass es keine Kosten hat. Wir sprechen von der Anlage in Pfandbriefen, statt in serviceintensiven Krediten. Der Bundesgerichtshof hat diese fragwürdige Praxis nicht geprüft, nicht berechnet, aber anerkannt. Man darf zu Recht vermuten, dass er an die Grenzen seiner mathematischen Fähigkeiten gelangt ist. Seit diesem Urteil gibt es dazu keine Rechtsprechung mehr. Begehrt eine Unterinstanz auf, so wird die Summe von den Banken anerkannt. Der neu zusammengesetzte BGH-Senat hat keine Chance mehr, grundsätzlich über die Schadensberechnung zu sinnieren ist aber, wie man aus einer mündlichen Verhandlung weiß, mit der geltenden Praxis nicht einverstanden.

 

„Passiv-Passiv” als Berechnungsmethode (wie es der vzbv jetzt vorschlägt) ist somit rechtlich nur möglich, wenn man das ganze deutsche Schadensrecht (§§ 249 ff. BGB) auf den Kopf stellt und in Zukunft bei Leasingverträgen, statt den Schaden aus Unvermietbarkeit, die Differenz der Kaufpreise der Autos in Rechnung stellt. Das wird nicht gehen.

 

Es bleibt damit entgegen der Ansicht des vzbv als Berechnungsmethode nur das, was der Bundesgerichtshof einmal zutreffend als Aktiv-Aktiv-Vergleich anerkannt hat. Dass er die Bankenalternative dabei als Aktiv-Passiv-Vergleich bezeichnete und, obwohl sie extrem andere Ergebnisse erbringt, als „gleichwertig” bei der Schadensfeststellung einstufte, beruht auf zwei Fehlern:

 

  1. Es ist nicht gleichwertig, man muss es nur berechnen.
  2. Es ist kein Aktiv-Passiv-Vergleich, weil die Pfandbriefkonditionen ja für die Käufer (also Investoren) gelten, die daher ihre Pfandbriefe auch auf der Aktiv-Seite der Bilanzen neben den vergebenen Kredite einstellen.

 

 

Deckelung

 

Der vzbv fordert eine Deckelung bei 5 Prozent. Deckelung ist im Prinzip richtig. Belgien und Frankreich haben mit Erfolg eine solche Deckelung seit Jahren im Gesetz stehen. Wer umziehen und umfinanzieren muss, hat meist keine Alternative. Warum soll er oder sie bei 200.000 € Kredit zu den 20.000 € Wechselkosten in Deutschland (Makler, Grunderwerb­steuer, Notar) noch mal 30.000 € (die Umfrage des vzbv förderte Fälle mit 40 Prozent = 80.000 € zu Tage) Vorfälligkeits­entschädigung bezahlen, während der Mieter allenfalls eine Maklercourtage zu zahlen hat, weil der Kredit ja vom Vermieter kommt. Dass Vermieter bei Mieterwechsel eine Vorfälligkeits­entschädigung ist ja bekanntlich von der Rechtsprechung durch den Nachweis von Ersatzmietern eingedämmt worden. Im Kreditrcht hat der Verbraucher dieses Recht nicht. Will man also in Deutschland die Hausbesitzer bestrafen?

 

Doch warum 5 Prozent? Das sind immer noch 10.000 € in unserem Beispiel für etwas, was die Banken, wie die USA zeigen, als Risiko mit wenigen Zehntel Prozent einpreisen könnten. Dort nämlich gibt es weitestgehend keine Vorfälligkeits­entschädigung/-bestrafung. Mit 3 Prozent haben die Franzosen gute Erfahrungen gesammelt. Die Belgier zahlen mit drei Zinsraten noch weit weniger. Die neue Konsumentenkreditrichtlinie deckelt bei 1 Prozent bzw. bei kurzfristigeren bei 0,5 Prozent, und bei Kurzläufern bei 0 Prozent. Da mit der Aktiv-Aktiv-Methode die 5 Prozent nie erreicht werden, bedeutet die Forderung, dass den Banken ein Gewinn zugesprochen wird (statt nur ein Ausgleich des Schadens), was der geltenden Rechtslage im AGB-Recht widerspricht. Schadenspauschalen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als zu hoch angesetzt sind, widersprechen § 309 Nr. 5a BGB, solche, die dem anderen Teil nicht ausdrücklich den Nachweis des geringeren Schadenseintritts gestatten, verstoßen gegen § 309 Nr. 5b BGB.

