Schutz der Überschuldeten im Verzug – der Ansatz des Gesetzgebers

Wenn ein Verbraucherkreditnehmer seine Raten nicht zurückzahlen kann, dann muss er einen Verzugszins zahlen, der aus gutem Grund in §288 BGB auf 5% über dem Basiszinssatz (aktuell -0,83% ) also auf 4,17% p.a. festgelegt ist. Grund der Begrenzung ist es, den Banken keinen Anreiz zu geben, Kreditnehmer absichtlich in die Überschuldung zu treiben, um dann, wie es vor dieser Regelung üblich war, mehr zu verdienen. (damals waren es bei vielen Banken 28,9% p.a.) Die ziemlich abwegige Befürchtung der Banken, Schuldner würden absichtlich in Verzug geraten, um Zinsen zu sparen, ist logischerweise nicht eingetreten, weil sich niemand einer Kreditkündigung mit Zwangsvollstreckung aussetzt, um ein paar Prozent Zinsen zu sparen. Zusammen mit dem Drei-Konten-System, wonach Zahlungen nach Kündigung zuerst auf das zinstragende Kapital zu verrechnen sind (§497 BGB) hatte der Gesetzgeber in Deutschland hier dem Anreiz zur Überschuldung ihrer Kunden bei Banken und Inkasso enge Grenzen gesetzt.
 

Die Antwort der Banken – Unfaire Umgehung mit Überschreitungszinsen

Doch die Banken dachten sich etwas Neues aus. Sie buchten die fehlenden Raten auch dann vom Girokonto ab, wenn dort kein Kredit mehr wahr und nannten dies „Überschreitung”. Diese Überschreitung sei zwar nicht erlaubt. Würde sie aber „geduldet”, so sei das kein Verzug. Man könne daher frei Zinsen dafür vereinbaren. Der alte Strafzins im Verzug hatte also seine Wiedergeburt auf dem Girokonto. Entsprechend kletterten die Zinssätze auf dem Konto bis zu 21% p.a. während im Ratenkredit sie immer weiter fielen. Der Wucherkreditmarkt, in den USA und England bei den Kreditkarten, verlagerte sich in Deutschland auf die Überschreitungszinsen.  Die Gesetzesreform zu §§288, 497 BGB war außer Kraft gesetzt. Der 11. Bankensenat des BGH unter seinem Vorsitzenden Nobbe segnete dies ab, obwohl Jahre zuvor der Bundesgerichtshof hier noch eindeutig Verzugsgrundsätze anwandte. Nicht genug damit schaffte man es politisch in Brüssel über das Parlament und den CSU-Abgeordneten Würmeling, diese Überschreitungszinsen auch noch in die Direktive zu schreiben. Mit ihrer Angabepflicht, wie sie dann Frau Zypries in §505 BGB als „geduldete Überziehung” in das BGB übernahm, schienen sie gerechtfertigt.
Das iff hat in seiner Studie, die von dem Zertifizierer DQS als Grundlage für Fairnesszertifikate für Banken beim Raten- und Überziehungskredit genommen wird, als ein wichtiges Kriterium die Einhaltung der Wuchergrenze auch in der Kontoüberziehung eingeführt, wo der Wucher bisher praktisch ohne Kontrolle durch die Rechtsprechung sich hinverlagert hat. Dabei hat das iff bewußt davon abgesehen, den Banken hier bei der Überschreitung mehr Spielraum zu gewähren als bei der einfachen Überziehung. Unfair ist es daher, einen Zinssatz zu verlangen, der das Doppelte im Sinne des durchschnittlichen Zinssatzes für Konsumentenkredite nach der Bundesbankstatistik der Zeitreihe SUD130Z für den Vormonat beträgt. Viele Sparkassen sowie die ING Diba und einige andere erfüllen jetzt dieses Kriterium, obwohl sie von der Rechtsprechung dazu bisher nicht gewzungen wurden. Damit erweist sich die Idee, Fairnesskriterien aufzustellen, als zukunftsweisend und nützlich. Nicht alles was rechtens ist, ist nämlich fair.

 

Großbanken vorne

Zur Zeit schlagen trotz Niedrigstzinsniveau (die Banken refinanzieren sich bei ca. 0% bei der EZB) die Commerzbank sowie die Deutsche Bank (inkl. Postbank) zwischen 3,5% und 5,5% p.a. noch auf den Überziehungszinssatz auf und kommen damit auf 16,75% p.a. (Commerzbank) und 15,25% p.a. (Postbank), 15,7% (DB) und 16,15% p.a. (HypoVereinsbank). HASPA und Kreisparkasse Lauenburg ebenso wie ING-Diba als Vorreiter nehmen keinen Zuschlag sondern den alten Zins fort, was bei ersteren mit 10,65% bzw. 10,77% p.a. immer noch mehr als das Doppelte von dem ist, was ihnen als Verzugszinssatz zustände. Die Sparkasse Südholstein allerdings schließt sich noch den Geschäftsbanken an. Immerhin, die Front bröckelt.

Die Front brökelt 

Das Ganze ist einer der vielen Skandale, wo Gerichte und Gesetzgeber in Brüssel und Berlin die bewusste Aushebelung von Verbraucherschutz für Bankkunden  durch einige Banken zuerst dulden, dann hinnehmen und schließlich sogar noch legitimieren. Erfreulich ist daher, dass der Markt hier mehr Sensibilität aufweist. Dass Deutschland mit seiner flächendeckenden Kontoversorgung und der für Banken günstigen Kleinkreditvergabe über Überziehungskredite ein vorzeigbares System zur Überschuldungsprävention hatte, das dem Kreditkartenbetrug in England und den USA gegenüberstand – vielleicht wird der Trend zu seiner Abschaffung jetzt gebremst.

Ein Tipp an Griechenland

Man kann den Griechen auch hier empfehlen, sich einmal im Verbraucherkredit umzuschauen. Schuldenschnitt ist kein populäres Wort bei den Gläubigern, Umschuldungsverhandlungen etwa im Pariser Club immer schon ein Alptraum der Schuldnerländer gewesen. Vielleicht versucht man es einmal mit den Gesetzen in den Gläubigerländern. Dann sollte Griechenland seine Schuden nach dem Drei-Konten-Prinzip aufteilen und von den Gläubigerländern verlangen, dass Zahlungen zuerst auf Kapital verrechnet werden. Außerdem sollte es die Unverzinslichkeit des Zinskontos verlangen, was einem Jahrtausende alten Zinseszinsverbot entspräche und schließlich sollte es darauf bestehen, dass nicht der Spread der Spekulanten sondern dass der Zinssatz gezahlt wird, der den Schaden der Gläubiger ausgleicht. Der ist aber zur Zeit 0%. Verbraucher und Länder haben nämlic h viel gemein. Ihr Geld ist die Lebensgrundlage für die Menschen und sollte vor Spekulanten geschützt werden. Man kann den Griechen nur wünschen, dass sie weiterhin aufrecht in die Verhandlungen gehen. Das Vorbild kann auch den Schuldnern in Deutschland nützen.