Theo Rasehorn ist im Januar im Alter von 97 Jahren gestorben. Er war Senatspräsident am Oberlandesgericht Frankfurt, Vorstand des Arbeitskreises sozialdemokratischer Juristen, Mitherausgeber der Reihe „Demokratie und Rechtsstaat”, Verfasser vieler Schriften zur Demokratisierung der Justiz und zur Verfolgung demokratischer Richter ab 1848 in Deutschland. Für den von Nationalsozialisten durchsetzten Deutschen Richterbund war er ein Schandfleck der Nachkriegsjustiz. Er gehört in eine Reihe mit Fritz Bauer, über dessen Wirken er schon früh schrieb. Auch das iff, gegründet in dem von Theo Rasehorn mit Eugen Menken fortgeführten Arbeitskreis Rechtssoziologie e.V., verdankt ihm seine Geburt. Seine Feststellung in einem seiner Aufsätze, dass die „Justiz sich als Dienstleistungsbetriebe der Wirtschaft” verstehe, war dem iff immer Ansporn, die Effizienz der (Geld)Wirtschaft mit dem Gerechtigkeitspostulat des Rechts zu konfrontieren.

Theo Rasehorn war wichtig für die abzählbare Zahl der 68iger Juristen, die über die Selbstbefreiung ihrer Studienkollegen vom „Muff von 1000 Jahren unter den Talaren” oder aber von einem schweigsam-autoritären Elternhaus nach einer demokratischen juristischen Tradition in Deutschland suchten. Sollte nach dem schrecklichen Terror der Konzentrationslager, die 1933 noch in den Händen des erst bayerischen und dann reichseinheitlichen Justizministers Gürtner lagen, nur das Motto der damaligen Kultband gelten: „Macht kaputt was Euch kaputt macht”? Als wir in den Lebensläufen der Dissertationen unserer Professoren nachlasen, wie sehr sie Hitler selber oder aber als Schüler und Habilitanden dessen wichtigste Stützen wie Maunz, Forsthoff, Larenz, Maurach, Metzger oder Nipperdey verehrten, wie sehr auch die deutsche Wirtschaft vom KZ-Regime profitiert hatte, während die Nachkriegsanwaltschaft ihr ermordetes und vertriebenes demokratisches Drittel vergessen und stattdessen die Schlimmsten der Richter- und Beamtenzunft bei sich Unterschlupf gegeben und sie sogar zu Sprechern gemacht hatte, fühlte man sich als Jurist politisch heimatlos. Theo Rasehorn gehörte zu der Handvoll Richter, die gegen die nutzlose Vergeudung jugendlichen Zorns ankämpfte und als „Etablierte” der nächsten Generation einen Weg zu Reform und geschichtlicher Kontinuität ebneten.

Im Arbeitskreis Rechtssoziologie e.V. des Wolfgang Kaupen, der als Soziologe gegen die Entrüstung der Zunft die „Hüter von Recht und Ordnung” porträtiert hatte (dazu Strempel/Rasehorn Gedenkschrift Wolfgang Kaupen 2002) war Theo Rasehorn auch eine Brücke zwischen Juristen und Soziologen. In der Reihe „Demokratie und Rechtsstaat” mit dem Soziologen Benseler (Lukács Herausgeber) hatten wir in seinem Haus in Bad Godesberg eine politisch-fachliche Diskussionsbreite über die Reform des Rechtsstaates im Westen. Mit seinem "Ja-Aber" eines überzeugten wertorientierten Sozialdemokraten verloren wir das Ziel der Reihe nicht aus den Augen.

Die Zeiten haben sich seit der Amtszeit von Theo Rasehorn geändert. Zunächst wurde die Juristenausbildungsreform zurückgenommen, Gesinnungskonformität zur Staatsräson, Angst um Karriere und Arbeitsplatz zum Studienziel, und der Notendurchschnitt der Justizausbildungsämter des Otto Palandt zur einzigen Qualität beim Zugang zur Richterschaft. Doch es gibt Anzeichen für Veränderung. Wer die Entwicklungen in der NS-Bewältigung der Justiz oder auch die Verteidigung des Asylrechts, aber auch neuere Tendenzen im Wirtschaftsrecht zum kollektiven Verbraucherschutz beobachtet, sollte sich darüber klar sein, dass die immer noch gefeierten großen Köpfe „Deutscher” Juristen hier eher die Gegner waren.

Rasehorn hat neben seinen Büchern zu den NS-Juristen auch die Lebensläufe „linksbürgerlicher Kultur” vor allem in der Zeitschrift „Justiz” sowie an Mestiz, Kelsen sowie die im 19. Jahrhundert exilierten Richter des preußischen Staates erinnert. Er hat noch unter Pseudonym sein Buch „Im Paragraphenturm” veröffentlicht und Gesetzesinitiativen u.a. zur Rechtsberatung für Arme mitgestaltet. Junge Juristen, die in einer in Sachzwängen versunkenen Juristenausbildung eine Tradition suchen, die ihrer Studienmotivation im Streben nach einer gerechten Gesellschaft ein historisches Fundament verleihen könnten, sollten sich an Theo Rasehorn erinnern. Er gehörte in die erste Reihe dieser Nachkriegsjuristen, denen der Film über sein Vorbild Fritz Bauer zur Wiederentdeckung verhelfen könnte.