 

Rechtslage nach den EU-Richtlinien

 

Seit Neuestem haben wir zudem zwei EU-Richtlinien für Verbraucherkredite, eine für Hypotheken und eine ohne Hypothek. Diese untermauern die hier vorgetragene kritische Sichtweise zur deutschen Praxis. Beide Richtlinien regeln jetzt die Vorfälligkeitsentschädigung – klar und begrenzt bei nicht-hypothekarischen Krediten (0; 0,5; 1 Prozent), ohne Grenzbestimmung in der Hypothekarrichtlinie (vgl. iff Servicebrief). Über die Berechnungsart sagen beide aus, dass sie „angemessen”, „objektiv” sein muss und keine Strafe herbeiführen darf. Das Nähere soll der nationale Gesetzgeber regeln. Das hat der deutsche Gesetzgeber aber beim einfachen Verbraucherkredit nicht getan. Dies schafft Raum für die normative Kraft des Faktischen (aber – wie wir meinen – rechtlich Unzulässigen). Leider gibt es eine (gerichtlich nicht hinterfragte) Praxis der Banken und eine das grundsätzliche Problem nicht aufgreifende Verbraucherberatung, obwohl es einmal hier eine gemeinsame Position gab.

 

Angemessen

 

Schon das Wort „angemessen” in den Richtlinien spricht für eine Deckelung. Schadensersatz wird nach dem Prinzip der Richtigkeit gewährt. Genau der erlittene Schaden ist zu ersetzen, nicht mehr. Wenn er auch noch angemessen sein soll, dann muss das bedeuten, dass die Interessen der zum Wechsel gezwungen Verbraucher mit zu berücksichtigen sind. Dafür spricht auch das deutsche Recht, das in § 490 BGB nur eine „Vorfälligkeitsentschädigung” zuspricht, die auch nur für den erlittenen „Schaden” zu zahlen ist. Eine Entschädigung, und das kennt man aus dem Nachbarschaftsrecht, ebenso, wie wenn der Staat Straßen baut und Grundstücke enteignet, umfasst in der Regel weniger als den marktmäßigen Wert des Schadens, weil auch der Geschädigte etwas mittragen soll.

 

Aktiv-Aktiv kraft Gesetzes

 

Die Richtlinie 2008/48/EG hat in Art. 16 (3) b S. 2 die Berechnungsweise eindeutig festgelegt. Der auszugleichende Verlust „besteht in der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz, zu dem der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag auf dem Markt zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung als Kredit ausreichen kann”. Deutlicher geht es nicht. „Als Kredit ausreichen” und nicht als „Pfandbriefinvestition” heißt es im Gesetz, wenn es um die Vergleichsgröße geht. Damit ist klar, dass die jetzt vom vzbv gewählte Vergleichsgröße nicht nur dem deutschen Schadensrecht widerspricht; sie ist auch nicht europarechtskonform. Mit solch einem Modell sollte sich der vzbv-Bundesverband daher nicht schmücken.

 

Ergebnis

 

Wir denken, dass die Richtlinienvorgabe, aber auch die Wertung des deutschen Schadensrechts und die vom vzbv-Modell abweichenden, verbraucherfreundlichen Regelungen in den anderen EU-Staaten den Ausschlag vor neuen Eskapaden bei der deutschen Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung geben sollten. Das heißt: Zahlt der Kreditnehmer vorzeitig zurück, so kann die Bank nur die Differenz zu den Zinsen verlangen, die sie durch einen Neukredit bekommen würde (Differenzhypothese). Aber auch dieses Geld schuldet der Darlehensnehmer, der vorzeitig zurückzahlt, nicht sofort, weil die Bank ja den Schaden erst erwartet und noch nicht hat. Er ist in Raten zu zahlen und darf daher nicht wie bisher einfach mit der Androhung sofort gefordert werden, man gäbe sonst die Grundschuld nicht heraus und blockiere den Verkauf. Der Kreditnehmer kann der Bank allerdings die ganze Summe anbieten. Das sollte er aber nur gegen einen gehörigen Abschlag tun.

 

Mit dieser einfachen Regelung würden viele Finanzberater arbeitslos, den Verbrauchern würde die Angst vor Mobilität genommen und die Banken würden nicht mehr als Feinde privater Wohneigentumsbildung angesehen.

 

Die rechtlichen Grundlagen sowie die Forderungen, die im iff über die Jahre hierzu entwickelt wurden und jetzt durch die EU-Richtlinien als richtig bestätigt werden finden sich einem Service-Brief des iff für die Verbraucherzentralen, den wir ausnahmsweise im Voraus veröffentlichen. Das Archiv der über 400 Servicebriefe ist öffentlich. Dort werden mit einer entsprechenden zeitlichen Verzögerung die infobriefe veröffentlicht. Sie finden es unter: iff-infobrief-Archiv.

Das iff erstellt regelmäßig Infobriefe zu aktuellen Problemen auf dem Markt für Finanzdienstleistungen. Das Angebot richtet sich insbesondere an Verbraucherzentralen und Rechtsanwälte, aber auch andere interessiere Personenkreise können diesen Service gegen ein Entgelt nutzen. Der regelmäßige Bezug der iff-infobriefe ist über ein entsprechendes Abonnement möglich.